Noch in Hamburg, möglicherweise bald in Stuttgart: Die Darstellerin Zodwa Selele singt im Musical 'Sister Act' im Operettenhaus in Hamburg. Foto: dapd

Das SI-Centrum soll Schauplatz einer Musical-Weltpremiere werden: Stuttgart-Stück in Planung.

Stuttgart/Hamburg - Kaum dass sich die Darsteller bei "Rebecca" warmgesungen haben, kommt Bewegung in den Spielplan. Mittelfristig soll das SI-Centrum Schauplatz einer Musical-Weltpremiere werden. Zudem relativiert der Unterhaltungskonzern Stage Entertainment Spekulationen, "Sister Act" sei als nächste Produktion sicher gesetzt.

Täglich einige Tausend Musicalbesucher bekommen vom freundlichen Personal am Theatereingang die Eintrittskarten abgerissen, nehmen - vielleicht nach einer Erfrischung im Foyer - Platz in den bequemen Sesseln im Saal. Nach drei Stunden geht es mit der Gewissheit, große Gefühle und Gesten erlebt zu haben, in die Tiefgarage, zum Bus oder zur Stadtbahn. Alltag im SI-Centrum. Der Glanz der "Rebecca"-Premiere - verblasst.

Stuttgart empfiehlt sich für Höheres

Johannes Mock-O'Hara begegnen die Besucher normalerweise nicht. Dienstliche Pflichttermine sind für den Deutschland-Chef der Stage Entertainment nicht tägliche Vorstellungen, sondern Produktionsstarts wie vor drei Wochen jener von "Rebecca". "Viel Vergnügen in der Show" - entspannt begrüßte der Musicalmacher manch prominenten Gast. Grund für die gute Laune waren die Vorpremieren - jene Shows vor der eigentlichen Premiere, in denen ein Ensemble vor Geschäftspartnern und Medienvertretern unter Wettbewerbsbedingungen übt.

Die Reaktionen in den Vorpremieren lassen Rückschlüsse darauf zu, wie ein Stück langfristig ankommt, lautet ein Gesetz der Branche. Und die Handvoll Vorabvorstellungen müssen aus Mock-O'Haras Sicht perfekt verlaufen sein: "Das Publikum hat teils euphorisch reagiert." Was sich in den Ticketbestellungen widerspiegelt. "Hier liegen wir voll auf Kurs, wir haben Vergleichswerte aus vorangegangenen Inszenierungen, ,Rebecca' zählt da jetzt schon zu den erfolgreichen Stücken." Zahlen nennt das Unternehmen wie immer nicht. Buchen lassen sich aber bis in den März hinein fast nur noch Tickets der teuersten Kategorie.

Neben Hamburg und Berlin bleibt Stuttgart für Mock-O'Hara also ein wichtiger Pfeiler des Musicalsegments in Deutschland. "Der Stuttgarter Markt hat eine hohe Berechenbarkeit." Mit konstant 400.000 bis 500.000 Gästen, die Jahr für Jahr ins Apollo- respektive Palladium-Theater strömen, hat sich Stuttgart nun für Höheres empfohlen. Stichwort Welturaufführung.

Hitmusical mit Songs der Fantastischen Vier?

"Wir sind da dran", sagt Johannes Mock-O'Hara. Die Kreativ-Teams arbeiten bereits "an verschiedenen Ideen". Grundsätzlich bleibe der Firmensitz Hamburg zwar wichtigster Premierenstandort, aber Ausnahmen seien möglich. So wie die Erstaufführung des Udo-Lindenberg-Musicals "Hinterm Horizont" nirgendwo anders habe stattfinden können als am Potsdamer Platz in Berlin, prüfe man derzeit für Stuttgart regionale Stoffe, so Mock-O'Hara.

Der Zeitpunkt ist offen, über das Thema lässt der Stage-Manager nur mit sich spekulieren. Ein weiteres Hitmusical mit Songs der Band Die Fantastischen Vier? "Warum nicht", sagt Mock-O'Hara und ergänzt mehr feststellend als fragend: "Pur stammt doch auch aus der Region." Man müsse aber nicht zwingend die Jukebox-Musical-Schiene fahren. Auch ein adaptiertes Stück schwäbischer Geschichte sei denkbar.

Mit Rebecca Risiko eingegangen

Spekuliert wird zum Jahreswechsel auch über die nähere Zukunft im SI-Centrum. Auslöser dafür war eine Panne in der Vermarktungsabteilung der Stage. Der Boulevard hat daraufhin sogleich "Sister Act", das derzeit in Hamburg läuft, als Nachfolgestück fürs Udo-Jürgens-Musical "Ich war noch niemals in New York" vermeldet. Zwar ist in einem irrtümlich veröffentlichten PR-Film tatsächlich der Schriftzug "Stuttgart" im Zusammenhang mit dem Nonnen-Musical zu sehen gewesen. "Doch entschieden ist nichts", versichert Sandra Hoffmann, Stage-Sprecherin in Stuttgart, "es gibt drei bis vier Optionen." Neben "Sister Act" stünden auch "Dirty Dancing" und "Mary Poppins" in der engeren Wahl. Offen sei auch, ob tatsächlich Udo Jürgens (läuft mindestens bis November 2012) oder doch schon "Rebecca" weichen müsse.

Erfolg hin oder her: Vor deren Premiere hatte die Branche skeptisch geunkt: Den in Wien uraufgeführten Stoff kenne kaum jemand. Auch Tourismusmanager haben nach den Hitmusicals "Mamma Mia!" (Abba), "We Will Rock You" (Queen) oder "Ich war noch niemals in New York" an der Zugkraft des Krimi-Stücks gezweifelt. Immerhin beträgt der Anteil der Musical-Besucher in manchen Innenstadthotels an Wochenenden bis zu 70 Prozent. Mit dem düster und aufwendig produzierten Stück "Rebecca" "sind wir ein großes Risiko eingegangen", räumt Johannes Mock-O'Hara ein. Das gelte umso mehr, als die Stage als privatwirtschaftlich geführtes Unternehmen ihre Theater ohne staatliche Hilfen bespiele.

Stuttgarts Touristik-Direktor Armin Dellnitz kann mit Blick auf Städtereisen dem Dilemma auch Positives abgewinnen: "Die Geschichte von Rebecca ist spannend erzählt, das Musical hebt sich deutlich von den üblichen Musicals ab. Diese beiden Gründe kompensieren meiner Meinung nach dessen geringe Bekanntheit."

Bei einer Welturaufführung in Stuttgart mit regionalen Helden würden Dellnitz derlei Gedanken vermutlich nicht umtreiben.