Tolle Stimmung im Paris der 1930er Jahre: „Victor/Victoria“. Foto: promo

Regisseur Ulf Dietrich beweist im Alten Schauspielhaus mit „Victor/Victoria“, dass Mucicals auch auf kleiner Bühne toll wirken.

Regisseur Ulf Dietrich beweist im Alten Schauspielhaus mit „Victor/Victoria“, dass Mucicals auch auf kleiner Bühne toll wirken.

Man muss kein Musicalfan sein, um sich im Alten Schauspielhaus bestens unterhalten zu fühlen, wenn man erlebt, wie Regisseur Ulf Dietrich mit hohem Tempo das Musical „Victor/Victoria“ als hinreißende Show der wackligen Geschlechterrollen vorführt.

Verhalten geht’s los, dann überschlagen sich die Ereignisse, als der arbeitslose schwule Nachtclubsänger Toddy aus der begabten, aber erfolglose Sängerin Victoria den gefeierten Travestiestar Victor macht – und damit den Gangster und Frauenhelden King Marchan ins Gefühlschaos stürzt.

Zwar gerät manch schauspielerische Leistung etwas farblos (so die alternde Tunte Toddy von Volker Risch); doch insgesamt fügt sich alles harmonisch ineinander. Dietrich trifft mit seinen 15 Darstellern den lapidaren Ton, der Blake Edwards frivolen Esprit funkeln und geistreichen Slapstick zünden lässt.

Mit den von Henry Mancini komponierten jazzigen Kontrapunkten bestimmen fünf ausgezeichnete Musikerinnen Tempo und Atmosphäre des Geschehens. Melancholische Songs und fetzige Tanzeinlagen beschwören das Lebensgefühl im Paris der 1930er Jahre zwischen Prüderie und Vergnügungssucht. Diesem Ambiente schuf Dietmar Teßmann einen raffinierten Raum: Aus der Silhouette von Paris schälen sich wie von Geisterhand bewegt Hotelsuiten, Clubs und eine in den Bühnenhimmel der Illusionen ragende Showtreppe. Hier tummelt sich eine farbenprächtige Damen-Schickeria neben einer Unterwelt-Society in Nadelstreifen (prächtige Kostüme: Monika Seidl). Genüsslich beobachtet eine Gesellschaft der Bornierten und Verklemmten diese Inszenierung. Gut getroffene Klischeefiguren wie Norma, King Marchans Gespielin (köstlich Maja Sikora als hysterische Nymphomanin), zelebrieren die hohe Kunst der Dummheit.

Ironisch spielt der Regisseur mit der Schwulenfeindlichkeit und Verunsicherung seines Personals, als die Identitäten der Geschlechter verschwimmen. Das lässt sich besonders gut an den beiden auch gesanglich herausragenden Hauptfiguren beobachten: Antje Rietz als Victor/Victoria und Musicalstar Jan Ammann in der Rolle des King Marchan sitzen bei ihren rührend-linkischen Annäherungsversuchen in der Achterbahn der Gefühle. Victoria verliert sich zwischen weiblicher Glitzerikone und markigem Kerl; der King klammert sich vergeblich an seine Macho-Attitüde – ein sehens- und hörenswertes Vergnügen.

Weitere Aufführungen bis zum 1. Februar. Karten unter 0711/226 55 05.