Im interaktiven Foto-Studio können sich Besucher des Museums der Alltagskultur mit Papp-Aufstellern in Szene setzen. Markus Speidel zeigt, wie’s geht. Foto: Claudia Barner

Der neue Leiter des Museums für Alltagskultur im Waldenbucher Schloss will die Weichen für die Zukunft stellen. Im Fokus sind Ausflügler, Familien und Schulklassen. Zudem gibt es eine ungewöhnliche Social-Media-Idee.

Waldenbuch - Es hat eine Weile gedauert, bis Markus Speidel auch den letzten Winkel des Waldenbucher Schlosses erforscht hatte. 2500 Quadratmeter Ausstellungsfläche erschließen sich nun mal nicht so einfach nebenbei. Anfang Januar hat für den 42-jährigen Ethnologen eine neue Zeitrechnung begonnen. Er hat Thomas Brune als Leiter des Museums der Alltagskultur abgelöst. „Ich wollte mich weiterentwickeln und Verantwortung übernehmen“, sagt Speidel.

Das Museum ist kein statischer Ort

Vier Monate lang hat der neue Chef das Haus auf sich wirken lassen. Er hat die Räume durchstreift, die Besucher beobachtet, die Konzepte hinterfragt und sich mit den Mitarbeitern ausgetauscht. „Jetzt ist meine Analysephase abgeschlossen“, sagt er und erzählt davon, wie er das museale Kleinod in der Schönbuchstadt – eine Außenstelle des Württembergischen Landesmuseums – in die Zukunft führen will.

Ideen hat der 42-Jährige zuhauf. Ob sie sich alle verwirklichen lassen? „Keine Ahnung, wir werden auch experimentieren müssen“, sagt Speidel. Es setzt auf die Chancen, die dadurch entstehen, dass die Dinge in Bewegung sind. Für ihn ist ein Museum kein statischer Ort. Durchlaufen, anschauen und wieder gehen – das ist dem Volkskundler und Experten für Wissenschaft- und Technikgeschichte zu wenig. „Es geht darum, die Dinge mit den Menschen in Beziehung zu setzen. Ich sehe das Museum vor allem als Ort der Kommunikation“, sagt er. Wie sich Besucher in Ausstellungen einbinden lassen, wie Exponate mit einer starken Botschaft Emotionen und Erinnerungen wecken und so nachhaltig beim Betrachter wirken, hat Speidel nach dem Studium bei seinem Volontariat im Deutschen Museum in München erlebt. „Das hat mich geprägt und mir gezeigt, wo ich beruflich hin will.“ Nach der Promotion hat der junge Mann, der aus Göppingen stammt, acht Jahre lang im Planungsstab des Stuttgarter Stadtmuseums gearbeitet.

„Dort hat sich mein Bild vom Museum noch einmal grundlegend geändert“, erzählt er. Niederschwellige Angebote, die den Menschen in seiner Lebenswirklichkeit abholen, Online-Projekte, über die sich das Museum in die Welt hinaus öffnet, haben ihn nachdenklich gemacht. „Wir müssen überlegen: Was macht ein Museum relevant?“, sagt Speidel. Er ist zu dem Schluss gekommen: „Museen sind heute dazu aufgefordert, auf die Gegenwart zu reagieren. Die Menschen haben viele Fragen in einer Zeit, in der sich Gesellschaft rapide wandelt. Wir haben nicht auf alles eine Antwort. Aber wir können zeigen, dass Kultur schon immer etwas Wandelbares war und Traditionen kein starres Gerüst sind. Wir können einordnen, Zusammenhänge aufzeigen und Erklärungen liefern.“

Ausflügler und Familien sind großes Potenzial

Mit dieser Aufgabe hat man im Waldenbucher Museum schon begonnen. Thomas Brune hat den Umbau eingeleitet, indem er die Ausstellung entschlackt und die Besucher über ihre persönlichen Erfahrungen eingebunden hat. Markus Speidel will hier anknüpfen. Die geplante Neugestaltung des zweiten Obergeschosses bietet den nötigen Raum dazu. „Ich könnte mir hier wandelbare Formate vorstellen, die sich das ganze Jahr über anpassen“, ist eine der Ideen, die den neuen Museumsleiter umtreiben. Ein zentraler Punkt in seinen Überlegungen ist die Interaktion mit den Besuchern. Das Museum soll auch Erlebnis- und Wohlfühlort sein. „Ausflügler und Familien sind unser großes Potenzial. Deshalb denken wir stärker über Familienangebote nach“, sagt er. So stelle sich zum Beispiel die Frage, ob die Ausstellungsfläche zugunsten von museumspädagogischen Angeboten und Aufenthaltsbereichen verkleinert werden könne. „Wir möchten auch für Schulklassen attraktiver werden“, hat er sich vorgenommen. Mit der Sonderausstellung „Mein Name ist Hase“ über Redewendungen und Sprichwörter soll im Frühjahr 2018 der erste Versuchsballon steigen.

Das Hashtag lautet Wohnstudio

Und dann wäre da noch das Thema Digitalisierung. „Das ist ein großer Schritt, vor dem gerade viele Museen stehen“, sagt Markus Speidel. Erste Erfahrungen sammelt die Waldenbucher Außenstelle gerade mit dem Wohnstudio im ersten Obergeschoss, das eigentlich ein Fotostudio ist, in dem sich Besucher mithilfe von großen Papp-Aufstellern in Szene setzen und ablichten können. Die Aufnahmen kann man über den Hashtag #wohnstudio in den sozialen Medien teilen.

„Das wird bisher noch nicht so gut angenommen“, bedauert der neue Museumsleiter und zieht auch daraus seine Schlüsse: „Wir müssen mehr Strahlkraft entwickeln. Das Museum der Alltagskultur ist eine Perle, die mehr Beachtung verdient.“

Das Museum der Alltagskultur beteiligt sich am Internationalen Museumstag am Sonntag, 21. Mai. Mehr Infos und das Programm gibt es hier.