Projektmanager Jan Hambach vor dem Hesse-Museum: Kampf gegen Pilze, Asbest und Schimmel Foto: Faltin

Bei den Bauuntersuchungen des Hesse-Museums in Calw traten viele unliebsame Überraschungen zutage. Jetzt erhöhen sich die Kosten drastisch – und an eine Wiedereröffnung ist frühestens im Herbst 2024 zu denken. Zwei kleine Trostpflaster für die Liebhaber des Dichters gibt es aber.

Viel schlimmer hätte es fast nicht kommen können: Ein unheilvolles Trio aus Pilzen, Asbest und Schimmel wirft gerade alle Planungen für das Hermann-Hesse-Museum in Calw über den Haufen. Schon seit 2020 ist das Museum geschlossen, eine große Sanierung ist geplant, doch nun müssen sich eingefleischte Liebhaber des Sinnsuchers Hesse und Autors von „Steppenwolf“ und „Siddhartha“ mindestens zwei weitere Jahre lang gedulden. Vor Herbst 2024 ist nichts zu machen.

Neben dem Kloster Hirsau ist das Hesse-Museum die wichtigste Sehenswürdigkeit Calws. Es versteht sich als das umfassendste Hesse-Museum, auch wenn es in Gaienhofen am Bodensee und in Montagnola im Tessin, beides langjährige Wohnsitze des Dichters, ebenfalls Einrichtungen gibt. Insofern war die bisherige Calwer Ausstellung im noblen und denkmalgeschützten Haus Schüz, dem einstigen Domizil eines vermögenden Arztes, mit seinen großzügigen Räumen und der weißen Holztäfelung durchaus angemessen.

Eine Hiobsbotschaft folgt der nächsten

Rund 40 Jahre sind allerdings seit der letzten Renovierung vergangen, mehr als 30 seit der Eröffnung des Museums. So wollte Calw nun 2,85 Millionen Euro investieren, um das Gebäude, aber auch die Ausstellung auf Vordermann zu bringen. Da knapp 1,5 Millionen Euro an Förderung in Aussicht stehen, wären die Kosten für die Stadt Calw einigermaßen überschaubar gewesen.

Doch bei den Voruntersuchungen folgte nun eine Hiobsbotschaft der nächsten. Frühere Besitzer hatten Material in die Deckenräume geschüttet, in dem nun Blei und Quecksilber nachgewiesen wurde. Mineralwolle und Bodenbeläge stehen im Verdacht, asbesthaltig zu sein. Auf der Nordseite des Hauses hat sich Schimmel breitgemacht. Und in den Decken hat man zudem den „Wilden Hausschwamm“ entdeckt, einen Pilz, der das Holz zu Bröseln zerfallen lässt. Und längst ist noch nicht das gesamte Haus untersucht. Noch größeres Pech hatte Calw übrigens vor einigen Jahren beim Umbau des historischen Rathauses – damals war sogar die Statik ins Wanken geraten.

Kosten liegen jetzt bei 4,55 Millionen Euro

Derzeit geht die Stadt davon aus, dass die Kosten sich um 60 Prozent auf mehr als 4,55 Millionen Euro erhöhen werden. Und ob dies das Ende der Fahnenstange sein wird, vermag angesichts ausstehender Gutachten und allgemeiner Kostensteigerungen beim Baumaterial niemand zu sagen.

Dennoch habe der Gemeinderat kürzlich einstimmig beschlossen, das Projekt uneingeschränkt fortzuführen, betont der Projektmanager Jan Hambach. Auch der neue Anbau, in dem ein Veranstaltungsraum untergebracht werden soll, sei nicht gestrichen worden. „Das ist vielleicht auch ein wenig als Wiedergutmachung für Hermann Hesse gedacht, der lange in Calw nicht anerkannt war“, sagt Hambach. So lehnte etwa noch 1957 der Gemeinderat den Vorschlag ab, das örtliche Gymnasium nach Hesse zu benennen. Aber Schwamm drüber. Längst gibt es das Hermann Hesse Gymnasium (ohne Bindestriche), und der Literaturnobelpreisträger von 1946 ist längst der größte Sohn der Stadt – mit größtem touristischen Potenzial.

Ausweich-Ausstellung im Palais Vischer

Die neue Ausstellung, die sich bisher am Leben Hesses entlang hangelte, wird sich künftig thematisch orientieren. In neun Räumen werden jeweils drei Themen beleuchtet, um die politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Positionen Hermann Hesses deutlich zu machen. Letztlich hat Calw mit dem Museum Großes vor: „Mit der Renovierung und dem neuen Konzept soll zugleich eine strategische Weiterentwicklung des Hauses einhergehen – hin zu einem literarischen Leuchtturm mit internationaler Strahlkraft“, betont Ute Lilly Mohnberg von den Städtischen Museen Calw.

Vier Jahre lang ohne ihre Hauptattraktion leben zu müssen, das erschien der Stadt Calw unmöglich. So gibt es schon seit dem vergangenen Jahr im Palais Vischer eine Ausstellung zum Steppenwolf. Sie dreht sich vor allem um die Illustrationen des Malers und Hesse-Freundes Gunter Böhmer zu diesem Hauptwerk Hesses. Geöffnet ist das Palais Vischer immer am Wochenende.

Weitere Schau im Gerbereimuseum

Daneben ist nun eine weitere Ausstellung im Gerbereimuseum zu sehen. Schwerpunkt ist Hesses Kindheit in Calw und wie er seine Erlebnisse in seinen literarischen Werken verarbeitet hat. Dass diese Schau im Gerbereimuseum Unterschlupf gefunden hat, passt: Hermann Hesse wusste um diese Handwerkertradition Calws und hat in allen seinen Büchern seiner Heimatstadt den Codenamen „Gerbersau“ verliehen.