Dieter Albrecht, und Raffaela Sulzner freuen sich über das Schantle. Foto: dpa

Dieter Edwin Albrecht hält die Fasnet nur noch für ein Schaulaufen und beglückt deshalb ein Museum mit einem Familienerbstück. Im vergangenen Oktober hatte er das historische Kostüm noch auf Ebay angeboten – für 15 000 Euro.

Waldenbuch - Ein Narrenkleid mit einer besonderen Geschichte hat es ins Waldenbucher Museum der Alltagskulturen geschafft: Der bisherige Besitzer Dieter Edwin Albrecht verschenkte am Donnerstag ein Rottweiler Schantle, das seit Generationen im Besitz seiner Familie ist. Es war eine Protestaktion des Spenders „gegen eine Fastnacht, die sich für ihn immer mehr in Richtung Touristenattraktion verändert“, teilt das Landesmuseum Württemberg mit, zu dem die Einrichtung im Waldenbucher Schloss gehört. Dieter Albrecht möchte das Kleid deshalb nicht mehr tragen. Weil er es zunächst im Internet verkaufen wollte, ist es in den vergangenen Monaten geradezu zu einer Berühmtheit geworden.

Das Schantle hat viel Aufsehen erregt

„Ich freue mich sehr, dass dieses Schantle, das so viel Aufsehen erregt hat, nun Teil unserer Sammlung geworden ist“, sagte der Museumsleiter Markus Speidel bei der Übergabe. Vor seiner Entscheidung, das Kleid dem Museum für Alltagskultur zu vermachen, hatte Dieter Albrecht es im vergangenen Oktober auf der Internet-Anzeigenplattform Ebay angeboten und damit kontroverse Diskussionen über die Veränderungen der Fasnet ausgelöst. „Viele Narren nutzen den Narrensprung nur noch als Schaulaufen“, kritisierte er unter anderem. Auf der Webseite hatte Dieter Albrecht das gute Stück für ein Startgebot von 15 000 Euro eingestellt, allerdings mit dem Hinweis, dass er das Kleidle möglicherweise ins Museum gibt. Für seine Verkaufsabsichten war er wiederum kritisiert worden.

Früher gehörten die Narren „zu einer mystischen, großen, heterogenen Gemeinschaft von Gleichgesinnten“; schrieb Dieter Albrecht im Internet. Die Menschen seien unter der Anonymität der Maske verschwunden. Doch mittlerweile gehe es um sehen und gesehen werden. „Fast alle Möchtegernnarren stehen heute mit der gelupften Larve vor dem Tor, selbst während des Sprungs lupfen Narren schon manchmal die Larve“, erklärte er. Das sei für ihn ein Unding. Nur wenige Narren würden noch konsequent anonym ihre Rolle spielen. Auch gegenüber der Narrenzunft äußerte er seine Kritik in Briefen und bei Versammlungen.

Sammler wollten das Narrenkleid zwar kaufen, doch Albrecht entschied sich dann zu der Schenkung. Das rund 90 Jahre alte Narrenkleid aus blauem Leinenstoff mit Stickarbeiten war einst vom Rottweiler Stadtschultheiß Edwin Glükher in Auftrag gegeben worden. Über dessen Schwiegersohn gelangte es mit der geschnitzten Larve Mitte des 20. Jahrhunderts an die Familie Albrecht, wo das Schantle über vier Generationen hindurch bei der Fasnet getragen wurde. Als „eine Figur, die auch Behinderung und Unvollkommenheit verkörpert“ beschreibt Dieter Albrecht das Schantle. Mit dem Tragen von Larve und Kleidle erlebe der Träger eine Verwandlung zum Narren. „Als Schantle befindet er sich gleichsam in einer anderen Welt und kann unerkannt der Gesellschaft den Spiegel vorhalten.“ Diese Form der Fasnet sieht er allerdings im Verschwinden begriffen, weshalb er nicht mehr daran teilnimmt.

Veränderungen werden dokumentiert

Das Museum der Alltagskultur verfügt bereits über einen umfangreichen Bestand an Ausstellungsstücken zur Fastnacht. Die Abteilung Populär- und Alltagskultur nimmt nur noch Exemplare in die Sammlung auf, „wenn diese von besonderer historischer Bedeutung oder mit einer interessanten Geschichte verbunden sind“, teilt das Landesmuseum mit. Für die Kulturwissenschaftlerin und Museumskuratorin Raffaela Sulzner erfüllt der Neuzugang diese Voraussetzung: Das Schantle erzähle gleichzeitig vom Wandel und von der Kontinuität von Brauchtum und Tradition. Zweck der Sammlung sei es nicht, Kultur zu erhalten, sondern deren Veränderungen zu dokumentieren, ergänzt Markus Speidel. Das Schantle wird von 5. bis 24. Februar im Museum der Alltagskultur ausgestellt sein.