Im Gablenberger Museo in der Alten Schule wird die Tankstellengeschichte der vergangenen 100 Jahre im Stuttgarter Osten gezeigt
Stuttgart - Das ist ein Spruch aus vergangenen Zeiten: Einmal volltanken bitte. Üblich war er in einer Zeit, als der Automobilist noch nicht selbst aktiv geworden ist, um sein Fahrzeug mit Sprit zu versorgen, sondern als dies noch ein Tankwart besorgte, während der Autofahrer im Wagen sitzengeblieben ist. Deshalb lädt die neue Ausstellung im Gablenberger Mus e-O „Super, voll! Ein Jahrhundert Tankstellen im Stuttgarter Osten“ in der Alten Schule natürlich mit einer alten Zapfsäule ein aus einer Zeit, als noch niemand auf die Idee kam, dass ein Liter Benzin mal eine D-Mark oder gar noch mehr kosten könnte, geschweige denn einen Euro oder noch mehr. Und daneben gibt es passend dazu die Arbeitsuniform eines Tankwarts.
Treibstoff für Zweitakter
Denn der hatte in jenen Jahren noch einiges mehr zu tun als die Tanks zu füllen: Ölstand und Luftdruck prüfen, Wasserstand im Kühler kontrollieren, . . . – eine Rundumversorgung eben, damit sich die Fahrer ganz auf ihre Fahrt konzentrieren konnten. Passend dazu gibt es im Eingangsraum des Muse-O einige alte Ölbüchsen und die Spezialtanke für jene, die einst noch Zweitakter gefahren sind.
Entsprechend spartanisch ist auch der Innenraum einer Tankstelle: Ein Kassenhäuschen eben, geprägt durch eine große Registrierkasse. Und für den nötigsten Reiseproviant gab es abgepackte Erdnüsse und eine Auswahl von zwei Schokoriegel-Sorten.
Die Tankstelle als Treffpunkt
Das alles ist längst Geschichte: Digitale Assistenten übernehmen heute die Kontrolle der Autos. Und die Tankstelle ist längst ein großer Supermarkt mit Tankmöglichkeit. Auch deshalb ist diese Ausstellung so reizvoll: Die Funktion einer Tankstelle hat sich grundsätzlich gewandelt. Aus einem Ort, der einst nur der Fortbewegung diente, ist heute ein sozialer Ort geworden. Hier kann man nicht nur für den täglichen Bedarf einkaufen. Zum Verweilen gibt es häufig eine Auswahl an Gebäck und Snacks sowie viele Kaffeevarianten, die zum Teil auch frisch zubereitet werden. Viele verweilen da heute an den Stehtischen.
Unterwegs in der Nacht
Der Stuttgarter Osten kann sich rühmen, die vermutlich älteste Tankstelle der Stadt auf seiner Gemarkung zu haben: Die Schwabengaragen. Ein tolles Hochglanzfoto aus dem Ende der 1940er Jahre vermittelt viel von dem, auf was es damals ankam, was auch heute noch Teil der automobilen Träume ist. Aus der Nacht schält sich eine gut beleuchtete Serviceeinrichtung raus, der Autofahrer fährt zur Seite wie in eine Boxengasse, um dann wieder nach dem Service in die regennasse Nacht zu starten. Da gab es noch Tankstellen an beiden Seiten der Straße: Richtung Bad Cannstatt wie heute, aber auch in Richtung Innenstadt.
Bis zu 40 oder 50 Tankstellen dürfte es mal im Osten gegeben haben Mitte der 1930er Jahre, eine Zeit, in der deutschlandweit das Tankstellennetz am dichtesten war. Dazu zählten freilich auch eine einzige Zapfsäule am Gehwegrand oder gar nur ein Benzinfass mit Pumpe in einem Hinterhof. Davon sind heute übrig geblieben sieben bis acht Adressen als Anlaufstelle zum Tanken. Dazu gehören auch die neuen Formen des Antriebs: Neben immer mehr Elektroladesäulen sind dies etwa verschiedene Gasformen beim Gaskessel oder Wasserstoff für die SSB-Busse auf dem Betriebsgelände Gaisburg.
Der Tiger von Esso und der Hund von Agip
Nostalgiker haben ihre Freude an historischen Fotos früherer Tankstellen etwa in der Landhaus- , Tal- oder Klingenstraße, Informationstafeln geben zusätzliche Auskünfte. Hinzu kommen noch Werbefiguren wie Aralinchen, der sechsbeinige Agip-Hund und natürlich der Esso-Tiger. Und es gibt noch Tankstellen-Situationen als Modellbau. Zusammengetragen haben dies vor allem die Muse-O-Mitglieder sowie der Tankstellen-Enthusiast Andreas Bayer, der in dieser Sache ein Privatmuseum hat. Von ihm stammen unter anderem die Großexponate.
Eine Mark für einen Liter Benzin
Und es gibt bewegte Bilder vom SWR. Als der noch SDR hieß und eine eigene Fernsehabteilung hier in der Stadt hatte, wurden viele Reportagen zum Thema Benzin und Mobilität vor Ort im Osten gedreht, etwa als es autofreie Sonntage gab in den 1970er Jahren oder als der Benzinpreis die damalige Schallmauer von einer D-Mark pro Liter durchbrach. Die können hier auf einem Bildschirm abgerufen werden.
Eine Sache fehlt aber noch in der Ausstellung: Die Tankstelle in der Haußmannstraße, auf deren Dach sich einst ein Flugzeug befand. „Wir haben lange nach Fotos gesucht, bisher leider vergeblich“, so Ulrich Gohl vom Vorstand des Museumsvereins. Dennoch ist er zuversichtlich, diese Lücke noch schließen zu können, denn es gehört zu den Gepflogenheiten im Muse-O, dass die Besucher im Laufe der Ausstellung noch Exponate beibringen, die dann hinzugefügt werden. Und die Ausstellung läuft ja noch bis zum 22. November.