Ex-Box-Weltmeister Muhammad Ali im September 2014 – die Krankheit hat ihre Spuren hinterlassen Foto: AP

Der Ex-Weltmeister im Schwergewicht hat viele seiner Gegner überlebt. Seit 30 Jahren widersteht die Boxlegende auch dem Dämon Parkinson. Am morgigen Samstag wird er 73 Jahre alt.

Phoenix - Muhammad Ali hat Geburtstag. „Der Größte aller Zeiten“, wie er sich selbst gerne nennt, wird an diesem Samstag 73 Jahre alt. Weil es kein runder Geburtstag ist, werden die üblichen Huldigungen ausbleiben. Doch bei seinem besorgniserregenden Gesundheitszustand ist jeder 17. Januar ein „Happy Birthday“. Seit 30 Jahren lässt der Dämon Parkinson den einst so charismatischen Champion der flinken Fäuste und der witzigen Worte, des wachen Geistes und der aufrechten Gesinnung dahinsiechen.

Ali führt seinen letzten Kampf gegen eine Krankheit, die ihm nimmt, was ihn groß gemacht hat: seine Athletik, seine Sprache.

Als der dreimalige Boxweltmeister im Schwergewicht über Weihnachten wegen einer (vermeintlichen) Lungenentzündung im Krankenhaus lag, musste das Schlimmste befürchtet werden. Doch die Familie beruhigte die Öffentlichkeit. Wie im Oktober 2014, nachdem Rahman Ali bei der Filmpremiere von „I am Ali“ zum zweiten Mal innerhalb von zwei Jahren vom nahen Tod seines Bruders schwadroniert hatte.

Ali litt über Weihnachten nicht an einer Lungenentzündung, sondern an einer Harnweginfektion, wie Familiensprecher Bob Gunnell nach der Entlassung am 7. Januar mitteilte. Ali habe sich gut erholt. Zum aktuellen Befinden des berühmtesten Parkinson-Kranken der Welt, der am Freitag zu einer Nachuntersuchung erneut ins Krankenhaus musste, sagte Gunnell: „Muhammad geht es zum jetzigen Zeitpunkt gut, sein Zustand ist stabil.

Er hofft, den Geburtstag zu Hause bei seiner Familie zu feiern. Morgens kann er besser sprechen als abends. Man muss sein Alter und seine Krankheit berücksichtigen. Aber er ist eine starke Persönlichkeit.“

Muhammad Ali, der mit seiner Frau Lonnie in Paradise Valley bei Phoenix, im US-Bundesstaat Arizona, lebt, meidet öffentliche Auftritte. Der letzte liegt vier Monate zurück. In seiner Geburtsstadt Louisville (Kentucky) ehrte er mit seiner Anwesenheit die Verleihung der Humanitarian Awards, die seinen Namen tragen. Ali redete nicht, posierte aber mit den Gewinnern für Fotos. Er lebte förmlich auf.

Anders als bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele am 27. Juli 2012 in London, bei der er eine Milliarde Fernsehzuschauer berührt und bestürzt hatte. Im weißen Anzug, die Augen im maskenhaften Gesicht hinter einer großen, schwarzen Sonnenbrille versteckt, gestützt von Lonnie, begleitete dieser einstige Inbegriff des athletischen Körpers unter Aufbietung letzter Kräfte die Träger der Olympischen Fahne ein kurzes Stück des Weges.

Mühsam fasste er die Fahne mit Hilfe seiner Frau an, die ihm unentwegt ins Ohr flüsterte, zu winken. Doch sein rechter Arm hatte dazu nicht mehr die Kraft. Was für ein tragisches Bild in dem allgemeinen Freudenszenario.

Niemand kann voraussagen, wie viele Geburtstage dem größten aller Boxchampions noch vergönnt sind. Deshalb ist auch der 73. ein Grund zum Feiern. Zum Beispiel für die Stammgäste der Berliner Kneipe Cumulus. Die Ali-Fans haben Jürgen Blin (72) zu einer Talkrunde eingeladen. Er boxte am 26. Dezember 1971 in Zürich gegen den titellosen Ali und hielt sich bis zur siebten Runde tapfer auf den Beinen.

Der blonde Hamburger erfreut sich geistig und körperlich bester Gesundheit. Dabei war Blin während der ARD-Übertragung eines Boxkampfs im Januar 2007 in Basel von Moderator Waldemar Hartmann schon für tot erklärt worden.

Der Pfälzer Karl Mildenberger (77), der Ali am 10. September 1966 in Frankfurt in einem WM-Kampf zwölf Runden heldenhaft widerstand, kann einer solchen Einladung kaum mehr folgen. Der frühere Europameister und Weltranglisten-Erste ist krank, wird zu Hause in völliger Abgeschiedenheit von seiner Frau Miriam gepflegt.

Bisher hat Ali 27 seiner 50 Gegner (in 61 Kämpfen) überlebt. Die Schicksale seiner toten Rivalen sind mitunter bedrückend. Trevor Berbick (54), letzter Gegner und Besieger Alis, sowie Oscar Bonavena (33) wurden ermordet. Wie wohl auch Zora Folley (40), dessen mysteriöser Tod in einem Swimmingpool nie aufgeklärt wurde. Alejandro Lavorante (27) und Sonny Banks (24) fanden den Tod im Ring (nicht in Ali-Kämpfen). Sonny Liston (38) starb an einer Überdosis Heroin, Joe Frazier (67) an Leberkrebs, Cleveland Williams (66) wurde überfahren.

In Pflegeheimen für Demenzkranke endete das Leben von Ken Norton (70), Floyd Patterson (71), Jerry Quarry (53), Jimmy Young (56), Jimmy Ellis (74) und Ernie Terrell (75). Der taub gewordene Sir Henry Cooper (76) verschied kurz nach dem Tod seiner Frau an Herzversagen. Willi Besmanoff (78), in München geborener Jude, hatte als elfjähriger Junge das Konzentrationslager Buchenwald überlebt.

Der dritte deutsche Ali-Gegner starb im Oktober 2010. Keiner der toten Ali-Gegner wurde 80 Jahre alt. Der verschollene Jimmy Robinson, geboren 1925, könnte die Ausnahme gewesen sein. Doch trotz jahrelanger Recherche ist nicht bekannt, wann, wie und wo der vierte Ali-Gegner starb.

Als das unsägliche Leiden Jerry Quarrys endete, widmete Folksänger Rev Hammer dem irischstämmigen Amerikaner das Sterbelied der Boxer: „Dementia Pugilistica“. Seit drei Jahrzehnten kämpft Muhammad Ali nun gegen diese Mächte, die stärker sind als er. Doch Twitter gibt dem sprechbehinderten Parkinson-Kranken immerhin wieder eine Plattform für seine spaßigen Sprüche. Sein trotziger Tweet vom 17. Dezember lautet übersetzt: „Ich bin so dreist, dass ich Medizin krank mache.“