Seit einem halben Jahrhundert wird in dieser Anlage Müll zur Strom- und Wärmeerzeugung verbrannt Foto: dpa

Das Pferdefuhrwerk fährt längst nicht mehr vor, um den Inhalt des maximal 30 Kilogramm schweren Kuttereimers mitzunehmen. Heute schaffen die orangefarbenen Lastwagen des Abfallwirtschaftsbetriebs Stuttgart (AWS) und ebenso orange gewandete AWS-Mitarbeiter den Unrat von der Haustür weg. Seit 50 Jahren endet ihr Weg am Müllmeiler in Münster.

Stuttgart - Das Pferdefuhrwerk fährt längst nicht mehr vor, um den Inhalt des maximal 30 Kilogramm schweren Kuttereimers mitzunehmen. Heute schaffen die orangefarbenen Lastwagen des Abfallwirtschaftsbetriebs Stuttgart (AWS) und ebenso orange gewandete AWS-Mitarbeiter den Unrat von der Haustür weg. Gemessen wird in Tonnen, kassiert übrigens (dem preußischen Kommunalabgabengesetz sei Dank) seit 1893. Die Müllgebühren waren im Stadtrat schon damals ein Aufregerthema.

 

Zusammen mit den Landkreisen Esslingen und Rems-Murr liefert Stuttgart heute jährlich 225 000 Tonnen Müll zur Verbrennung in den drei Müllöfen in Münster an.

Seit 1965 löst sich der Stuttgarter Hausmüll in Luft auf. Zumindest fast. Als die Verbrennungsanlage am 2. Juli vor 50 Jahren in Betrieb ging, quoll aus dem Schornstein nicht nur heißer Dampf. In den 1980er und 1990er Jahren wurden Reinigungsanlagen für die Kohle- und Müllverfeuerung nachgerüstet. Zuerst kam die katalytische Entstickung für die Kohlekessel, dann die Rauchgasentschwefelung, dann 1993 die Rauchgaswäsche für den Müll.

Mit der Müllverbrennung konnte Stuttgart seine Deponieprobleme lösen. Von 1903 an war Hausmüll über Jahrzehnte im Erbachtal in Waiblingen-Neustadt (bis 1965, danach kamen Asche und Schlacke) und auf der Deponie Einöd in Hedelfingen abgekippt worden. Die Müllmenge wuchs, der Platz wurde knapp, Abdichtungen oder Sickerwasserentsorgung gab es nicht. Im Erbachtal investierte der städtische Abfallwirtschaftsbetrieb von 1996 bis 2013 rund 15 Millionen Euro, um die Deponie sicher zu machen. Bis 2043 sind weitere 19,4 Millionen für den 2,2 Millionen Kubikmeter großen Abfallberg veranschlagt. Auch die Deponie Einöd musste gesichert werden. Über der alten Kippe wird heute noch Bauschutt abgeladen.

Seit 2005 ist die reine Deponierung von Siedlungsabfällen untersagt. Es muss verwertet und verbrannt werden. In Münster führte das 2007 dazu, dass die Energie Baden-Württemberg (EnBW) die Kapazität der Anlage auf 420 000 Tonnen pro Jahr fast verdoppelte. Seitdem werden Zivilisationsreste auch aus dem Bodenseekreis und der Region Reutlingen/Tübingen angenommen.

Erst wird der Müll in einer 18 000 Kubikmeter fassenden Wanne gesammelt, dann per Förderband zum Kleinhäckseln transportiert und in den drei Müllkesseln bei Temperaturen zwischen 900 und 1100 Grad verbrannt. Das Höllenfeuer – pro Stunde gehen 60 Tonnen Müll in Rauch auf – erzeugt bei 60 bar Druck im Kessel Dampf, der Turbinen antreibt, die Wärme und Strom erzeugen. Nach diversen Reinigungsstufen mit Salz- und Staubabscheidung quellen die Rauchgase aus dem 180 Meter hohen Schornstein.

Schon seit 1935 waren in Münster Kohleöfen zur Kraft-Wärme-Kopplung für die Fernwärmeerzeugung im Einsatz. Strom und Fernwärme auch aus Abfall zu erzeugen war 1965 die logische Folge. Ob der Stuttgarter Müll aber auch 2025 und damit nach 70 Jahren noch in Münster verbrannt werden wird, steht in den Sternen. „2025 läuft der Vertrag mit der EnBW aus, dann könnten wir die Verbrennung ausschreiben“, sagt Technikbürgermeister Dirk Thürnau. Bevor die Grundsatzfrage gestellt wird, will er von 2017 an, wenn die Biomüll-Entsorgung in Zuffenhausen läuft, über eine Reduzierung der in Münster anzuliefernden Müllmenge verhandeln. Etwa 17 000 Tonnen weniger pro Jahr sollten es dann sein.