Kein Ungeheuer und kein Spion: Frank Koch taucht im Langen See ab. Foto: factum/Granville

Ein Taucher entrümpelt das Gewässer auf dem Flugfeld zwischen Böblingen und Sindelfingen – und fördert neben vollen Bierflaschen noch weitere kuriose Fundstücke zu Tage.

Böblingen/Sindelfingen - Wie gut, dass der Lange See so trüb ist. So können die mysteriösen Unterwasserwesen, die dort offenbar hausen, von den Besuchern an den Ufern ungestört ihrem Alltag nachgehen. Und dieser scheint sich kaum von dem menschlicher Zweibeiner zu unterscheiden. Gearbeitet wird offenbar auch in den mäßigen Tiefen des Gewässers – zumindest legt das der Bürostuhl mit Algenbelag nahe, den Frank Koch nach oben befördert. Der Taucher ist im Auftrag des Zweckverbands Flugfeld und des Städtischen Betriebshofs Böblingen-Sindelfingen unterwegs. Seine Mission: den Grund des Langens Sees gründlich zu entrümpeln.

Wassermänner und Seejungfrauen lieben offenbar Bier

Das ist auch bitter nötig. Drei Fahrräder, mehrere Kinderroller, unzählige leere Flaschen, aber auch mehrere noch verschlossene volle Bierflaschen und einen leeren Getränkekasten befördert er nach oben. Sehr durstig scheinen die Seebewohner dort unten zu sein. Auch Straßenschilder und Warnbaken finden sich auf dem Grund des Sees. Sind selbst auf dem Seegrund die Verkehrsverhältnisse so chaotisch, dass man Schilder braucht? An Wassermänner und Seejungfrauen, die dort unten Bier trinken und Fahrrad fahren, glaubt Jozo Illic, der Chef der Stadtreinigung freilich nicht. „Die Sachen werfen die Leute einfach in den See“, sagt er. Das kann er täglich beobachten. Wohnt er doch selbst auf dem Flugfeld. „Jeden Abend sitzen 150, 200 Leute hier am See. Die kommen von überall. Darauf sind wir sehr stolz“ , betont der Reinigungs-Chef.

Damit es um den See herum trotzdem immer schön sauber ist, sammelt ein Mitarbeiter des Betriebshofs täglich den Müll auf der Seetreppe, der hölzernen Veranda und auf dem Spielplatz ein. „An normalen Tagen sind das zwei bis drei Tüten voll, samstags bis zu zehn“, berichtet Sevtap Sen. Sechs Tage die Woche jeweils acht Stunden ist der Mann unterwegs. Gefährlich seien vor allem die vielen Scherben. Jede Menge Scherben findet auch der Taucher im Schlamm des Sees. „Da muss ich aufpassen, dass ich mich nicht schneide.“

Müll sammeln ist für den Taucher ein gemütlicher Job

Ansonsten sei der Tauchgang auf dem Flugfeld ein eher gemütlicher Job. Schwierig sei lediglich die schlechte Sicht. „Das Wasser ist sehr trüb und hat wenig Sauerstoff“, berichtet Frank Koch. Wesentlich gefährlicher sind da seine Einsätze in Baggerseen, bei denen er abgebrochene Anlagenteile von Kieswerken sucht oder Tauchgänge in Kläranlagen, bei denen er unter Wasser Reparaturen und Schweißarbeiten ausführt. Der 50-Jährige ist gestählt. Insgesamt 15 Jahre war er bei der Marine, zwei Jahre in Schottland auf einer Off-shore-Insel, zwei Jahre in Venezuela auf einer Ölplattform. Dagegen ist der Lange See ein niedliches Wässerchen.

Vor sieben Jahren wurde der künstliche See mit vier Hektar Fläche und zwei bis vier Meter tief, mit 900 000 Kubikmeter Wasser geflutet. Jetzt wurde er das erste Mal von einem Taucher gereinigt. Sonst sammeln die Mitarbeiter der Stadtreinigung den auf dem Wasser schwimmenden Müll mit einem Kescher ein. Trotz des knappen Sauerstoffs leben erstaunlich viele Fische im See. „Rotfedern habe ich gesehen und sogar Kois, die vermutlich ausgesetzt wurden“, erzählt Frank Koch.

Gespeist wird der See vom Regen. Das Regenwasser des größten Teil des Flugfelds wird gesammelt, gefiltert und in den See geleitet. Daraus fließt es wieder in den Aischbach ab. Bei größeren Bränden nutzt die Feuerwehr das Wasserreservoir zum Löschen. „Als es vor zwei Jahren beim Böblinger Unternehmen Reisser den Großbrand gab, da hat man das dem See deutlich angesehen“, erzählt Lisa Kuttler vom Zweckverband Flugfeld. „Der Wasserstand war viel niedriger als normal.“

Schmuckstücke eines Vermissten im See

Kriminalfall: Vor zwei Jahren suchten Taucher den Magstadter Eissee ab. Die Polizei erhoffte sich Hinweise auf den vermissten Armin Lauter. Der Magstadter Autohändler war am 28. Dezember 2014 spurlos verschwunden. Im See fanden die Taucher Schmuckstücke, die aus der Wohnung des damals 49-Jährigen stammten. Sie führten die Beamten bei der Suche nach dem Vermissten aber nicht weiter.

Ungelöst: Einbrecher hatten die Schmuckstückelange nach dem Verschwinden des Mannes gestohlen. Sie seien in das leer stehende Haus eingedrungen und hätten die für sie wertlose Beute in den See geworfen, sagten die Täter aus. Lauter wird noch immer vermisst.