Professor Martin Kranert ist Abfallexperte an der Uni Stuttgart Foto: Uni Stuttgart/Tom Pingel

Dass sich Müll selbst entzündet wie zuletzt in Benningen und Remseck, ist ein Phänomen, dem in der Regel chemische Reaktionen voraus gehen. Wie und warum Abfall zu brennen beginnt, ohne dass ihn jemand in Brand gesteckt hat, erklärt Professor Martin Kranert, er ist Abfallexperte der Uni Stuttgart.

Stuttgart - Feuer bei Müllentsorgungsfirmen, weil der Abfall offenbar aus sich heraus zu brennen begonnen hat – wie kann das sein? Martin Kranert ist Professor für Abfallwirtschaft und Abluft an der Uni Stuttgart. Er erläutert, welche chemische Reaktion zu Bränden führt und wie man sich dagegen wappnen kann.

Herr Kranert, was ist passiert, wenn Müll, wie in Benningen und in Remseck geschehen, einfach so brennt?
Es gibt drei Gründe, weshalb sich Müll selbst entzündet. Der klassische Fall ist die Mülldeponie. Unter Luftabschluss entsteht brennbares Methangas. Jetzt braucht es noch eine Zündquelle, und der Abfall beginnt zu brennen.
Welche Zündquellen können das sein?
Ein glimmender Zigarettenstummel, ein elektrischer Funke oder der Brennglaseffekt, wenn also Glas, zum Beispiel eine Flasche direkter Sonneneinstrahlung ausgesetzt ist.
Wie kann Müll noch zu brennen beginnen, ohne dass ihn jemand aktiv anzündet?
Bei Abfall mit hohem Organikanteil ist nicht mal eine Zündquelle nötig. Müll erhitzt sich, wenn er in großen Haufen liegt, Luft dazu kommt und lang lagert. Die hohen Außentemperaturen können diesen Prozess noch unterstützen. Mikroorganismen im Kompost produzieren Wärme, die in Kompostierungsanlagen bis zu 70 Grad Celsius erreichen kann. Heuschober beispielsweise müssen deshalb stark belüftet werden.
Sie sprachen von drei Gründen.
Lösemittel oder hochreaktive chemische Substanzen – eigentlich Sondermüll – können ein Feuer auslösen. Wenn etwa metallhaltige Stäube und Wasser miteinander reagieren, kann ein chemischer Brand entstehen. Das kommt aber eher selten vor.
Wie kann es sein, dass sich Müll auf dem Gelände eines Abfallentsorgers entzündet, dort arbeiten doch Experten?
Das Problem des sich selbst entzündenden Mülls haben vor allem Abfallentsorger, weil auf deren Gelände große Haufen Abfall lagern, womöglich mit entsprechendem Organikanteil.
Wie sollten sich diese Firmen schützen?
Sie sollten Abfallhaufen hin und wieder umschichten und bei Selbsterhitzung große Müllmengen ausbreiten. Das Herausfiltern von Chemikalien wird dagegen schwierig, die Mitarbeiter dort können bei der Abholung schließlich nicht in jede Mülltonne schauen. Technische Maßnahmen wären die Installation von Rauchmeldern und Temperatursensoren. Diese geben bei Überschreitung einer bestimmten Temperatur oder bei Rauch Alarm und starten eventuell eine Sprinkleranlage. Müllverbrennungsanlagen verfügen über große Löschkanonen.
Und Privathaushalte, die sind außen vor?
Chemikalien sollten nicht in den Hausmüll, das ist ohnehin verboten. Dass sich der vergleichsweise geringe Inhalt von Restmülltonnen selbst entzündet, ist aber eher ausgeschlossen.