Heiderose Wulff-Muckle liebt am Bootfahren die Entschleunigung. Foto: Martin Stollberg

Im, am und rund um den Neckar in Stuttgart gibt es viel zu tun. Heute erzählt eine Boot-Fahrlehrerin von den Herausforderungen, aber auch der Schönheit der Freizeit auf dem Wasser.

Mühlhausen - Klaus hat Erfahrung. Unter seinen kundigen Händen schmiegt sich Pepita ans Nass. „Ich bin seit 44 Jahren auf dem Wasser“, sagt Klaus und grinst, während er das Fahrschulboot Pepita auf dem Neckar vor den Hängen des Cannstatter Bergs wendet. Jahrzehntelang hat Klaus in der kleinen Werft nahe des Max-Eyth-Sees Boote gebaut und repariert. „Jedes Boot ist anders“, sagt er. „Mein eigenes ist größer und breiter als Pepita, da muss ich ganz anders lenken.“

Wer beim Wassersportcenter Stuttgart (WSC) einen Bootführerschein macht, wird früher oder später mit Klaus auf dem Fluss schippern. Denn aus der Werft ist Ende der 90er Jahre das WSC geworden, die Inhaberin ist Heidi, die eigentlich Heiderose Wulff-Muckle heißt, aber in Skipperkreisen, sagt sie, nenne man sich beim Vornamen. Heidi unterrichtet die Theorie, Klaus nimmt die Schüler mit ins Boot.

An Land wie auf Wasser ist allerhand zu tun. Es gibt Sportbootführerscheine fürs Meer und für Flüsse, mit Segel und mit Boot. Für den Bodensee gibt es noch einmal ein spezielles Schifferpatent. „Da legen sie sehr viel Wert auf den Umweltschutz, weil der Bodensee ja unser Trinkwasser ist“, erklärt Heidi. Außerdem kommen von den Bergen Föhnwinde herab, die das Wetter binnen kurzer Zeit umschlagen lassen können. „Vor der Fahrt müssen Sie sich erst nach der Wettervorhersage erkundigen, auf dem Wasser dann immer das Wetter im Blick behalten.“ In der Theorie lernen die Schüler alles über die Sicherheit an Bord, den Umgang mit Seezeichen, die Entstehung des Wetters und vieles mehr. Auf dem Wasser geht es dann darum, ein Gefühl für das Manövrieren zu entwickeln. „Ein Propeller treibt ein Boot durch seine Drehung zu einer Seite, entweder nach links oder rechts“, erklärt Heidi. Das muss beim Steuern ebenso ausgeglichen werden wie die Tatsache, dass ein Boot keinen festen Grund unter sich hat und deshalb bei Richtungsänderungen immer erst noch ein Stück in die ursprüngliche Richtung treibt.

Eine Seekarte zu lesen, ist eine ganz neue Erfahrung

Heidis Steckenpferd ist allerdings die Navigation. „Eine Seekarte lesen zu können, das fasziniert auch meine Schüler“, sagt sie. Im Schulungsraum des WSC, das auf dem Areal der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) am Max-Eyth-See untergebracht ist, hängen mehrere Seekarten, auf denen geübt wird, unter anderem vom Ärmelkanal, einer der am meisten befahrenen Seestraßen der Welt. Die Linien und die vielen Symbole wirken einigermaßen unverständlich, bis die Ausbilderin auf die Karte zeigt: „Wo ein solches Symbol eingezeichnet ist, liegt ein Wrack“, sagt sie. Es sind erstaunlich viele. Einen gewissen Unterhaltungswert verspricht dem Laien auch die Kartennotiz „Submarine Exercise Area“, ein Bereich des Ärmelkanals also, wo offenbar gerne auch einmal ein U-Boot aus dem Wasser auftaucht.

Heiderose Wulff-Muckle hat einen Traumberuf, das weiß sie. Am Max-Eyth-See, an schönen Wochenenden meist völlig überlaufen, ist es an Wochentagen fast einsam, jedenfalls sehr ruhig. „Ich habe mit den Menschen zu tun, wenn sie in ihrer Freizeit sind und etwas tun, an dem sie Freude haben“, sagt Heidi. In ihren Kursen säßen Fabrikarbeiter und Fachärzte einträchtig nebeneinander und büffelten. „Das Hobby verbindet, da sind schon viele Freundschaften entstanden.“

Die Menschen sollten auf ihren Instinkt hören

Die 55-Jährige möchte aber auch, dass ihre Schüler, wenn sie einmal den Schein haben, sich einem Boot bewusst nähern und es mit aller Aufmerksamkeit nutzen. „Mit einer Hand immer das Boot berühren“, sei einer der Grundsätze, sagt sie. Wenn ein Mensch über Bord gehe, sei dies zunächst einmal der schlimmste anzunehmende Unfall. Und es sei niemandem gedient, wenn man erst draußen auf See merke, dass der Benzintank halb leer sei. Gibt es genügend Seile? Sind die Rettungswesten greifbar? Schließlich möchte Heidi ihren Schülern beibringen, wieder mehr auf ihren Instinkt zu hören. Dies verlernten viele Menschen. „Wenn Ihnen danach ist, eine Rettungsweste anzuziehen, dann sollten sie es auch sofort tun“, sagt sie.

Wer den Schein geschafft hat, darf sich auf einzigartige Erfahrungen freuen. Heiderose Wulff-Muckle segelt am liebsten durch das Ionische Meer, also entlang der Westküste Griechenlands. Dort gebe es auf den Inseln winzige Anlegestellen, an denen die Hafengebühr mit einem Abendessen in der Taverne abgegolten sei – ganz im Gegensatz zum Massenbetrieb in anderen Ecken des Mittelmeers, zum Beispiel in Kroatien, wo jedes Jahr ein neuer (und teurer) Yachthafen entstehe. Heidi liebt die Momente, wenn das Boot in aller Stille im Meer treibt – um sich herum nur Wasser, Luft und Himmel. Auch dies möchte sie ihren Schülern vermitteln. Immer mal wieder scheint es ihr zu gelingen. Gerade steht auf der Theke eine hübsche Orchidee als Dank von einer zufriedenen Schülerin. So etwas rührt Heidi: „Ich glaube, bei mir sind die Menschen glücklich.“