Der nächste deutsche Nationalspieler im Dress der MT Melsungen: Den aus Schwäbisch Gmünd stammenden Kai Häfner kauften die Nordhessen aus seinem Vertrag bei der TSV Hannover-Burgdorf heraus. Foto: Baumann

Dank der Unterstützung eines milliardenschweren Medizin-Unternehmens plant der Erstligist MT Melsungen in neue Sphären vorzudringen. Der nächste deutsche Nationalspieler steht als Neuzugang schon fest und bringt auch noch Glamour mit nach Nordhessen.

Esslingen - Die Sonne brennt erbarmungslos vom Himmel. Bei brütender Hitze sind auf dem Esslinger Marktplatz nur noch ein paar Sekunden zu spielen. Die 24:28-Endspielniederlage der MT Melsungen gegen den Ligarivalen Frisch Auf Göppingen lässt sich nicht mehr vermeiden – und Heiko Grimm klatscht schon mal jeden seiner schweißgebadeten Spieler auf der Bank ab. Der Trainer trägt den verpassten Turniersieg mit Fassung. „Klar will ich jedes Spiel gewinnen, aber ich mache meiner Mannschaft keinen Vorwurf, sie hat nach einer harten Trainingswoche alles gegeben“, sagt er Minuten später.

 

Großangriff mit Grimm

Der 41-Jährige, der 48 Länderspiele für Deutschland absolvierte, ist seit April 2018 Chefcoach der MT, was für Melsunger Turngemeinde steht. Ihm kommt die Aufgabe zu, den Großangriff auf das Bundesliga-Establishment zu steuern. Dauerhaft möchte man sich unter den besten fünf Mannschaften etablieren. Grimm drückt das so aus: „Wir wollen, dass man mit der MT Melsungen bundesweit ein Handball-Spitzenteam in der Nähe von Kassel verbindet.“

Heinevetter kommt 2020

Ausflüchte wären ohnehin sinnlos. Sich kleiner zu machen, als man ist – das kauft dem Club in der Branche keiner mehr ab. Seit Sommer 2017 tragen die deutschen Nationalspieler Finn Lemke, Tobias Reichmann und Julius Kühn (Vertrag bis 2024) den MT-Dress. Nun kam der gebürtige Schwäbisch Gmünder Kai Häfner hinzu, der aus seinem bis 2020 laufenden Vertrag bei der TSV Hannover-Burgdorf herausgekauft wurde. Der Linkshänder unterschrieb bis 2023. Und ab der Saison 2020/21 kommt dann auch noch Silvio Heinevetter von den Füchsen Berlin hinzu, und der Nationalkeeper bringt dann gemeinsam mit Lebensgefährtin Simone Thomalla auch noch reichlich Glamour mit in dieses „Nirgendwo zwischen Kassel und Bad Hersfeld“ („Frankfurter Allgemeine Zeitung“).

Barbara Braun-Lüdicke Schlüsselfigur

13 700 Einwohner zählt die Kleinstadt im nordhessischen Schwalm-Eder-Kreis. Handball wird dort schon seit 1926 gespielt. Die Teilnahme am DHB-Pokal-Final-Four 1996 – damals noch unter dem Vereinsnamen MSG Melsungen/Böddiger – war eine Initialzündung. Seit 2005 spielt das Team als MT Melsungen in der Bundesliga. Dass dies möglich ist, dass Starspieler fürstlich entlohnt werden und dadurch nun Top-Clubs wie die SG Flensburg-Handewitt, der THW Kiel und die Rhein-Neckar Löwen mehr als nur geärgert werden sollen, liegt am großen Handball-Herz von Barbara Braun-Lüdicke und ihrem Mann Martin Lüdicke. Sie stehen für ein Unternehmen, das genauso zur Melsunger Stadtgeschichte gehört wie die MT – die B. Braun Melsungen AG.

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Der global operierende Pharma- und Medizintechnikkonzern generiert Milliarden-Umsatz. Die dreifache Mutter Barbara Braun-Lüdicke bestimmt als Aufsichtsratsvorsitzende der MT maßgeblich die Strategie des Vereins, agiert aber bewusst im Hintergrund. Aus sportlichen Fragen hält sie sich weitgehend heraus.

B-Junioren der MT deutscher Meister

„Dieser Partnerschaft ist fantastisch und etwas seit über 20 Jahren gewachsenes“, sagt Trainer Grimm. Viele MT-Handballer seien in den 1990er Jahren bei B. Braun eingestiegen. Viele hätten mit einem Praktikum begonnen und arbeiten heute in wichtigen Positionen dort. „Die Partner schätzen die Arbeitsethik, die Profihandballer einbringen“, sagt MT-Geschäftsführer Axel Geerken. Der ehemalige Bundesliga-Torwart setzt nicht nur auf die erste Mannschaft, auch der Unterbau liegt dem Verein am Herzen. Der Club hat eine Art Wohnheim geschaffen für Jugendliche. Durchgängig gilt für die MT ein Leitbild mit folgenden Begriffen: „Inspirierend (cool, ansteckend, leidenschaftlich), innovativ (dynamisch, visionär, positiv), authentisch (familiär, regional, vernetzt)“. Erfolge im Nachwuchs bleiben nicht aus: Die B-Junioren sind amtierender deutscher Meister, die A-Junioren sicherten sich den dritten Platz.

Müller-Verträge aufgelöst

Jetzt soll der große Wurf mit den Profis gelingen. „Den ganz großen Umbruch wird es erst 2020 geben“, versucht Grimm den Ball noch flach zu halten. Er verweist auf drei Abgänge und nur zwei Zugänge. Simon Birkefeld (IFK Kristianstad/Schweden), Philipp Müller (SC DHfK Leipzig) und Michael Müller (Füchse Berlin) gingen, die Linkshänder Häfner und Stefan Salger (Eulen Ludwigshafen) kamen. Wobei zur besseren Einordnung zwingend gehört, dass die Verträge der Müller-Zwillinge auf Betreiben des Vereins vorzeitig aufgelöst wurden.

„Wir haben eine richtig starke Mannschaft“, sagt Häfner nach der Niederlage gegen Frisch Auf. Ob die „MT Deutschland“ schon reif für die Meisterschaft ist? „Wir müssen uns vor keinem verstecken, aber das wäre vielleicht noch zu hoch gesteckt.“ Sprachs – und machte sich lächelnd auf zur fünfeinhalbstündigen Busfahrt in die nordhessische Provinz.

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