Die WG funktioniert: Jaxon Evans (links) und Matt Campbell Foto: Porsche

Die Porsche-Rennfahrer Jaxon Evans und Matt Campbell kommen aus Australien – und fühlen sich neuerdings in Stuttgart-Uhlbach in ihrer Männer-WG wohl.

Stuttgart - Wer die Wahl hat, hat die Qual? Im Falle von Jaxon Evans ist diese Faustregel nichts weiter als blanker Unfug. Denn die Frage, ob man lieber Kehrwoche in einem überschaubaren Mehrfamilienhaus in Stuttgart-Uhlbach macht oder ein Sonnenbad an der australischen Ostküste nimmt, sie stellt sich nicht. Jaxon Evans, das steht fest, zahlt einen verdammt hohen Preis für seine Passion. Der gebürtige Neuseeländer wurde für 2019 in das Junior-Programm von Porsche aufgenommen. Er will mal ein gut bezahlter Rennfahrer werden, und weil das so ist, hockt er jetzt in Uhlbach in seinem 20-Quadrat-Meter-Wohnzimmer auf dem Sofa und schaut aus dem Fenster. Immerhin: An diesem Tag zeigt sich die Sonne über Uhlbach. In Australien scheint sie immer.

Damit sich Jaxon Evans in seiner der neuen Welt auch zurechtfindet, wohnt er mit dem etwas etablierteren australischen Piloten Matt Campbell in der kleinen Uhlbacher Männer-WG, bei Porsche sprechen sie da augenzwinkernd von ihrer Stuttgarter Aussi-WG. Die Bude war schon möbliert, jeder hat sein Zimmer, und die Küche ist so sauber, wie eine schwäbische Küche nur sauber sein kann. Das Badezimmer der beiden offenbar sehr ordentlichen Jungs macht einen runderneuerten Eindruck. Im Wohnzimmer steht der Wäscheständer. Kunterbunte Unterhosen, die etwas verraten über den lässigen australischen Lebensstil, hängen zwischen schwarzen Socken und T-Shirts en masse.

Der schwäbische Winter

Den schwäbischen Winter hat Jaxon Evans derweil unterschätzt. „Wir haben in Australien mindestes 15 Grad, hier ist es schon ein bisschen kalt“, sagt er. Sein WG-Kumpane Campbell war kürzlich beim Snowboard-Fahren in Österreich, es hat ihm gefallen, Schnee hat er bisher selten erlebt. „In Australien sind die Berge zu klein.“

Durch ihr Rennfahrerdasein lernen Jaxon Evans (22) und Matt Campbell (24) die Welt kennen. Ihre erste richtige Station vorübergehender Sesshaftigkeit ist Uhlbach. Häusle, Daimler, Kehrwoche und am Wochenende wird in dem Wengerterdorf am östlichsten Stuttgarter Zipfel ein Viertele geschlozt – in welch beschauliche Welt sind sie da nur geraten. „Es ist schon anders hier, aber auch schön“, sagt Campbell höflich. In die Stuttgarter City pilgern sie so gut wie nicht, um mal Party zu machen. Denn kaum sind sie von ihren Rennterminen wieder zu Hause, können sie schon wieder die nächste Reise planen. Motorsport bedeutet in allen Bereichen ein Leben im High-Speed-Modus.

Die im Wohnzimmer aufgehängte Wäsche wird zwischen den Rennen jedes Mal gerade so trocken. „Wir sind hier sehr beschäftigt“, sagt Campbell, der Stubenälteste. Was sie sich gönnen: Am Abend wird gemeinsam geköchelt. „Oft machen wir uns Chicken mit Curry, aber manchmal gibt es auch Steaks“, sagt Evans. Ärger gibt es keinen. „Noch“, betont der Jüngere mit einem lausbubenhaften Lächeln, sei die WG-Stimmung intakt.

Mit zwölf Jahren fängt Evans an

Seine Leidenschaft für den Motorsport entdeckte Evans während seiner Kindheit, als er in Neuseeland mit seinem Vater die Rennen seines Cousins verfolgte. Sogar seine Mutter raste in Formelserien mit. Also fing er im Alter von zwölf Jahren mit dem Kartsport an. Starke Ergebnisse in australischen Porsche-Serien führten später zum Engagement in Europa. Dort pilotiert er jetzt im Porsche-Supercup einen 911 GT3 mit 485 PS – dank finanzieller Unterstützung von Porsche.

Campbell, der Ältere, ist schon seit 2017 bei dem Hersteller dabei und demzufolge in seiner Entwicklung weiter. Im australischen Motorsport-Mekka Bathurst glänzte er zuletzt mit dem Sieg, auch in Sebring gewann er. Beim Rennen am kommenden Samstag in Laguna Seca geht Campbell durch seinen Bathurst-Erfolg als Spitzenreiter in das Rennen der dort ausgefahrenen GT Challenge, die als GT3-Weltmeisterschaft bewertet wird.

Das Ziel ist, Werksfahrer zu werden

Ziel der beiden ist, Werksfahrer bei Porsche zu werden. Als Vorbild für den Weg nach oben nennt Campbell seinen australischen Landsmann Earl Bamber. „Auf Anhieb Supercup-Champion zu werden und ein Jahr später als Porsche-Werksfahrer in Le Mans den Gesamtsieg zu holen – das ist beeindruckend“, sagt Campbell, der den australischen Motorsport als ausgezeichnete Schule bezeichnet, „weil die Konkurrenz so groß ist“.

Mark Webber etwa gewann neun Formel-1-Rennen. Jack Brabham, Denis Hulme und Alan Jones wurden sogar Weltmeister. Aber Klassenerfolge in Le Mans oder der Gesamtsieg, sollte Porsche in die LMP1-Kategorie zurückkehren, wären für die „Uhlbacher Aussis“ realistischere Ziele. Doch eins nach dem anderen. „Ich freue mich jetzt auf einen spannenden Lebensabschnitt“, sagt Jaxon Evans. Und der beginnt in Uhlbach. Bei entsprechend ansteigendem Salär ist später vielleicht eine Bude im Motorsportparadies Monte Carlo drin.

Sehen sie zum Thema Vielfalt im Motorsport unsere Bildergalerie.