Ein Hingucker bei Nacht: Der Porsche 919 Hybrid mit Romain Dumas, Neel Jani and Marc Lieb Foto: Getty

16 Gesamterfolge hat Porsche im 24-Stunden-Rennen in Le Mans gesammelt – Rekord. In diesem Jahr soll Nummer 17 folgen, doch ausgerechnet ein naher Verwandter hat was dagegen.

Le Mans - Die Amerikaner drücken alles immer etwas drastisch aus. „When the flag drops, the bullshit ends“, sagt man so im Motorsport in Übersee, was etwas an den Wortkanten geschliffen auf Deutsch bedeutet: „Wenn die Flagge fällt, dann hört das dumme Geschwätz auf.“ Nico Hülkenberg ist alter Rennsport-Hase, ein kluger und gut erzogener Bursche überdies, deshalb drückt er sich vor seiner Le-Mans-Premiere an diesem Samstag (15 Uhr/Eurosport) etwas gewählter aus: „Es wird Zeit, dass das Gerede aufhört und das Rennen endlich losgeht.“

Nico Hülkenberg ist Teil einer Mission, Porsche nennt sie „Future Sports Car“ – aber im Grunde geht es vor allem darum, endlich wieder einen Gesamtsieg beim legendärsten aller 24-Stunden-Rennen einzufahren. Der bislang letzte datiert aus dem Jahr 1998, danach machte der Hersteller aus Zuffenhausen werkseitig eine Rennpause bis 2014; und im vergangenen Jahr fielen beide Autos innerhalb der letzten beiden Rennstunden aus, was besonders ärgerlich war, weil eines in Führung gelegen hatte. „Dieses Jahr müssen wir zwei Stunden länger durchhalten“, sagt Fritz Enzinger, der Leiter des LMP1-Projektes bei Porsche, „ich bin optimistisch. Wir haben mehr als 45 000 Kilometer getestet und die aktuellen Rundenzeiten sind noch besser als in unseren Simulationen.“

Einen prestigeträchtigen Teilerfolg haben die Stuttgarter bereits am Donnerstag errungen. Der Porsche 919 Hybrid mit der Nummer „18“ mit Romain Dumas, Neel Jani und dem Ludwigsburger Marc Lieb eroberte die Pole-Position, der Porsche „17“ (Timo Bernhard/Mark Webber/Brendon Hartley) fuhr die zweitbeste Quali-Zeit und Nummer „19“ (Hülkenberg/Earl Bamber/Nick Tandy) geht von Position drei ins Rennen. „Das ist nicht rennentscheidend“, weiß Fritz Enzinger, weil die Startposition eines Langstreckenrennens etwa so wichtig ist, als wenn der Fußball-Kapitän die Platzwahl gewinnt. „Aber es tut jedem Teammitglied gut und bringt zusätzliche Motivation.“

Entscheidend über den Triumph in Le Mans sind andere Parameter. Etwa der Spritverbrauch oder wie sehr die Geometrie des Autos sowie der Fahrstil des Piloten die Reifen strapazieren und natürlich auch die Rundenzeit – wer innerhalb von 24 Stunden am seltensten zum Tanken und Reifenwechseln an die Box muss, hat die besten Chancen auf den Gesamtsieg. „Die Voraussetzungen für den Sieg besitzen wir“, sagt Enzinger und ist überzeugt, dass er für den 17. Gesamterfolg für Porsche an der Sarthe einen Bruderkampf gewinnen muss. Denn Abonnementssieger Audi (fünf Siege in Folge seit 2010) ist aus seiner Sicht der härteste Gegner – doch sowohl Porsche als auch die Ingolstädter sind Brüder unter Dach des VW-Konzerns. Über diese Verbindung sehen Enzinger und seine Mannschaft wie auch Audi-Motorsportchef Wolfgang Ullrich an der Sarthe hinweg. „Wir liefern uns einen Zweikampf der Systeme“, betont Enzinger, „sowohl die Fahrer als auch die Ingenieure. Das war in Le Mans schon immer so.“

Porsche hat einen Vierzylinder-Benziner (2,0 Liter) mit Turbolader und ein Hybridsystem mit einer Leistung von acht Megajoule – zusammen bringt es eine Leistung von 1000 PS und beschleunigt den 919 Hybrid in 4,5 Sekunden von 0 auf 200 km/h. Audi hat den größeren Motor, einen V6-Turbodiesel (4,0 Liter), aber eine Hybrideinheit, die nur vier Megajoule liefert. Porsche setzt verstärkt auf Hybrid, weil das Werk in der Serienproduktion diese Technologie betont – in kaum einer Serie ist der Transfer vom Rennsport in die Serie größer als in der Langstrecken-WM (WEC). Und weil eben kein Langstreckenrennen mehr Prestige bietet als Le Mans, keines mehr Zuschauer lockt (erwartet werden 250 000) und keines von mehr Reportern begleitet wird (2000 Medienvertreter sind akkreditiert), ist der Gesamtsieg extrem wertvoll, um den Triumph der eigenen Technologie besser ins weltweite Schaufenster zu stellen und zu vermarkten.

Diese Hintergründe sind für Nico Hülkenberg und die übrigen acht Porsche-Piloten bestenfalls zweitrangig, sie wollen gewinnen. Um 15 Uhr wird gestartet, die Rennfahrer scheren sich dann um Marketingstrategien und Kosten-Nutzen-Daten einen ...