Sandro Cortese gibt Gas – schon seit 13 Jahren. Foto: Getty

Der deutsche Motorrad-Rennfahrer
Sandro Cortese fährt seit 13 Jahren im WM-Zirkus mit – doch in die Königsklasse durfte er noch nie.

Stuttgart - Doch, doch: Ein winziges Heimspiel hat Sandro Cortesebeim Weltmeisterschafts-Lauf an diesem Sonntag schon. Gefahren wird auf dem Kurs mit dem traumhaften Namen Autodromo Internazionale del Mugello. Das klingt wie Musik, aber auch nach Urlaub. Die Region Mugello impliziert die Vorfreude auf die italienische Küche und einen Spaziergang durch die malerischen Gassen der Ortschaften nördlich von Florenz. Bella Italia! Die Großeltern von Sandro Cortese leben weiter im Süden. Kalabrien. Die ewige Sonne. „Leider kann ich sie nur alle zwei Jahre besuchen“, sagt Cortese.

Der Geburtsort des Rennfahrers mit den italienischen Wurzeln klingt nicht so sexy: Ochsenhausen. In dem nur einen Steinwurf entfernten Ort Berkheim wuchs er auf. Cortese ist eines der Einwanderer-Kinder, die zu Hause mit den Eltern italienisch sprechen und in der deutschen Dorfschule am breiten schwäbisch ihrer Klassenkameraden nicht vorbeikommen. Nicht ganz Italiener – aber auch nicht ganz Schwabe. Weil die Reporter oft nicht wissen, wo sie ihn geografisch einordnen sollen, verpassen sie ihm die fantasiearme Bezeichnung „Italo-Schwabe“.

Was lief da schief?

Sandro Cortese – jeder halbwegs interessierte Beobachter des Sports kennt ihn. Seit 13 Jahren fährt der Mann mit den freundlichen Augen innerhalb der Motorrad-WM mit. Acht Jahre befand er sich in der kleinsten Klasse, momentan bestreitet er seine fünfte Saison in der Moto-2-Kategorie – doch in die Königsklasse haben sie ihn noch nicht hereingelassen. Obwohl er schon anklopfte. Dort fährt man gegen Legenden wie Valentino Rossi. Jonas Folger hat die italienische Motorrad-Ikone neulich mal überholt – und wurde bejubelt, als wäre er Champion geworden. Dabei war Cortese 2012 Moto-3-Weltmeister – und Folger noch nie. Trotzdem hat der Bayer den Biberacher überholt und fährt jetzt bei den Großen mit.

13 Jahre unterklassig – was lief bei Cortese da schief? „Ich war sehr oft verletzt, diese Situationen haben mich immer wieder eingebremst“, sagt er und zählt ohne Anspruch auf Vollständigkeit ein paar Diagnosen auf: zweimal war sein Sprunggelenk kaputt, dazu gesellen sich ein Handbruch, ein Kreuzbandriss, ein Bänderriss und auch ein Fersenbeinbruch war dabei. Erst im Dezember unterzog er sich einer Sprunggelenks-OP. Es scheint ein mitgenommener Körper zu sein, den Cortese da immer wieder auf die Maschine wuchtet. Er treibt unheimlich viel Sport, um seinen Knochen und Gelenken durch Muskelzuwachs Halt zu geben.

Auch wenn es oft in ihm brodeln mag, weil es nicht vorangeht oder er mal wieder unsanft vom Motorrad flog – Sandro Cortese lebt seinen Traum immer weiter. „Ich bin zwar schon 27, aber die Moto GP verliere ich auf keinen Fall aus den Augen“, sagt er unbeirrt, „auch wenn der Trend zu jungen Fahrern geht.“ In diesem Jahr fährt er eine Maschine des Schweizer Suter-Teams, das nach drei Jahren WM-Abstinenz wieder sein Glück versucht. Da tut man sich noch etwas schwer. Einen erfahrenen Mann wie Cortese im Comeback-Jahr zu beschäftigen, mag richtig sein.

Nur auf Platz 18 der Wertung

Die Frage ist nur, inwieweit der Deutsche persönlich vorankommt, um doch noch in die Moto GP zu gelangen. Nach fünf Wettfahrten 2017 liegt er nur auf dem 18. Gesamtrang, ein achter Platz im zweiten von bislang fünf Saisonrennen ist sein einzig vorzeigbares Ergebnis. Eines, an dass er sich klammert. An dieses Niveau müsse er in Mugello wieder anknüpfen. Zu kämpfen, an sich zu glauben, auch wenn es in der Karriere viele Momente großer Enttäuschung gab, das sind die Charaktereigenschaften, die den wackeren Berkheimer ausmachen.

Dabei ist es zum Verzweifeln: Erst zieht der gleichalte Stefan Bradl an ihm vorbei, nun fährt der drei Jahre jüngere Folger Moto GP – Cortese tritt auf der Stelle. Den Piloten beschleicht das Gefühl, die Königsklasse sei ein elitärer Kreis, der nur wenigen vorbehalten ist. Womöglich stimmt das auch – doch Cortese bleibt tapfer und sagt: „Sie ist mein Traum.“ Einer, aus dem man ihn manchmal aufwecken möchte.