Die Stadt Leinfelden-Echterdingen möchte das im Oberaichener Gewerbegebiet erstellte Gebetshaus gerne mal von innen sehen. Foto: Archiv /Natalie Kanter

Um den Moscheestreit zu beenden, hat der 10. Senat des Oberlandesgericht der Stadt Leinfelden-Echterdingen und den örtlichen Muslimen auferlegt, den Gesprächsfaden wieder aufzunehmen. Noch wurde nicht miteinander gesprochen. Wir erklären, warum.

Im Streit um den Weiterbau der Moschee auf den Fildern gibt es seit der Verhandlung am Stuttgarter Oberlandesgericht einen gewissen Zeitdruck. Der Verein für Kultur, Bildung und Integration (VKBI) und die Stadt Leinfelden-Echterdingen haben bis Ende Juli Zeit, den Gesprächsfaden wieder aufzunehmen, Verhandlungen zu führen und das Ergebnis dem 10. Zivilsenat mitzuteilen. Ein Vergleich soll den Moscheestreit beenden, ein Urteil so verhindert werden.

 

Dennoch sagt Oberbürgermeister Roland Klenk unserer Zeitung: „Überstürzt wird hier nichts.“ Dazu passt, dass es seit der Gerichtsverhandlung vor zweieinhalb Wochen bisher weder ein Treffen, noch eine andere Art der persönlichen Kommunikation mit dem Moscheeverein gegeben hat, wie Klenk sagt. Allerdings hat die Stadt den VKBI darum gebeten, das im Oberaicher Gewerbegebiet gebaute Gebetshaus im jetzigen Zustand besichtigen zu können. Hierfür wird gerade nach einem Termin gesucht.

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Klenk hat die Stadträte in einer nichtöffentlichen Sitzung über den Stand der Dinge informiert. Die Kommunalpolitiker haben ein Protokoll der Gerichtsverhandlung erhalten. Die Verwaltung ist dabei, ihre Vorstellungen darüber zu skizzieren, was sie den Muslimen anbieten will. Sobald das Papier fertig ist, wird es der Anwalt der Stadt rechtlich abklopfen, dann wird sich der Ältestenrat des Gemeinderates damit beschäftigen.

Wie OB Roland Klenk die Lage bewertet

Klenk sagt schon jetzt: „Ich bin nicht mehr übermäßig kompromissbereit.“ Er sehe nicht ein, nach dreieinhalb Jahren Prozess, der viele Kräfte auf beiden Seiten gebunden habe, den errungenen Erfolg ohne Not aufs Spiel zu setzen. Er stehe auf der Basis des Beschlusses des Gemeinderates von Mitte 2019. Der Gemeinderat hatte sich damals mit einer knappen Mehrheit darauf verständigt, dass die Muslime ihr Gebetshaus an der Wilhelm-Haas-Straße zwar fertigstellen dürfen. Auf alles andere sollte der VKBI allerdings verzichten. Bekanntlich will der Verein dort auch ein Schülerwohnheim samt Bistro, Friseur und kleinem Laden errichten.

Hans-Joachim Rast, der Vorsitzende Richter des 10. Senats, hatte derweil in der Verhandlung am Oberlandesgericht beiden Seiten geraten, einen Schritt zu machen, um dann zu sehen, wie weit man noch voneinander entfernt sei. Der VKBI müsse sich überlegen, wie er auf die Stadt zugehen könne, Vertrauen wieder aufbauen könne. Die Kommune solle schauen, welche Schmerzgrenze sie bereit sei, zu überschreiten.

Der Richter hat Denkanstöße geliefert, die bei Hans Stehle, dem katholischen Pfarrer in Leinfelden-Echterdingen gut ankommen. „Beide Seiten sollten einen Schritt aufeinander zugehen“, sagt auch er. Und wird gern deutlicher: „Der VKBI sollte in jedem Fall seine Vereinsräume bauen dürfen. Ich wüsste nicht, was dagegen sprechen sollte.“ Das allerdings würde bedeuten, dass die Kommune in Sachen Weiterbau der Moschee mehr zulässt, als sie 2019 beschlossen hatte.

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Das Wohnheim ist der Zankapfel des Moscheestreites. Oberbürgermeister Roland Klenk will dieses Heim verhindern, weil es der Integration in der Stadt nicht zuträglich sei. Hierzu sagt der Pfarrer: „Hier könnten die Muslime einen Schritt auf die Stadt zugehen und sagen, dass sie das Wohnheim zumindest jetzt nicht in Betrieb nehmen.“ In zehn Jahren könnte man neu verhandeln.

Pfarrer Stehle äußert sich nicht zum ersten Mal öffentlich zum Moscheestreit. Als die Stadt im September 2018 den Heimfall ausgerufen hatte, also das Grundstück von den Muslimen zurückgefordert hatte, mit dem Ziel neue Bedingungen für den Weiterbau des umstrittenen Projektes auszuhandeln, konnte er die Sache nicht unkommentiert lassen. Er hatte die Entscheidung als eine Gängelung bezeichnet und die Stadt aufgefordert den Verein lieber zu unterstützen, als immer wieder neuen Sand ins Getriebe zu streuen.

Wozu Pfarrer Hans Stehle rät

„Wir haben die Erfahrung gemacht, dass man gut mit dem VKBI zusammenarbeiten kann“, sagt er heute. Die Stadt sollte froh sein, „dass wir so einen Moscheeverein vor Ort haben.“ Er sagt auch: „Wir sind eine multikulturelle Gesellschaft.“ Anstatt nur zu schauen, wer das stärkere Recht auf seiner Seite habe, sollte nun die Frage im Mittelpunkt stehen, „wie gehen wir miteinander um“. Stehle hatte vor Jahren angeregt, das Gespräch mit Vertretern der Akademie der Diözese Rottenberg-Stuttgart zu suchen, die sich um den christlich-islamischen Dialog bemühen. Bisher habe die Kommune von dem Beratungsangebot nicht Gebrauch gemacht.

Oberbürgermeister Roland Klenk hält auch jetzt eine solche Beratung nicht für notwendig. Vielmehr gehe es darum, den Prozess, der „vor einem recht positiven Abschluss steht“, möglichst ohne ein Urteil zu beenden. Zur Erinnerung: Sollten sich die beiden Parteien nicht auf einen Vergleich einigen können, wird der Senat am 13. September um 14 Uhr eine Entscheidung verkünden. Dies möchte Richter Rast vermeiden, denn damit wäre nichts gewonnen. Der VKBI habe dann noch immer keine funktionierende Moschee. Das Anliegen, den Muslimen einen Ort für Gebet und Gemeindeleben zu gewähren, bleibe ungelöst.

Von den Kompromiss-Ideen Stehles hält Klenk derweil wenig. Er habe den VKBI als einen nicht verlässlichen Partner erlebt, viel Vertrauen sei verloren gegangen. Dennoch habe die Stadt Mitte 2019 einen deutlichen Schritt auf den VKBI zumacht. „Wir hätten auch den Rückbau des Ganzen verlangen können“, sagt er. Von den Muslimen sei nur eine abschlägige Antwort gekommen.