Die repräsentative Moschee in Esslingen Foto: Lichtgut Ines Rudel

Der Bau von Moscheen provoziert bei Anwohnern und Politikern immer heftige Reaktionen: Esslingen und Sindelfingen lassen erahnen, was auch Stuttgart bevorstehen könnte.

Stuttgart - In der Frage, ob die große Moschee in Esslingen in den Himmel wachsen darf oder nicht, ging es letztendlich um Zentimeter. Genau 25 Meter sticht das Minarett des islamischen Gotteshauses in die Höhe. Beinahe wäre der bereits vor mehr als zehn Jahren beschlossene Bau gescheitert, weil der Bauherr – der muslimische Verein Diyanet – den Turm 60 Zentimeter zu hoc h baute. Somit hätte er die griechisch-orthodoxe Kirche, die sich gegenüber befindet, überragt und gegen das Baurecht verstoßen.

Auch nach dem Rückbau des Minaretts und der Korrektur weiterer architektonischer Details teilte sich der Gemeinderat der Stadt in zwei Lager: Bei der geheimen Abstimmung über das Vorhaben sprachen sich 18 Stadträte gegen den Bau aus.

„Hier wurden weltanschauliche Bedenken in einem Gewand von baurechtlichen Aspekten verpackt“, kritisiert Andreas Koch, Fraktionsvorsitzender der Esslinger SPD. Der Stadtrat erinnert sich an eine Debatte, bei der es teils „unter die Gürtellinie ging“. Widerstand gab es vor allem aus dem konservativen Lager, den Freien Wählern und der CDU. Das bestätigt auch der Christdemokrat Markus Grübel, der als einziger aus seiner Fraktion den Bau begrüßte. „Mich überzeugte unter anderem, dass das Gotteshaus auch als Begegnungsstätte der Kulturen dienen soll“, sagt Grübel. Inzwischen seien die Vorbehalte seiner Fraktionskollegen verjährt. Streit gab es auch um den Standort. Die SPD hatte von Anfang an eine Forderung. „Wir wollten die Moschee nicht in ein Gewerbegebiet verbannen, sondern den Glauben aus den Hinterhöfen herausholen“, sagt Andreas Koch.

Ein Neubau in Stuttgart könnte im Rosensteinviertel entstehen

Insofern ähnelt sich der Esslinger Moscheebau, der voraussichtlich Ende des Jahres abgeschlossen sein wird, mit den Vorhaben der Stadt Stuttgart. Denn auch hier gibt es bisher keine zentral gelegene Moschee, in der die Muslime beten können, die rund zehn Prozent der Bevölkerung ausmachen. Seit sich auch OB Fritz Kuhn (Grüne) für den Plan, eine repräsentative Moschee in der Stadt zu errichten, erwärmt hat, stellen sich muslimische Verbände die Frage nach dem Standort. Ali Ipek, Landeskoordinator Württemberg der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib), nahm das an die City anschließende Rosensteinviertel für einen Neubau in den Blick.

Dass ein solcher Bau gleichzeitig Hoffnungen und Ängste schürt, zeigt sich auf dem an die Moschee angrenzenden Discounter-Parkplatz in Esslingen. Peter Buck läuft an den Autos vorbei und kann dem muslimischen Gotteshaus nicht viel Positives abgewinnen. „Wir sind nicht begeistert“, sagt der Anwohner. „Ich bin nicht fremdenfeindlich, aber störe mich an dem Lärm, der von religiösen Feierlichkeiten ausgeht“, sagt der Rentner, der in einem Reihenhaus direkt neben der Moschee wohnt. Bisher praktizieren die Muslime ihren Glauben in einem Altbau, der ebenfalls neben Peter Bucks Wohnhaus liegt. „Problematisch ist schon jetzt die Parkplatzsituation. Auch das dürfte mit dem Bau nicht gerade besser werden.“ Warum ist es nötig, fragt er sich, dass eine Moschee so zentral steht?

Moschee in Sindelfingen vor allem aus Verein finanziert

Junge Muslime wünschen sich einen Ort in der Stadt, an dem sie sich wohlfühlen und beten können, heißt es seitens der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib). Mitten in einem Gewerbegebiet hingegen liegt die Moschee des Türkisch Islamische Kulturverein Sindelfingen. Der große Gebetsraum des Gotteshauses befindet sich im ersten Stockwerk der im Jahr 2000 fertiggestellten Moschee. Darunter befindet sich der türkische Supermarkt, der „Gözem Market“. Außerdem: Ein türkischer Friseur, ein Restaurant und kleinere Läden. „Mit den Einnahmen aus den Geschäften, die dem Verein gehören, haben wir auch den Bau der Moschee finanziert“, sagt Zekin Tekin, Vorsitzender von Ditib Sindelfingen. Zudem hätten sich viele mit Spenden beteiligt.

In dem mit roten Teppich ausgelegtem großen Gebetsraum kniet an diesem Nachmittag nur Fayik Aytekin auf dem Boden. Auf einer Digitalanzeige stehen die fünf Gebetszeiten. Der 65 Jahre alte Aytekin tritt heraus in den Gang. An der Wand hängen Zeitungsausschnitte, einer mit der Schlagzeile: „Terror schadet auch dem Islam“. Der Rentner ist froh, dass es in Sindelfingen ein so offenes Haus gebe. „Ich finde sogar gut, dass wir nicht in der Stadtmitte sind. Denn hier bekommt man sehr viel besser Parkplätze“, sagt er. Damals, erzählt er, als es um die Frage nach dem Standort ging, bekam der Verein für die Stadtmitte eine Absage. Das dürfte auch anderorts wieder Streit hervorrufen.

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