Demonstranten haben Gerechtigkeit im Fall der getöteten Enthüllungsjournalistin Daphne Caruana Galizia gefordert. Scharfe Kritik wird an Maltas Premierminister Joseph Muscat Foto: AFP (2), AP, EU

Sie starb durch eine Autobombe: Daphne Caruana Galizia war auf Malta vielen Mächtigen im Weg. Jetzt geht die Sucher nach den Hintermännern los. Zu spät, wie viele kritisierten. Wurde der korrupte Zwergstaat von der EU in der Vergangenheit bewusst geschont?

Brüssel/Malta - Der Wutausbruch von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker über die leeren Ränge im EU-Parlament kurz vor der Sommerpause erscheint inzwischen in einem etwas anderen Licht. Im Juli hatte Juncker die Volksvertretung als „lächerlich“ beschimpft, weil nur 30 von 751 Abgeordneten im Saal waren. Inzwischen ist bekannt, dass etliche Abgeordnete aus politischen Gründen das Hohe Haus gemieden haben. Ihr stiller Protest galt Maltas Regierungschef Joseph Muscat, der im ersten Halbjahr turnusgemäß mit seiner Regierung die Geschäfte im Rat geführt hatte und zum Abschluss der EU-Ratspräsidentschaft Bilanz ziehen wollte.

 

Bisher lässt der blonde Sozialdemokrat die schweren Vorwürfe einfach an sich abperlen, die gegen den kleinen EU-Staat mit seinen 430 000 Einwohnern erhoben werden: grassierende Korruption, organisierte Vetternwirtschaft, Geldwäsche und massiver Einfluss der Mafia.

Ehefrau und Kabinett im Ziwelicht

Während der EU-Ratspräsidentschaft hatte die maltesische Journalistin Daphne Caruana Galizia enthüllt, dass der Name der Ehefrau von Muscat in den sogenannten Panama-Papieren auftaucht. Im Klartext heißt das: Muscats Ehefrau wird vorgeworfen, Geld am maltesischen Fiskus vorbei in die Karibik verschoben zu haben. Zuvor war bereits bekannt geworden, dass zwei enge Vertraute von Muscat, der Energie- und Gesundheitsminister Konrad Mizzi und sein Stabschef Keith Schembri, über ein Geflecht von Briefkastenfirmen am maltesischen Fiskus vorbei ein Vermögen aus dem Land hinausgeschleust und in Panama und Neuseeland geparkt hatten.

Vergangene Woche wurde die maltesische Enthüllungsjournalistin dann Opfer eines gezielten tödlichen Bombenanschlags. Die 53-jährige Mutter von drei Kindern starb, als Semtex-Sprengstoff explodierte, der an ihrem Auto angebracht war. Die Journalistin hatte zuvor berichtet, dass sie Drohungen erhalten habe.

Der Anschlag mobilisiert im Europaparlament heftigen Protest gegen Joseph Muscat und seine Regierung. Daniel Caspary, Chef der deutschen CDU/CSU-Abgeordneten im Parlament, forderte eine „internationale Untersuchung“. Die maltesischen Behörden seien mit der Aufklärung des Mordes überfordert. „Die EU-Kommission muss sich einschalten“, betonte Caspary. Wenn die maltesische Regierung eine Untersuchung durch internationale Ermittler ablehne, sagte der Abgeordnete aus Baden-Württemberg weiter, wäre dies auch eine klare Botschaft.

Misst die EU mit zweierlei Maß?

Daniel Caspary appellierte an die EU-Kommission, nicht mit zweierlei Maß zu messen. Gegen Polen habe die Kommission ein Verfahren zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit eingeleitet, gegenüber Malta sei sie bislang jedoch untätig. Im vergangenen Wahlkampf sei die Korruption das zentrale Thema auf der Insel gewesen. Nach dem Wahlsieg von Muscat sei das Thema allerdings wieder in einer Schublade verschwunden.

Am Dienstag debattierte das EU-Parlament über die Lage in Malta. Zuvor hatte EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani die getötete Journalistin im Beisein ihrer Familie gewürdigt. Tajani sagte: „Daphnes Mörder darf nicht ohne Strafe davonkommen.“ Europa könne nicht den Schutz von Journalisten in der Welt anmahnen, „wenn wir ihnen bei uns zu Hause nicht einmal ihre Verteidigung und Gerechtigkeit anbieten können“. Tajani forderte eine internationale Untersuchung des Mordes an Daphne Caruana Galizia. „Ich denke, daran sollte Europol beteiligt werden“, sagte er .

Die Grünen im Europaparlament sprechen sich für den Rücktritt der maltesischen Regierung aus: „Die Regierung hat es versäumt, ernsthafte Maßnahmen gegen die massive Geldwäsche in ihrem Land zu ergreifen“, kritisierte der Finanzexperte Sven Giegold. Der Umgang mit Geldwäsche in Malta stehe im Widerspruch zu „unserem Verständnis von Demokratie“, so der Grünen-Politiker. Und weiter: „In Malta herrscht eine Kultur der Straflosigkeit und des Gekungels zwischen politischen und finanziellen Eliten.“ Giegold berichtete, die maltesischen Strafverfolgungsbehörden hätten keinerlei Konsequenzen aus den schwerwiegenden Untersuchungsergebnissen der eigenen Antigeldwäschebehörde (FIAU) gezogen. Wichtigen Mitarbeitern der FIAU sei gekündigt worden. Eine Hinweisgeberin, die bei den Recherchen zu den Panama Papers Interna zugesteuert habe, habe inzwischen aus Angst um ihr Leben Malta verlassen. Andere Beobachter verweisen mit Erstaunen darauf, dass im Zusammenhang mit den Panama Papers Journalisten brisante Geheimdienstinformationen zugespielt worden seien.

Beamte, die Spielhöllen betreiben

Schon länger gibt es in Brüssel Hinweise dafür, dass es auf den fünf Inseln, die zu Malta gehören, massive Ungereimtheiten gibt. Die Antikorruptionsexpertin der CDU im Europaparlament, Inge Gräßle, fasste es so zusammen: „In Malta gibt es eine geringe Scheu beim Geldmachen.“ Pässe des Landes, und damit der Zugang zur EU, werden etwa gegen die Zahlung von mehreren Hunderttausend Euro an reiche Nicht-EU-Bürger verhökert. Malta sei ein Hotspot für das legale und illegale Glücksspiel. Nationale Beamte seien gleichzeitig Besitzer von Casinos und Spielhallen. „Mir fällt es dabei schwer, die Abgrenzung zwischen dem Staatsdienst und einer Nebentätigkeit in legalen oder halblegalen Casinos vorzunehmen“, sagte Gräßle. Bis heute ungeklärt sind etwa die Umstände des Rücktritts des maltesischen Gesundheitskommissars John Dalli vor fünf Jahren. Gegen Dalli waren Korruptionsvorwürfe im Zusammenhang mit der Tabakproduktrichtlinie erhoben worden, die aus seiner Feder stammt. Dalli hat die Vorwürfe stets bestritten. Es gibt die Vermutung, dass er in Brüssel Platz machen sollte für einen anderen Kandidaten und dass daher gezielt die Korruptionsgerüchte in die Welt gesetzt wurden. Tatsache ist, dass das maltesische Justizwesen in den fünf Jahren nicht dazu in der Lage war, den Fall aufzuklären. Gräßle moniert denn auch den „Stillstand in der maltesischen Rechtspflege“.