Ging mit großen Zielen und einen Schuss Ironie an den Start: Daniel Brunner Foto: Lichtgut/Oliver Willikonsky

Daniel Brunner betreibt seit knapp eineinhalb Jahren das Kaufhaus Mitte an der Königstraße. Zum Start hatte er damals große Ziele: „Make the Königstraße great again“. Ist ihm das gelungen?

Stuttgart - Die Devise war natürlich nicht ganz ernst gemeint, sorgte allerdings für gehörig Aufmerksamkeit: „Make the Königstraße great again“, verkündete Daniel Brunner beim Start von seinem Kaufhaus Mitte in den Königsbaupassagen. Im Montagsgespräch verrät er, was bleiben wird und wie er sich weiter gegen die großen Ketten stemmen will.

Herr Brunner, das Kaufhaus Mitte war für Sie eigentlich ein Projekt auf Zeit. Jetzt haben Sie sich entschieden, den Vertrag zu verlängern, weil es so gut läuft. Wie behaupten Sie sich gegen die großen Ketten auf der Königstraße?

Ich glaube, das Konzept des Kaufhauses Mitte kam deshalb so gut an, weil es mal etwas anderes ist. Ich verkaufe regionale und lokale Brands, die es sonst in Stuttgart nicht gibt. Allgemein gibt es ja den Trend zu Bio- und Regioprodukten. Auf den setze ich auch. Ich habe Gin aus Stuttgart, Upcycling-Taschen und Äffle- und Pferdle-Produkte. Palettenweise. Das läuft bei Jung und Alt wirklich total gut. Das ist total verrückt.

Am Anfang haben Sie immer salopp mit dem von Slogan „Make the Königstraße great again“ geworben. Ist Ihnen das gelungen?

Vielleicht kann man es so sagen: Wir haben diesen Kosmos Königstraße zu einem klitzekleinen Teil verändert. Und wir sind definitiv ein fester Bestandteil der Königstraße geworden. Der Vorteil ist natürlich: Auf der Königstraße ist immer was los. Wenn man sich die anderen Ecken anschaut: Da steht überall viel leer, weil sich viele Einzelhändler die Ladenmieten in der Innenstadt nicht mehr leisten können. Auf der Königstraße gibt es wenig Leerstand. Hier kommt deshalb immer jemand vorbei. Ich habe zwar viele Stammkunden, aber eben auch sehr viel Laufkundschaft und viele Touristen.

Reicht das für die Miete an der Königstraße?

Ich habe Glück: Ich bezahle eine sehr niedrige Miete.

Ist das Internet der größte Konkurrent des Einzelhandels?

Zum einen ja, aber es liegt vielleicht auch daran, dass viele nur einen Einheitsbrei im Angebot haben. Alle Klamottenläden verkaufen das Gleiche. Die Großkonzerne sind in den 1-a-Lagen, haben aber eben oft weltweit dieselben Produkte, die können das ja nicht lenken, und die kleinen Einzelhändler kommen nicht in die guten Lagen, weil sie es sich nicht leisten können. Ein Online-Shop allein reicht ja oft auch nicht. So ein Laden ist da als Plattform eine Riesenchance. Das habe ich ja im Fluxus gesehen.

Was ist Ihr Konzept für das Kaufhaus Mitte?

Ich suche komplett alles selbst aus, habe einen Grundstock von etwa 80 Prozent an Ware, den ich immer da habe und etwa 20 Prozent, die wechselt. Ich entscheide, was ich schön finde. Wenn es keinen Absatz findet, werfe ich es wieder raus. Und so habe ich auch jede Woche neue Brands dabei. Anfangs habe ich mal nur die Flächen an Marken vermietet, aber das war ein Riesenaufwand. Jetzt mache ich alles wieder selbst.

Das Konzept „Concept Store“ gibt es ja inzwischen in vielen Städten.

Ja, das gibt es sicher öfters, aber eben nicht in dieser Lage. Das ist deutschlandweit schon einzigartig. Aber ich hatte ja anfangs den Vorteil, dass ich nur auf Zeit gemietet habe. Ich hatte nicht das Risiko, dass es zehn Jahre funktionieren muss. Ich war ja erst nur drei Monate hier und habe dann noch mal um neun Monate verlängert. Erst jetzt muss ich mir mehr Gedanken darüber machen, was wirtschaftlich funktioniert, und mehr entscheiden, was ankommt bei den Leuten. Und der Laden läuft wirklich inzwischen jeden Tag besser.

Sie haben zwar Ihr eigenes Label Pop Rocky schon länger und auch einige Pop-up-Stores gehabt wie im Fluxus. Aber eigentlich sind Sie ja ein kompletter Quereinsteiger im Handel, oder?

Ja, ich bin absolut kein klassischer Einzelhändler. Ich betreibe den Laden. Aber nach welchen Regeln? Ich weiß es nicht. Ich habe das nie gelernt. Vielleicht führe ich den Laden komplett falsch? Wer weiß das schon. Wenn wir die Tische neu dekorieren, hab ich da kein Konzept; keine Ahnung, ob das verkaufsfördernd aufgebaut ist. Aber gerade deshalb ist das Projekt so schön, weil es anders ist. Es ist ein schmaler Grat, nicht das zu machen, was alle in der Nachbarschaft machen, sondern speziell zu bleiben.

Das muss man sich aber leisten können.

Ja, absolut. Ich brauche nicht viel zum Leben. Aber ich bin hier auch Mädchen für alles. Ich putze die Toiletten, mache die Buchhaltung, das Marketing und den Einkauf.

Keine Putzfrau?

Nein, es ist ein Projekt, wo man an allen Ecken spart. Und oft 300 Stunden im Monat arbeitet.

Sie sind vor knapp drei Monaten Vater geworden. Haben Sie nicht überlegt aufzuhören?

Ja, ich habe mir auch zwei Monate Auszeit genommen und an meine Mitarbeiter übergeben. Aber dann bin ich wieder eingestiegen. Das war erst totales Chaos. Aber ich hatte bis dahin schon so viel Arbeit investiert. Nun steht ja alles, und der Laden läuft.

Und immer noch 300 Stunden im Monat?

Nein, ich habe etwas runtergefahren. Ich will morgens und abends Zeit mit meinem Kind haben, das ist es mir wert. Ich habe seit der Geburt eine neue Maxime im Leben. Alles andere wird da zweitrangig. Die Welt bleibt zwar nicht stehen, aber ein Kind – das ist das tiefste und beste Gefühl.