Wer Ruhe und Abgeschiedenheit sucht, findet in der Landschaft rund um den Hovsgol-See in der Mongolei sein Sehnsuchtsziel. Damit dies so bleibt, kämpfen Umweltschützer für nachhaltige Tourismuskonzepte. Foto: von Kapff

Wer Ruhe und Abgeschiedenheit sucht, findet in der Landschaft rund um den Hovsgol-See in der Mongolei sein Sehnsuchtsziel. Damit dies so bleibt, kämpfen Umweltschützer für nachhaltige Tourismuskonzepte.

Ulan Bator - Der Schamane muss zufrieden sein. Drei Wochen lang hat es nicht geregnet, doch ausgerechnet jetzt schiebt sich eine dunkle Wolke vor die Sonne. Gut eine Minute, nachdem der Mongole die ersehnten Niederschläge mit dem Abbrennen von Räucherstäbchen und der Segnung von Käse und Yak-Butter erbeten hatte. Perfekt für ihn, auch wenn die Wolke bald vorbeizieht und die Sonne wieder unerbittlich auf den Landstrich nahe der russischen Grenze herunterbrennt. Dorthin, wo der Schamane seine Zeremonie auf einem Hügel über dem Hovsgol-See abhält. Die Landschaft um den See, den die Einheimischen aufgrund seiner Farbe liebevoll dunkelblaue Perle der Mongolei nennen, ist zum Niederknien schön. Rund um den See zieht sich ein breiter, fast immer unbebauter, flacher Uferstreifen mit Kiesstränden, die in sattgrüne Wiesen übergehen. Dahinter erstrecken sich weite Ebenen, dichte Lärchenwälder oder auf der Westseite die Felswände des direkt am Ufer beginnenden Bayani-Nuruu-Gebirgszuges. Ein bisher fast unberührtes Kleinod der Nordmongolei ist dieser See und so gigantisch groß, dass er 0,4 Prozent der weltweiten Süßwasservorräte enthält. Trotzdem steht es nicht gut um ihn.


Der Hovsgol-See könnte zum Musterbeispiel für ein nachhaltiges Umweltkonzept neuer touristischer Destinationen werden

Die weltweit agierende Umweltschutzorganisation Global Nature Fund (GNF) hat ihn im Rahmen des Projektes „Living Lakes“ zum „Bedrohten See des Jahres 2015“ erklärt und die EU eine Million Euro zu seinem Schutz bereitgestellt. Außergewöhnlich ist an diesem Projekt des GNF, dass der See einerseits vom Tourismus bedroht ist, andererseits nur an wenigen Orten wie diesen so gute Möglichkeiten bestehen, die Fehler schon im Ansatz nachhaltig zu korrigieren. Im Idealfall könnte der Hovsgol-See zum Musterbeispiel für ein nachhaltiges Umweltkonzept neuer touristischer Destinationen werden. Hauptproblem des Sees sind momentan die fehlenden Kläranlagen und die Abfallentsorgung. Als wäre das noch nicht genug, liegen auf dem Grund 40 Tanklaster, vermutlich voll mit Rohöl. Im gut acht Monate dauernden Winter wird der bis zu zwei Meter dick zugefrorene See seit Jahrzehnten als Transportweg für Güter aller Art genutzt. Und manchmal bricht solch ein Laster dann durch das Eis und sinkt mit seiner kompletten Ladung in die Tiefe. Zu Zeiten des Sozialismus hat das allerdings niemanden wirklich interessiert. Aber auch heute ist das Problem nicht zu lösen. „Es gibt kein Konzept, diese Tankwagen zu bergen“, sagt der Direktor des Nationalparks ein wenig resigniert.


Schließlich ist der See bis zu 264 Meter tief. Ganz abgesehen davon, weiß Davaabayar Luvsansharav, wäre es viel zu gefährlich, die Laster zu heben: „Wir haben keine Ahnung, was passiert. Wenn wir Pech haben, brechen sie auseinander.“ Dann strömt das Öl - oder eventuell auch ganz andere Chemikalien, so genau weiß das keiner - ungebremst in den See. Momentan allerdings ist der explosionsartig zunehmende Tourismus das weit dringendere Problem der Region. Seit die gut 800 Kilometer lange Staubpiste von der mongolischen Hauptstadt Ulan Bator zum See geteert wurde und sich damit die Touristenzahlen von 4700 im Jahr 2004 auf 57 000 im Jahr 2014 vervielfachten, drohen die Müll- und Entsorgungsprobleme zu eskalieren. „Es gibt durchaus eine Müllentsorgung“, sagt der mongolische Vize-Gouverneur der Region, Ochirkhuyag Myanganbuu, etwas zögerlich. Wie die genau aussieht, gibt er aber erst auf Nachfrage preis: Die Müllwagen kippen den kompletten Abfall - Küchenabfälle, Plastiktüten, Blechdosen und alles, was sonst noch anfällt - in ein einsames Nebental. Gar kein Entsorgungskonzept gibt es für das Abwasser. Der Mongole sucht sich sein „stilles Örtchen“ irgendwo im Gelände oder im Wald.


Eine Kläranlage wäre die einzige Lösung, sie ist aber nicht finanzierbar

Angesichts der immer größer werdenden Camps, die bis zu 100 Besucher fassen, müssen aber Lösungen gefunden werden, die über die dort vorhandenen Sickergruben hinausgehen. Im Gegensatz zu anderen Problemgebieten, die der Global Nature Fund betreut, ist es im Norden der Mongolei aber auch nicht möglich, auf ökologische Kläranlagen zu setzen. „Das Schilf, das dazu notwendig ist, hält diesen harten Winter nicht aus“, sagt Thomas Schaefer, der das Projekt für den GNF betreut. Eine Kläranlage wäre die einzige Lösung, sie ist aber nicht finanzierbar. „Unser Budget reicht dafür hinten und vorne nicht aus“, sagt Parkdirektor Luvsansharav, der nach wie vor auf einen großen Zuschuss der mongolischen Regierung hofft. Immerhin haben er und seine Ranger nun am Bodensee einen Crashkurs des GNF erhalten, wie modernes Nationalpark-Management aussehen könnte. Demnächst wollen auch die Russen, die den See seit kurzem als Naherholungsziel entdeckt haben, einen nahe gelegenen, eigenen Grenzübergang einrichten. Fast schon kurios, dass angesichts der Probleme selbst der mongolische Vize-Gouverneur Myanganbuu nicht bremst. Im Gegenteil: Er will die Besucherzahlen alleine von mongolischer Seite verdreifachen.


Paradox, denn eigentlich ist er nicht für die wirtschaftliche Entwicklung der Region, sondern für den Umweltschutz verantwortlich. Da Myanganbuu zudem plant, den Flughafen von einem regionalen zu einem internationalen Airport auszubauen, wird die Lage künftig immer dramatischer. Genau hier setzt der GMF an. Es gilt, eine Struktur aufzubauen, um die Schäden zu begrenzen. Denn die Natur in der Nordmongolei ist nachtragend: Da die Vegetationszeit mit gut drei Monaten sehr kurz ist, dauert es selbst bei einer durch einen Jeep aufgerissenen Grasnarbe etliche Jahre, bis sie wieder zuwächst. Noch ist die Landschaft rund um den Hovsgol-See ein Geheimtipp auf der touristischen Weltkarte. Wer Ruhe und Abgeschiedenheit sucht, eine spirituelle Welt, in der das Wort des Schamanen den weiteren Lebensweg bestimmen kann, der ist in der Mongolei richtig. In einem Land, in dem auch der spontane Gast ganz selbstverständlich mit selbst gebackenem Brot, der sehr schmackhaften Yak-Butter und säuerlichen Yak-Käsestückchen bewirtet wird. Die Mongolei gilt als eines der Sehnsuchtsziele vieler Deutscher. Wer auf den See, in die sibirische Taiga oder in die Richtung einer unendlich scheinenden Steppe schaut, fühlt dieses Land plötzlich. Den Besucher erfasst eine fast schon beängstigende Gelassenheit und Ruhe. Schon allein deshalb hofft Schaefer, dass auch sein Projekt mithelfen kann, den Hovgol-See zu beschützen.

Infos zur Mongolei

Mongolei


Anreise

Ab München über Moskau mit Aeroflot ab ca. 1000 Euro, www.aeroflot.com .
Oder nonstop ab Berlin und Frankfurt mit Mongolian Airlines für ca. 860 Euro, www.miat.com . Flugzeit zwischen zehn und zwölf Stunden.
Der eineinhalbstündige Weiterflug von Ulan Bator nach Murun (auch Mörön) kostet ab 100 Dollar einfach. Danach per Jeep gut eine Stunde an den Hovsgol-See.


Unterkunft

Gäste müssen direkt bei den Camps nachfragen. Normalerweise sind immer Jurten oder Schlafplätze frei. Schlafsäcke sollten mitgebracht werden.


Pauschalen

Pauschalangebote: Hauser-Exkursionen bietet eine 17-tägige Tour zum Hovsgol-See an. Sie kostet 3750 Euro, www.hauser-exkursionen.de
Für 2650 Euro organisiert der Veranstalter Mongolei-Reise eine 18-tägige Tour in den Norden der Mongolei. www.mongolei-reise.de


Allgemeine Informationen

Botschaft der Mongolei in Berlin, Tel. 030 / 4 74 80 60, www.botschaft-mongolei.info