Der Angeklagte könnte nun länger als 15 Jahre in Haft bleiben. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko (Archiv)

Das Landgericht Stuttgart hat den 37-jährigen Mörder von Tabitha E. aus Asperg nun auch im Fall der Vergewaltigung einer 15-Jährigen für schuldig befunden – und zugleich die besondere Schwere der Schuld festgestellt.

Als „nicht alltäglich“ bezeichnete der Vorsitzende Richter Matthias Merz den Fall des 37-jährigen Mannes auf der Anklagebank, der wegen des Mordes an der damals 17-jährigen Tabitha E. aus Asperg bereits 2023 zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt wurde. Nunmehr wurde er von einer anderen Kammer des Landgerichts wegen Vergewaltigung eines damals 15-jährigen Mädchens verurteilt. Für diese Tat verhängte das Gericht eine dreijährige Haftstrafe, die jedoch zusammen mit der ersten Strafe wegen Mordes zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe zusammengezogen wird, da das deutsche Strafrecht eine höhere Strafe nicht kennt.

 

Anders als im Mordprozess stellte die 2. Große Strafkammer jedoch die besondere Schwere der Schuld des Angeklagten fest. Es gebe mit der Vergewaltigung ein zweites Verbrechen und mit der 15-Jährigen ein zweites Opfer. Dies bedeutet, dass der Angeklagte nicht wie im Regelfall nach 15 Jahren aus der Haft entlassen wird, sondern dass dann noch einmal geprüft wird, ob der Angeklagte noch immer eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt. Dies kann in der Praxis bedeuten, dass der 37-Jährige länger als nur 15 Jahre im Gefängnis bleiben muss.

Richter Merz betonte jedoch, dass dieser Prozess, auch wenn am Ende keine andere Strafe als beim Mordprozess stehe, aus zwei Gründen dennoch seine Bedeutung habe: Zum einen zeige der Rechtsstaat mit seinen Mitteln, dass der 15-Jährigen ein Unrecht geschehen und sie zum Opfer geworden sei. Zum anderen werde nunmehr bei der Prüfung therapeutischer Ansätze im Vollzug nicht nur das Thema Gewalt genauer untersucht, sondern auch die Neigung zu sexuellen Übergriffen.

Den Mädchen wurde wohl von Anzeigen abgeraten

Solche hat es vom Angeklagten nach Ansicht der Richter mehrfach gegenüber einer Gruppe von Teenagern aus Markgröningen und Asperg in den Jahren 2020 und 2021 gegeben. Der Angeklagte habe die Gruppe wohl Mitte 2020 kennen gelernt und den Mädchen und Jungen regelmäßig „seine Wohnung zum Chillen zur Verfügung gestellt“. Diese sei von den Jugendlichen quasi als ein „ehrenamtliches Jugendhaus“ genutzt worden. „Zudem hatte der Angeklagte einen Führerschein und übernahm regelmäßig Fahrdienste, um den schlechten Nahverkehr vor Ort auszugleichen“, so Richter Merz.

Der Angeklagte habe einige Mädchen immer wieder angefasst, umarmt und Drohungen ausgesprochen, wenn diese sich von ihm fernhalten wollten. Ein Mädchen habe er auf den Mund küssen wollen, da sich diese noch wegdrehen konnte, sei der Kuss auf der Wange gelandet. Ein anderes Mädchen habe er von hinten umarmt, als dieses Melonen geschnitten hatte, es am Hals geküsst und an die Brust gefasst. Zweimal habe er versucht, Mädchen ihre Hose auszuziehen, einer Jugendlichen habe er mehrfach an den Po gefasst. Ein weiteres Mädchen habe er bei einem freundschaftlichen Gerangel gewürgt, anschließend habe sich dieses den Kopf am Bett angestoßen. „Sehr unglücklich war, dass bei der Polizei von Anzeigen abgeraten wurde beziehungsweise diese zurückgestellt wurden, als es zu den Ermittlungen im Mord um Tabitha E. kam“, führte Merz weiter aus.

Keine Hinweise auf einen Komplott der Clique

Kipppunkt für die Clique sei die nun abgeurteilte Vergewaltigung der 15-Jährigen im April 2021 gewesen, danach hätten sich die Teenager weitgehend von dem 37-Jährigen zurückgezogen. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass der Angeklagte das Mädchen, das er von einer Party abgeholt hatte, und das auf dem Bett in seiner Wohnung auf einen Bus gewartet hatte, mit seinem Körpergewicht fixiert, massiert und langsam ausgezogen habe. Gegen den erklärten Willen der 15-Jährigen sei es auch zu sexuellen Berührungen im Intimbereich gekommen.

„Auch wenn im Kern Aussage gegen Aussage steht, haben wir keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Mädchens“, betonte der Vorsitzende Richter. Sie habe keinerlei Belastungseifer gezeigt, alle Zeugen hätten den Angeklagten anfangs sogar sehr positiv dargestellt. Zudem habe die 15-Jährige den Vergewaltigungsvorwurf erst unter Ausschluss der Öffentlichkeit vor einem Richter geäußert. Hinweise auf einen Komplott gegen den Angeklagten, wie dieser selbst vermutet habe, gebe es nicht. Dafür gebe es zahlreiche polizeiliche und gerichtliche Hinweise auf frühere sexuelle Übergriffe des Angeklagten. Zudem hätten die Jugendlichen immer wieder ihr Unverständnis geäußert, dass sich Tabitha E. mit dem Angeklagten eingelassen habe. Sie hätten sie und ihre Clique mehrfach vor dem Angeklagten gewarnt.