Galeristin Karin Abt-Straubiner und Franziska Gehr vor einem Werk von Ferdinand Gehr. Foto: Martin Bernklau

Im Studio der Galerie Abtart sind Werke des Schweizer Sakralkünstlers Ferdinand Gehr zu sehen.

Möhringen - So ein kulturelles Joint Venture gibt es nicht alle Tage. Die Möhringer Galerie Abtart widmet sich gemeinsam mit der evangelischen Kirchengemeinde Sonnenberg dem vielleicht bedeutendsten modernen Sakralkünstler der Schweiz, Ferdinand Gehr. Er hat die Bildteppiche geschaffen, diese sechs im Kirchenjahrswechsel über den Altar gehängten Antependien, mit denen Farbe in die asketische Sonnenberger Kirche kam. Der Züricher Architekt Ernst Gisel hat sie vor fast 50 Jahren gebaut – ein lichtgeleitetes Gesamtkunstwerk der Moderne unter Mitarbeit von Fritz Leonhardt und Frei Otto für das Zeltdach.

Ferdinand Gehr ist 1996 fast hundertjährig gestorben. Zur besonders gut besuchten Vernissage im Studio 57A begrüßte Hausherrin Karin Abt-Straubinger nicht nur seine Tochter Franziska Gehr, die seinerzeit Mitarbeiterin war, die Teppiche nach seinen Entwürfen knüpfte und fürsorglich den Nachlass verwaltet. Auch Ernst Gisel war gekommen, der Baumeister des 1966 geweihten Gotteshauses. Pfarrer Johannes Bröckel von der Sonnenbergkirche war als wichtigster Partner natürlich auch zugegen. Er hielt, aus Anlass des Gehr-Gedenkens, am Vormittag des gestrigen Himmelfahrtstages einen gut besuchten Gottesdienst vor Ort: inmitten der spektakulären zeitgenössischen Architektur der Galerie Abtart.

Ferdinand Gehr stammte aus dem Bauerndorf Niederglatt in der St. Gallener Gegend. Als Strickereizeichner bildete er sich nach dem ersten Weltkrieg an der Kunstgewerbeschule fort und kam als Malschüler in Florenz, Berlin und Paris ins Umfeld vieler prägender Künstlerfreunde der frühen Moderne. Von Henri Matisse mag er zu flächig ornamentaler Reduktion, von Emil Nolde zu expressionistischer Farbgebung und dem Leuchten von Blumen inspiriert worden sein. Der Elsässer Hans Arp aber, dadaistische Bildhauer, Maler und Dichter, wurde sein wichtigster Mentor in der wilden Zwischenkriegszeit, in der ihn erste Aufträge zur Kirchenkunst führten. Gläubig war er, und auch nach den Goldenen Zwanzigern sehr an Literatur und Theater interessiert. Gerühmt wurde an Ferdinand Gehr schon recht bald die Sensibilität, mit der er seine elementar einfachen Bildwerke von Freskomalerei bis Textil in die Raumbildung der Architektur einzufügen verstand: Konzentration und Innerlichkeit in kraftvoll klarer, konzentrierter Bildsprache sollten, so urteilte der Kirchenarchitekt Hanns Brütsch, „jene vierte geistige Dimension“ eröffnen.

Die Ausstellung im Abtart-Studio – um den zentral gehängten grünen Teppich für die Sonntage nach Trinitatis – zeigt natürlich nicht nur die an den christlichen Glaubensmysterien und ihren Zeichen gewachsene Kunst Ferdinand Gehrs, sondern gerade auch deren Umfeld, das von floralen bis zu erotischen Motiven, von suchender Figuration bis zu monumentaler Form-Essenz seine bildnerische Kreativität beleuchtet. Die ikonisch-christliche Symbolik schrieb Gehr ganz individuell fort in Zeichen, die rätselhaft und offen sind.