Das landeseigene Gelände, um das es geht, befindet sich auf Ludwigsburger Gemarkung, die Zufahrt wäre jedoch nur über Tamm (hier der Stadtteil Hohenstange mit dem Wasserturm) und Asperg möglich. Foto: Simon Granville

Vor rund zwei Wochen wurden Pläne des Landes bekannt, ein als Schanzacker bekanntes Gelände am äußeren Rand Ludwigsburgs für eine Landeserstaufnahmestelle für Flüchtlinge in Erwägung zu ziehen. Vor allem in Asperg und Tamm wächst der Widerstand, denn eine Anbindung gibt es nur über deren Gemarkung.

Selten sind sich verschiedene politische Parteien so einig – und das zum Teil auch noch über kommunale Grenzen hinweg. Zu den Überlegungen der Landesregierung, auf einer Fläche im Dreieck Ludwigsburg, Tamm und Asperg möglicherweise eine Landeserstaufnahmestelle (LEA) für bis zu 1200 Flüchtlinge zu errichten, haben sich die CDU-Gemeinderatsfraktionen und Stadtverbände in Asperg und Tamm ebenso klar positioniert wie die Tammer SPD und die Asperger Grünen: mit einer eindeutigen Ablehnung.

Dabei machen sie sehr deutlich, dass sie sich gemeinsam gute Chancen ausrechnen, den Bau einer LEA im Gebiet Schanzacker zu verhindern. Schon im Jahr 2009, betonen alle, sei es einer überparteilichen Initiative gelungen, eine Bebauung in unmittelbarer Nähe zum Hohenasperg zu verhindern. Damals ging es um Überlegungen, auf der Fläche eine Spedition anzusiedeln. Und, so die CDU: „Die Argumente von damals haben für uns nach wie vor Bestand.“

Auch der Ludwigsburger OB steht in der Kritik

Unter Beschuss der Parteien aus Tamm und Asperg steht aber nicht nur das Land, das die beiden Kommunen bei den Überlegungen völlig außen vor gelassen und auch erst einen Tag später als den Ludwigburger Oberbürgermeister Matthias Knecht informiert hat. Auch letzterer kommt in den verschiedenen Pressemitteilungen gar nicht gut weg. Man wirft ihm sehr deutlich vor, er lade anstehende Belastungen gerne bei den Nachbarn ab – und vergesse dabei den sonst in der Barockstadt eigentlich gültigen Leitsatz „Innenentwicklung vor Außenentwicklung“.

Die betreffende landeseigene Fläche liegt zwar gerade noch auf Ludwigsburger Gemarkung, die Städte Asperg und Tamm müssten aber „die Hauptlast dieser Einrichtung tragen“, so die SPD Tamm. Eine Erschließung wäre nur über diese beiden Städte möglich. Das stößt vor allem den CDU-Mitgliedern sauer auf. Die Ludwigsburger Straße (L 1133) als Hauptdurchfahrtsstraße durch Tamm, die Asperger Straße (L 1110) als Hauptverbindungsstraße zwischen Tamm und Asperg und die Asperger Ortsdurchfahrt seien ohnehin extrem belastet, betonen sie. Außerdem sei das Gebiet Schanzacker eine der letzten großen zusammenhängenden Streuobstwiesenflächen im Landkreis Ludwigsburg und zugleich eine der letzten Frischluftschneisen für Asperg und Tamm. Auch die Tammer SPD und die Asperger Grünen verweisen auf die Bedeutung des Gebiets für Umwelt und Naherholung. „Gerade in Zeiten des Klimawandels müssen geschützte Grünzüge unbedingt erhalten bleiben“, fordern die Grünen. Zudem stelle sich die Frage, wie man die Bevölkerung künftig für Umwelt-und Klimaschutz gewinnen wolle, wenn die Landesregierung selbst so beliebig mit geschützten Flächen umgehe.

Auch für Flüchtlinge kein guter Standort

Die Tammer SPD schließt eine Bebauung an dieser Stelle aber auch deshalb aus, weil sie „den Blick auf den Hohenasperg dramatisch beeinträchtigen“ würde und betont: „Angesichts der überragenden historischen Bedeutung des Hohenaspergs für Württemberg ist an dieser Stelle jegliche Bebauung inakzeptabel.“

Einig sind sich alle darin, dass man auch weiter Schutzsuchende aufnehmen müsse. Doch auch für sie sei die angedachte Fläche mangels nötiger Infrastruktur denkbar ungeeignet. „Da ich seit vielen Jahren in der Flüchtlingshilfe tätig bin, weiß ich genau, was für eine Umgebung für Flüchtlinge gut und welche schlecht ist“, so die Asperger Flüchtlingsbeauftragte und Grünen-Gemeinderätin Gerlinde Bäßler. Zur Integration trage dieser Standort absolut nichts bei.

Sorge vor sozialem Brennpunkt

Die CDU verweist noch auf einen anderen Aspekt, der viele Bürgerinnen und Bürger bewege: „Das Land Baden-Württemberg hat bereits kundgetan, dass die auf dem Schanzacker geplante LEA primär zur Aufnahme von geflüchteten Menschen aus Syrien und Nordafrika angedacht ist. Aufgrund der Erfahrungen von anderen Landeserstaufnahmeeinrichtungen in Baden-Württemberg haben auch wir Bedenken, dass auf dem Gebiet Schanzacker ein neuer sozialer Brennpunkt entstehen könnte.“ Man müsse darauf achten, dass eine Sozialverträglichkeit gewahrt sei und auch dem subjektiven Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger Rechnung getragen werde.

Die Forderungen der Parteien: Die Landesregierung solle sich bei ihrer Suche auf bereits erschlossene Gebiete konzentrieren, die keinen Schutzstatus genießen, so die Grünen. Notfalls müsse man eben die LEA in Ellwangen noch weiter betreiben. Die CDU verlangt weitergehende Überlegungen. Denn: „Die Bewertung einer Fläche ohne eine zugehörige Alternative nimmt eine Entscheidung geradezu vorweg.“ Und selbstverständlich wolle man auch in alle Planungen mit einbezogen werden.

Flüchtlinge und ihre Unterbringung

LEAs und EAs
In Baden-Württemberg gibt es vier Landeserstaufnahmestellen (LEA) – in Ellwangen, Sigmaringen, Karlsruhe und Freiburg – und ein Ankerzentrum in Heidelberg. In Giengen, Tübingen, Schwetzingen und Mannheim gibt es Erstaufnahmestellen (EA). Im kommenden Jahr soll zudem eine EA in Kornwestheim in Betrieb gehen. Beides sind Aufnahmeeinrichtungen, die vom Land betrieben werden. In den Erstaufnahmestellen wird ein Asylantrag gestellt, außerdem wird entschieden, welches Bundesland für die Aufnahme zuständig ist.

Vorläufige Unterbringung
Für die vorläufige Unterbringung ist der Stadt- oder Landkreis zuständig. Sie soll eine Dauer von 24 Monaten nicht überschreiten. Anschlussunterbringung
Auch hierfür sind Stadt- und Landkreis zuständig. Oft handelt es sich dabei um dieselbe Unterkunft wie die für die vorläufige Unterbringung.