Im Krisenstab in der Feuerwache koordiniert der Ben Bockemühl (links) mit Hans-Peter Peifer die mögliche Evakuierung. Foto: factum/Bach

1000 Wohnungen und ein Altenheim müssen geräumt werden, wenn am Samstag eine Weltkriegsbombe in Ludwigsburg entschärft wird. Es droht die größte Evakuierungsaktion in der Geschichte der Stadt.

Ludwigsburg - Der Parkplatz neben dem Heizkraftwerk der Stadtwerke ist abgesperrt, nebenan verlassen Busse ihr Depot. Auf den Wagen eines Autohauses liegt eine Schneeschicht. Nur ein paar weiß-rote Absperrbaken weisen darauf hin, dass sich an dieser Stelle im Gewerbegebiet unweit des markanten Wüstenrot-Hochhauses am Samstag dramatische Szenen abspielen könnten. Irgendwo auf dem Gelände liegt in sechs Metern Tiefe vermutlich eine Weltkriegsbombe. Die Stadt bereitet die Räumung der Umgebung für diesen Fall vor. Was wird wann genau geschehen?

Die Ausgrabung

Am Freitag um 10 Uhr werden Bagger der Spezialfirma Kampfmittelbergung Zimmermann aus Stadtroda in Thüringen anrücken, um auf dem Gelände der Stadtwerke zu graben. „Die ersten drei Meter mit Maschinen, danach ist Handarbeit angesagt“, erklärt Susanne Jenne, die Sprecherin des Rathauses. Dann wird sich zeigen, ob der etwa 70 Zentimeter lange Metallgegenstand ein gefährlicher Sprengsatz ist oder nur ein altes Rohr oder eine Badewanne. Um 16 Uhr hat der OB Werner Spec eine Pressekonferenz im Berufsschulzentrum angesetzt: Dann herrscht Gewissheit.

Der Krisenmanager

Ben Bockemühl ist noch nicht lange Feuerwehrchef in Ludwigsburg, doch eine Bombenräumung bringt ihn nicht aus der Ruhe. Im Landkreis Aichach-Friedberg, aus dem er stammt, gab es regelmäßig solche Evakuierungen. Nun hat Bockemühl einen Krisenstab in der Feuerwache an der Marienstraße eingerichtet und koordiniert 500 Rettungskräfte, die im Einsatz sind. Je nach Größe der Bombe muss ein Radius von 300 oder 500 Metern geräumt werden. „Die größte Gefahr geht von herumfliegenden Steinen und Metallteilen aus“, erklärt Bockemühl.

Die Anwohner

Gut 1000 Gebäude müssen evakuiert werden. Darunter auch ein Altenheim – die Seniorenresidenz am Hohenzollernplatz, früher Alloheim. „Wer bettlägerig ist, kommt im Krankenhaus unter“, erklärt Susanne Jenne von der Stadtverwaltung. Die anderen werden im ASB-Heim Am Römerhügel unterbracht. Die Anwohner müssen um 8 Uhr ihre Häuser verlassen. Im Berufsschulzentrum ist eine Notunterkunft, ohne Feldbetten. „Wir rechnen nicht damit, dass es über Nacht geht“, sagt Ben Bockemühl. Der Schulkiosk ist offen, es kann Fußball gespielt werden. Auch Haustiere werden betreut durch die Tierrettung Unterland.

Den Bewohnern der Sperrzone empfiehlt Bockemühl, wie an einem normalen Arbeitstag außer Haus zu gehen: mit Personalausweis und Getränken. „Türen und Fenster verriegeln, gerne die Rollläden herunter lassen“, sagt der Feuerwehrchef. Sein Tipp: „Gehen Sie einkaufen oder ins Schloss, das bietet freien Eintritt.“

Die Absperrung

Teams aus Feuerwehr und Polizei werden von 8 Uhr an am Samstag das Gebiet durchkämmen und an jeder Tür läuten. Wer noch zuhause ist, soll überzeugt werden, seine Wohnung zu verlassen. „Wir sind dabei, wenn es Schwierigkeiten gibt“, sagt Alexander Bross vom Polizeirevier. Die Polizei ist mit 95 Beamten im Einsatz und sperrt die Straßen ab. Ein Teil der Friedrichstraße ist betroffen, von 10 Uhr an ist diese dicht. Der Bahnverkehr wird erst um 13 Uhr eingestellt, die Bundespolizei sichert die Gleise. Bis zur Mittagszeit soll die Evakuierung abgeschlossen sein, dann geht Mathias Peterle ans Werk, der Bombenentschärfer.

Die Entschärfung

Es kann zehn Minuten oder vier Stunden dauern, bis er den Sprengsatz gesichert hat. Um 16 Uhr soll die Presse erste Fotos von der unschädlich gemachten Weltkriegsbombe machen können. Es kann aber auch länger dauern, entsprechend später dürfen die Anwohner wieder zurück in ihre Häuser. Wenn die Bombe nicht entschärft werden kann, wird sie kontrolliert gesprengt. Falls es wider Erwarten doch Verletzte geben sollte, ist im Ludwigsburger Krankenhaus ein leitender Notarzt eingesetzt.

Doch damit rechnet der Krisenmanager Ben Bockemühl nicht: „Der Kampfmittelbeseitigungsdienst hat in Baden-Württemberg seit 1946 schon gut 25 000 Bomben entschärft, ohne dass etwas passiert ist.“