Die Nachwuchs-Designerinnen der Staatlichen Modeschule Wangen zeigen ihre Modelle am Stuttgarter Hafen. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Der Designer-Nachwuchs für die großen Modefirmen lernt in der Landeshauptstadt das Handwerk: die fünf Modeschulen haben regen Zulauf. Begehrte Jobs warten in der Industrie und im Theater.

Stuttgart - Vom Laufsteg weg ist sie engagiert worden: Josephine Wermut hat bei der Abschluss-Präsentation ihrer Kreationen den Sechser im Lotto gezogen. Noch bevor ihre Ausbildung an der Modeschule Kehrer abgeschlossen ist, hat sie einen Job bei einem großen deutschen Damen-Mode-Produzenten ergattert. „Sieben Modelle haben ich in den letzten zwei Semestern entworfen und genäht – und dann auch selbst bei der Show vorgeführt“, berichtet die 20-Jährige. Kreativ und zeichnerisch begabt war sie schon als Kind, aber das Handwerk lernte sie an der Schule. „Das ist typisch für unsere Schülerinnen und Schüler“, sagt Philipp Kehrer, der stellvertretende Rektor der gleichnamigen Modeschule. Vorkenntnisse verlangen sie bei der Designerausbildung nicht. Das Handwerk gehört zur Ausbildung: „Uns ist für die Aufnahme wichtig zu sehen, wie jemand in die Welt guckt und ob er authentisch ist“, sagt Sabine Münst, die das betreffende Berufskolleg des Kolping-Bildungswerks leitet.

Männermangel an den Schulen

Auf dem hart umkämpften Modemarkt ist die Konkurrenz groß. Allein in Stuttgart gibt es vier Institutionen, die in Modeberufen ausbilden. 150 Schüler besuchen die private Modeschule Kehrer, etwa ebenso viele sind es an der staatlichen Kerschensteinerschule mit der Berufsschule für Schneider und Modisten, dem Berufskolleg für Modedesigner und der Meisterschule. Rund 50 junge Menschen lassen sich am dreijährigen Berufskolleg Mode und Design des Kolping-Werks ausbilden, und an der Staatlichen Modeschule in Wangen, die ausschließlich Studierende mit einschlägiger Vorausbildung annimmt, lernen 48 Schülerinnen. Außerdem bietet die Akademie Deutsche Pop in Kornwestheim seit einiger Zeit den Ausbildungsgang für insgesamt 20 Schüler an. Auffällig ist: Die Männerquote ist bei den Einrichtungen durchweg gering und bis auf die Kerschensteinerschule verlangen alle Schulgeld.

Ein eiserner Wille muss sein

„Stuttgart ist eine richtige Modestadt, auch wenn das nicht so bekannt ist“, schwärmt Cathrine Strobel-Theunissen, die an der Kerschensteinerschule die Öffentlichkeitsarbeit für den Modebereich leitet. „Mode cool zu finden, weil man gerne shoppen geht, das reicht natürlich nicht“, sagt sie bestimmt. „Man muss hundert Prozent geben, dann stehen einem Berufsmöglichkeiten offen“, betont auch Kehrer. Denn so reibungslos wie bei Josephine Wermut ist der Schritt von der Schule in den Job in den seltensten Fällen. Merve Arik vom Berufskolleg des Kolping-Bildungswerks gehört zu jenen mit besonders eisernem Willen. Kürzlich hat sie beim Burladinger Hersteller von Sport-und Freizeitkleidung Trigema einen Entwurfs-Wettbewerb gewonnen. „Mode war immer mein absoluter Traum“, sagt die 26-jährige. Deshalb verließ sie ihre Heimatstadt Coburg und zog nach Stuttgart, noch bevor sie hier von einer Schule die Zusage auf einen Platz hatte. Zuvor hatte sie eine Ausbildung in der Krankenpflege absolviert und ihr Abitur nachgemacht. „Durch Zufall bin ich in der Theodor-Heuss-Straße am Berufskolleg des Kolping-Bildungswerks vorbeikommen und habe mir die Informationen geholt.“ Jetzt lernt sie dort, wie sie ihre Ideen praktisch umsetzen kann: „Nur mit zeichnen kommt man nicht weiter“, sagt sie. „Kreativität und Handwerk müssen zusammengehen“, betont auch Philipp Kehrer.

Traum vom eigenen Atelier

An der Staatlichen Modeschule in Stuttgart-Wangen ist das handwerkliche Können bereits Voraussetzung: Eine Schneiderlehre oder eine abgeschlossene Ausbildung zum Modedesigner ist die Voraussetzung für die Aufnahme. Jedes Jahr verleiht Hugo Boss exklusiv für die Modeschule den Hugo Boss-Award. Erklärtes Ziel sei es, die Absolventen fit zu machen für die Industrie. „Das Berufsziel ist es, tragbare Mode zu produzieren“, betont die Schulleiterin Sabine Dirlewanger.

„Alle träumen natürlich vom eigenen Atelier und der eigenen Marke“, charakterisiert Merve Arik sich und ihre Kommilitoninnen. Tatsächlich aber liegen die Berufschancen in der Industrie: Escada, Boss, Puma, Adidas, Assos, Betty Barclay, Liebeskind, Olymp, di Bari. Das sind die Marken, bei denen Absolventinnen und Absolventen Jobs fanden. „Viele gehen aber auch ans Theater oder ans Musical als Maßschneider oder Kostümbildner“, berichtet Cathrine Stobel-Theunissen.

Klar, dass die Schülerinnen neben den zahlreichen Exkursionen zu Modefirmen und zu Kunst-Events auch die Luft des Modezirkus in den Metropolen schnuppern sollen. Die Kerschensteiner-Schülerinnen mischen sogar hinter den Kulissen der Berliner Fashion Week mit: „Sie jobben dort für die Models als Dresser, führen die Promis zu ihren Plätzen und verdienen sich so ein kleines Taschengeld“, berichtet Cathrine Strobel-Theunissen. Geld nämlich ist bei allen knapp. Die Exkursionen und häufig auch das Material müssen die Schülerinnen selbst bezahlen.