Chirawat Singhan mag faire Mode. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Drei angehende Designer an der Staatlichen Modeschule Wangen und Preisträger des Hugo Boss Award sprechen über ihre Verantwortung für Mensch und Umwelt.

Stuttgart - Das T-Shirt für drei Euro, die Jeans für neun Euro. Aber Billigmode hat in Wirklichkeit einen hohen Preis. Den zahlen die Menschen, die in der Textilindustrie für Hungerlöhne und ohne Arbeitsschutz schuften und wir alle zahlen ihn. Denn die sogenannte Fast Fashion hinterlässt von Pestiziden verseuchte Böden, kontaminierte Flüsse, Wasserknappheit und Tierquälerei, zum Beispiel für die Pelzverbrämung der Parka-Kapuze. Wer in der Modebranche arbeitet, trägt eine besondere Verantwortung dafür, dass diese Missstände beseitigt werden.

Helena Berkel, Lina Brutscher und Chirawat Singhan werden bald in dieser Rolle stecken. Alle drei besuchen die Abschlussklasse der Staatlichen Modeschule in Stuttgart-Wangen und haben mit ihrem jeweiligen Entwurf einer Herrenkollektion den diesjährigen Hugo-Boss-Award gewonnen, und der gilt als Türöffner für einen Job.

Während der zweijährigen Ausbildung wird heute auch über die Produktionswege und die ökologische Verträglichkeit von Kleidung informiert und diskutiert: „Wir haben auf der Pariser Stoffmesse ungiftige Farbstoffe aus Pflanzen kennen gelernt“, berichtet Lina Brutscher von der Exkursion in die französische Hauptstadt. Dort haben die Nachwuchsdesigner einerseits die Urform des Färbens wiederentdeckt und andererseits High-Tech–Methoden kennengelernt, mit denen aus Plastikmüll Fasern gewonnen werden, aus denen Textilien entstehen können.

Öko darf nicht aussehen wie Öko

„Wenn wir später als Designer Stoffe ordern, tragen wir eine Verantwortung“, betont Helena Berkel. Chirawat Singhan findet, dass die großen Firmen ein Bewusstsein für faire Mode entwickeln müssen. „Wir sind da schon ganz schön weit“, entgegnet Lina Brutscher unter dem Eindruck der Pariser Stoffmesse. „Es werden noch mehr Labels auf den Markt kommen, die nachhaltige Mode anbieten.“

Über eines sind sich die drei Modeschülern einig: Öko darf nicht aussehen wie Öko. Doch da hat sich in den vergangenen Jahren viel getan. Nachhaltig produzierter Kleidung ist das nicht mehr anzusehen. Der unförmige, naturfarbene „Baumwollsack“ zum Anziehen ist Vergangenheit. Die Schulleiterin Sabine Dirlewanger lässt zur Anschauung jede Klasse zu Vaude, einem Hersteller von Funktionskleidung, reisen. Die Tettnanger Firma wirbt damit, dass sie umweltfreundliche Produkte aus nachhaltigen Materialien vertreibt. Auch bei der Herstellung werde auf faire Arbeitsbedingungen in der Lieferkette geachtet. Tatsächlich lassen nicht nur die Billig-Ketten zu unsäglichen Bedingungen produzieren. Selbst Modelle von Edelmarken sind in den Klitschen Südostasiens zu finden. Oft sind so viele Subunternehmer beteiligt, dass der Produktionsweg kaum nachvollziehbar ist.

Gift in schwarzer Kleidung

Wie sich fair produzierte Öko-Mode betriebswirtschaftlich rechnen kann, demonstriert den Schülern und Schülerinnen der Geschäftsführer von Hess-Natur, der jedes Schuljahr einen Gastvortrag hält. Vor 43 Jahren startete das Unternehmen mit einem Projekt für Bio-Baumwolle. 2017 erwirtschaftete es 56 Millionen Euro mit dem Verkauf von Naturtextilien. Die sind zwar teurer, aber dafür langlebiger. „Für unsere Modeschauen können wir jedoch nicht komplett Öko-Stoffe verwenden“, so die Schulleiterin. Denn die Schule müsse knapp kalkulieren.

Wegwerfmode macht Lina Brutscher wütend. „In dem großen Klotz an der Königstraße bekomme ich schnell Kopfschmerzen“, sagt sie mit Blick auf die Primark-Filiale, einen Anbieter von Billigklamotten. „Die schlechte Luft kommt von den Textilien.“ Vor allem schwarze Kleidung ist hochbelastet mit Schadstoffen und sollte vor dem ersten Tragen gewaschen werden. Schwarz ist jedoch angesagt und die Modeschüler in Wangen produzieren im ersten Ausbildungsjahr selbst ein T-Shirt: In schwarz. „Das hat sogar das Blue-Sign, ist also noch wertiger als das Öko-Tex-Siegel“, betont die Schulleiterin stolz. Auch beim weißen Aufdruck lernen die Schüler, dass es sich mit ungiftigen Farben gut arbeiten und dass sich ein solches T-Shirt gut verkaufen lässt.

Abgelegte Kleidung kommt nur in gute Hände

Die drei Preisträger treiben sich gerne in Second-Hand-Läden herum und veranstalten private Tauschbörsen. „Manchmal bekomme ich von meinen Freundinnen dann kleine Änderungsaufträge“, erzählt Helena Berkel und Lina Brutscher verkauft ihre Kleidung gerne übers Internet, weil sie so mit den Käuferinnen in Kontakt kommt. „Kürzlich habe ich etwas nach Wien verschickt. Da können meine Klamotten jetzt noch etwas Schönes erleben“, schmunzelt sie und Helena Berkel hat ebenfalls ein inniges Verhältnis zu ihren Sachen: „Ich lasse sie so lange im Schrank, bis ich weiß, dass sie in gute Hände kommen und noch getragen werden.“ Das ist echte Nachhaltigkeit.