Hat schon viele Talente gesichtet: Modedesignerin Kehrer Foto: Max Kovalenko

Die Modeschule Kehrer ist seit 33 Jahren Talentschmiede für junge Kreative, aus der namhafte Designer hervor gegangen sind. Zuletzt zum Beispiel Malaika Raiss, die bei der Fashion Week Akzente setzte.

Stuttgart - Sie ist das Zentrum, auch wenn sie am Rand sitzt. Diese Frau erweckt sogar ein nüchternes Konferenzzimmer zum Leben mit ihrer Präsenz. Sie trägt das rot-wallende Haar wie Milva, die Diva. Und sie versprüht Glamour wie ein Star. Dabei ist sie für alle nur „Frau Kehrer“. Die Lehrerin. Die Designerin. Die Schulleiterin. Die Mutter der Kompanie.

Über allem ist Brigitte Kehrer noch etwas anderes: sie ist eine Traumerfüllerin.

Sie erfüllt seit 33 Jahren die Träume junger Damen und Herren, die in der Modewelt Fuß fassen wollen. Und sie erfüllt sich ihre eigenen Träume. Vor allem ihren Kindheitstraum. „Ich wollte schon als kleines Kind Modedesignerin werden.“ Es klingt märchenhaft, wie auch der Satz: „Mir wurde die Mode in die Wiege gelegt.“

Pionierin auf ihrem Gebiet

Es wäre keine Schande. Jeder, der mit stolz auf seine Lebensleistung zurückblickt, dürfte die Mosaikstücke so wählen, dass ein schönes Bild entsteht. Allein die Fakten zeigen: Brigitte Kehrer muss nichts schönfärben. Sie hat aus Nichts etwas Neues gemacht. Brigitte Kehrer hat dem Begriff Modeschule als erste in Deutschland ein Konzept mit einzigartigem Profil gegeben.

Begonnen hat alles in Rimbach, ein Städtchen im Odenwald. Die Mutter führte ein Textilgeschäft. Der Vater eine Näherei. Und Klein-Biggi pendelte zwischen den Welten, entdeckte bei den Waren der Mutter die Lust am Design. Beim Vater dessen Ideenreichtum. Bei beiden die Vorzüge der Selbstständigkeit. Was das bedeutet, musste Brigitte Kehrer vier Tage nach ihrem 17. Geburtstag erfahren. Der Vater starb, Brigitte, die Oberschülerin übernahm die Geschäfte übergangsweise. Denn an ihrem Wunsch hatte sich nichts geändert: „Ich wollte lernen, wie man schöne Sachen entwirft.“

Designer-Ausbildung auch ohne Schneiderlehre

Doch vor dem Erfolg haben die Götter bekanntlich den Schweiß gesetzt. Wer damals Direktrice werden wollte, musste das Handwerk der Maßschneider lernen. „Es war eine harte Zeit“, erinnert sie sich, „erst lernte ich bei Betty Barclay das Handwerk, danach in Frankfurt Design.“ Verschlungene Pfade und die Liebe zu einem Bekleidungsingenieur führten sie schließlich über Sigmaringen nach Nürtingen, wo sie vor 33 Jahren mit ihrer ersten Modeschule an den Start ging. Getrieben von dem Wunsch, jungen Menschen ihren harten Weg zu ersparen. Erfüllt von dem Estée-Lauder-Motto: „Ich habe niemals an den Erfolg geglaubt, ich habe stets dafür gearbeitet.“ Brigitte Kehrer sagte sich 1981: „Ich bilde jetzt Designer aus, die keine Schneiderlehre brauchen. Ich wollte alles anders machen, viel näher an der Praxis.“

Das macht sie bis heute. In Stuttgart und in Mannheim. An ihren staatlich anerkannten Modeschulen haben Tausende junge Menschen den Abschluss zum Modedesigner gemacht. Manche mit durchschlagendem Erfolg. Florian Wowretzko zum Beispiel, der 2013 mit dem European Fashion Award ausgezeichnet wurde. Oder Ingo Wilts, der bei Boss für die Linien Boss Black und Boss Selection zuständig war und dann nach einem Gastspiel bei Kenneth Cole New York in Amsterdam bei Tommy Hilfiger landete.

1000 verrückte Ideen

Besonders stolz ist Brigitte Kehrer jedoch auf diese unscheinbare zarte Dame, die derzeit in Berlin mit einem eigenen Label Akzente setzt: Malaika Raiss. Die „Vogue“ titelte zuletzt anlässlich der Fashion Week über die Kehrer-Schülerin: „Malaika Raiss definiert mit ihrem schlichten und femininen Stil die Berliner Mode neu.“

Nichts ist für Brigitte Kehrer schöner, als zu sehen, „welchen tollen Weg manche meiner Schüler gehen“. Vielleicht auch weil diese kreativen Designer ihr so ähnlich sind. Sie alle haben eine Vision und 1000 verrückte Ideen. Die Besten haben aber auch diesen unbändigen Willen, sich selbst verwirklichen zu wollen. Das treibt Brigitte Kehrer bis heute an. „Ich muss einfach immer weiter machen und meine Ideen umsetzen“, sagt sie und zitiert Karl Lagerfeld: „Nicht das, was ich erreicht habe, interessiert mich, sondern das, was noch vor mir liegt.“

So gesehen gibt es noch viel zu tun. Es gibt noch so viele junge Menschen, die von einer Karriere als Modedesigner träumen. Viele davon kommen zu „Frau Kehrer“.