Für die Modernisierung und Digitalisierung des mehr als 32­ 000 Kilometer langen Schienennetzes hat Bahnchef Lutz einen Zeitraum von zehn bis 15 Jahren veranschlagt. Foto: AP

Mit dem neue Programm „Digitale Schiene“ will der Bahnkonzern die Kapazität der Infrastruktur um 20 Prozent erweitern. Zu den Kosten sagt Bahnchef Richard Lutz noch nichts.

Berlin - Digital, sicher, komfortabel, zuverlässig und klimafreundlich – so soll der Schienenverkehr der Zukunft aussehen. Dafür will die Deutsche Bahn mit dem neuen Programm „Digitale Schiene Deutschland“ sorgen, das Konzernchef Richard Lutz vor Journalisten in Berlin ankündigte. „Damit machen wir den Bahnbetrieb fit für die Zukunft“, betonte er. Ziel sei, bis zu 20 Prozent mehr Kapazität im Netz und einen „Riesensprung für unsere Kunden“ zu schaffen.

Im Zentrum des Programms sollen die flächendeckende Einführung des europäischen Zugsicherungssystems ETCS sowie die Digitalisierung der 2800 Stellwerke in Deutschland stehen. Das neue digitale Leitsystem werde rund 160 000 Signale und einen Großteil der bisher rund 400 000 Kilometer Kabel überflüssig machen. Das künftige „smarte Netzwerk“ werde dichtere Zugfolgen und damit eine bessere Auslastung der Infrastruktur erlauben.

Es gehe um einen grundlegenden technischen Wandel im Eisenbahnsektor und die Chance für einen „noch nie da gewesenen Entwicklungsschub“, sagt der DB-Chef. Mit dem neuen Programm werde man „richtig durchstarten“. Für die Modernisierung und Digitalisierung des mehr als 32 000 Kilometer langen Schienennetzes hat Lutz einen Zeitraum von zehn bis 15 Jahren veranschlagt. „Und natürlich kostet das viel, ja sehr viel Geld“, räumt der Manager ein, ohne Summen zu nennen.

DB-Vizechef Ronald Pofalla soll die Beteiligten an einen Tisch bringen

Bei der künftigen Bundesregierung hofft Lutz auf Unterstützung für die Brancheninitiative, denn das Schienennetz ist Eigentum des Staates und wird zum großen Teil mit Steuern finanziert. Bei der Umsetzung sollten „alle an einen Tisch“, so der DB-Chef, also die Bahn und ihre Wettbewerber, die Aufgabenträger im Nahverkehr, Politik, Branchen- und Interessenverbände. DB-Vizechef Ronald Pofalla soll als Infrastruktur-Vorstand und früherer Leiter des Bundeskanzleramts diese Aufgabe übernehmen und dabei sein politisches Netzwerk nutzen.

Allein die flächendeckende ETCS-Einführung wird zweistellige Milliardensummen kosten. Das Funksystem soll künftig auch grenzüberschreitenden Verkehr erleichtern und unterschiedliche nationale Systeme ersetzen, kommt aber in fast ganz Europa stark verspätet. Als führend gilt die Schweiz, die dortigen Bundesbahnen SBB haben das rund 3000 Kilometer lange Netz seit Ende 2017 vollständig mit der neuen Leit- und Sicherungstechnik ausgerüstet.

Die Digitalisierung soll besonders die neue Technikexpertin im DB-Konzernvorstand, Sabina Jeschke, vorantreiben. An der Hochschule RWTH in Aachen forschte die Informatikerin bisher unter anderem zum autonomen Fahren und beriet mehrere Autokonzerne. Jeschke bekommt viel zu tun, denn Technikprobleme bei vielen Zügen und eine störanfällige Infrastruktur, die teils noch aus der Kaiserzeit stammt, machen dem Schienenverkehr zu schaffen.

Probleme bei der Neubaustrecke München-Berlin sind behoben

Zuletzt zeigte sich das beim Start der Neubaustrecke Berlin–München, als Anfang Dezember ausgerechnet das neue Leitsystem ETCS nicht richtig funktionierte und sogar der Premieren-Zug liegenblieb und erst mit mehrstündiger Verspätung ankam. Mittlerweile erreichten die ICE auf der Verbindung aber sehr gute Werte bei der Pünktlichkeit, betont Lutz. Die Zahl der Fahrgäste habe sich im ersten Monat mehr als verdoppelt. Ab Dezember soll die Zahl der besonders schnellen Sprinter-Verbindungen von drei auf fünf Züge pro Tag und Richtung aufgestockt werden. Die ICE-Sprinter schaffen die Strecke zwischen Berlin und München in unter vier Stunden, sind dafür aber etwas teurer. Die übrigen ICE-Züge sind rund viereinhalb Stunden unterwegs. Zuvor dauerte die Fahrt mehr als sechs Stunden.

Knapp ein Jahr nach dem überraschenden Rücktritt seines Vorgängers Rüdiger Grube zog der neue Bahn-Chef eine erste Bilanz. Das abgelaufene Jahr habe nach gutem Start einige Rückschläge gebracht. Beim Umbauprogramm „Zukunft Bahn“ müsse man „die eine oder andere Schippe nachlegen“.