In beruflichen Situationen transportiert man mit der Anrede auch Respekt und Wertschätzung. Foto: imago//Alexandra C. Ribeiro

Das Fräulein hat schon längst ausgedient, und auch die junge Dame wird im beruflichen Kontext als herabwürdigend empfunden. Mit welcher Anredeform geht man auf Nummer sicher?

Im ersten Gespräch sind sich viele Menschen unsicher, wie sie eine fremde Person ansprechen sollen – vor allem, wenn das Gegenüber weiblich ist. Denn anders als bei Männern hat sich bei den Frauen über die Jahre die angemessene Anredeform geändert. Gerade in beruflichen Situationen geht es dabei auch um Gleichberechtigung.

Ein Blick zurück in die Geschichte: Beim Innenministerium häuften sich bereits 1950 die Beschwerden, weil viele Frauen keine Fräulein mehr sein wollen. Frauenrechtlerinnen hatten davor schon jahrzehntelang die verniedlichte Form kritisiert, mit der unverheiratete Frauen angesprochen wurden. Sie empfanden den Titel als herabwürdigend und benachteiligend, Männer wurden ja auch nicht als Herrlein bezeichnet.

Innenminister Genscher schaffte die Anrede Fräulein ab

Mit der Hochzeit legte die Frau damals quasi auch automatisch ihren Beruf nieder. Weil es nicht nötig war zu arbeiten, da der Mann genug verdiente – oder weil er es seiner Gattin gar nicht erlaubte. Erst seit dem Jahr 1977 dürfen Frauen in Deutschland ohne die Genehmigung ihres Mannes arbeiten. Doch schon zuvor hatte sich ganz langsam die Einstellung in Sachen Gleichberechtigung geändert.

1972 hatte die Bundesrepublik das Fräulein aus der Amtssprache gestrichen. Hans-Dietrich Genscher (1927–2016), der damalige Innenminister, gab in einem Runderlass bekannt, man werde auch im behördlichen Sprachgebrauch der Gleichstellung von Mann und Frau Rechnung tragen. Mitte der 70er Jahre wurde dann der letzte behördliche Vordruck mit dieser Bezeichnung vernichtet.

Heute gilt das Fräulein in Deutschland laut Duden als veraltet

Nur wer ausdrücklich den Titel Fräulein wünschte, wurde weiterhin so adressiert. Gerade Frauen, die sich der frühen Frauenbewegung zuordneten, bestanden auf der Formulierung, um damit ihre Unabhängigkeit von einem Mann zu zeigen. Heute gilt das Fräulein in Deutschland laut Duden als veraltet. Während die französische Regierung das bedeutungsgleiche Mademoiselle vor zehn Jahren abgeschafft hat, wird in einigen Ländern sprachlich aber immer noch zwischen verheirateten und unverheirateten Frauen unterschieden, so etwa im Englischen mit Miss.

Wie könnte man nun aber vor allem jüngere Frauen zeitgemäß ansprechen? Bei dem Begriff „junge Dame“ kommt es auf den Kontext an. Zwar gilt die Bezeichnung Dame grundsätzlich als aufwertend, das altersbeschreibende Adjektiv kann jedoch als herabwürdigend, verniedlichend oder ironisch empfunden werden. „Im beruflichen Kontext geht es, noch stärker als im Privaten, um Gleichberechtigung. Eine Bezeichnung wie junge Dame ist da völlig deplatziert, weil es abwertend ist. Es kann in diesem Kontext das Gefühl wecken, dass man nicht für voll genommen wird“, sagt Linda Kaiser, stellvertretende Vorsitzende der Knigge-Gesellschaft.

Gar nicht akzeptabel ist „junge Dame“

So brach über den „Tagesspiegel“-Redakteur Christoph von Marschall ein Shitstorm herein, als er Annalena Baerbock Anfang des Jahres als „junge Dame“ bezeichnete. Auf Twitter warfen ihm viele vor, er habe der Außenministerin damit ihre Kompetenz absprechen wollen. Der Journalist entschuldigte sich daraufhin und beteuerte, die Formulierung nicht despektierlich gemeint zu haben.

Linda Kaiser rät daher dazu, Frauen mit Vor- und Nachname anzusprechen. Ist dieser unbekannt, sollte man sich selbst mit ganzem Namen vorstellen – und darauf hoffen, dass es einem das Gegenüber gleichtut. Doch vor allem, wenn Menschen unterschiedlichen Alters aufeinandertreffen, fallen noch immer Formulierungen wie „Fräulein“ oder „junge Dame“. Eine direkte Korrektur ist laut der Knigge-Expertin Kaiser unhöflich: „Im Gespräch ergibt sich dann gegebenenfalls eine Gelegenheit, darauf zu reagieren.“

Meist hilft es, wenn man darüber spricht

Die angemessene Ansprache ändert sich nun mal mit der Zeit. Auch das Bewusstsein und die Akzeptanz für geschlechterneutrale Sprache sind gestiegen. Und in den sozialen Medien wird das Thema korrekte Ansprache immer wieder aufgegriffen und diskutiert: So twitterte die Wirtschafts- und Politikwissenschaftlerin Katharina Nocun im Januar dieses Jahres: „Männer, die mich (. . .) ‚junge Dame‘ nennen, werden direkt geblockt. Ich bin Mitte 30 und hab diese Strategie der Infantilisierung von Frauen, um ihre Kompetenz abzusprechen, mehr als satt.“

Doch so sehr man sich darüber ärgern kann, die deutsche Knigge-Gesellschaft rät zur Nachsicht: „Wir empfehlen jedem, die eigene Position zu prüfen, sprich: zu schauen, ob es überhaupt Sinn macht, dagegen so vehement vorzugehen“, sagt Linda Kaiser. Meist helfe es, wenn man darüber spreche – „und zwar sachlich, ruhig und mit der Bitte um Verständnis. Zudem nach Möglichkeit als Ich-Botschaft.“