Unterwegs für die Befreiung der weiblichen Sexualität: Die Autorin und Moderatorin Charlotte Roche (41) ist bekannt für ihren offenen Umgang mit vermeintlichen Tabuthemen. Foto: dpa

Der Wirbel um den Beziehungs-Podcast „Paardiologie“ von Charlotte Roche ist noch nicht ganz verebbt, da sorgt die deutsch-britische Moderatorin schon wieder für Gesprächsstoff: für eine TV-Reihe hat sie die Welt bereist, um Liebesrituale zu erkunden – zum Beispiel das Fest des stählernen Penis.

Stuttgart - Die Moderatorin Charlotte Roche (41) ist dafür bekannt, bei den Themen Liebe, Sex und Zärtlichkeit kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Nach diversen „kranken“ Büchern, wie sie ihre freizügigen Romane „Feuchtgebiete (2008) oder „Schoßgebete“ (2011) selbst bezeichnet, hat sie unlängst mit dem mutigen Projekt, ihr Beziehungs- und Sexleben innerhalb des Spotify-Podcasts „Paardiologie“ öffentlich zu machen, für Gesprächsstoff gesorgt. Seit einigen Wochen spricht sie zusammen mit ihrem Mann Martin Keß (55) über ihre Eheprobleme, den Skandal, als ihre Affäre aufflog und den Wunsch nach einer offenen Beziehung.

Mädchen lutschen an Penis-Lollies

Nun geht es scheinbar nahtlos weiter mit der Arbeit rund um ihr Lieblingsthema. Ab dem 28. August zeigt der Kultursender „Arte“ die sechsteilige Reihe „Love Rituals“. Darin geht Charlotte Roche Liebesritualen in anderen Ländern auf den Grund. In der ersten Folge (21.35 Uhr) besucht sie das „Kanamara-Matsuri“ in Kawasaki in Japan – „das Fest des stählernen Penis“. Einmal im Jahr werden dort große Phallen durch die Straßen getragen, Mädchen lutschen an Penis-Lollies und Jungs an Zucker-Vaginas, während ältere Frauen aus Rettichen Phallen anfertigen und die lokalen Parteivorsitzenden sich vor Holz-Penisen verbeugen.

Auch eine Charlotte Roche hat Schamgefühle

In einem ausführlichen Interview mit der Zeitschrift „Gala“ hat sich Charlotte Roche nun zu diesem aufwendigen Projekt geäußert und zugegeben, dass sie sehr wohl Schamgefühle hat – was vermutlich einige überraschen dürfte. „Ich merke immer wieder, dass viele Leute mich bei diesem Thema total falsch einschätzen. Wegen meinen Büchern ziehen viele den Rückschluss, ich sei schamlos. Dabei ist genau das Gegenteil der Fall. Ich schäme mich oft und viel für Sachen, für die man sich eigentlich gar nicht schämen sollte“, sagte sie.

Roche sei sehr schamhaft erzogen worden: „Meine Mutter und Großmutter haben mir zum Beispiel erzählt, wie unweiblich es ist, auf Toilette zu gehen. Gegen dieses Schamgefühl bei ganz normalen, menschlichen Dingen muss ich kämpfen. Ich schreibe mir die Scham von der Seele. Man kann Scham auch auflösen, indem man darüber schreibt.“ Was den Grad des Schamgefühls betrifft, habe das Penis-Fest in Kawasaki weit vorne gelegen. „Das war einfach so absurd, weil da ja echte Priester und Mönche mit diesen übergroßen Penissen durch die Straßen gezogen sind und das vollkommen ernst gemeint haben.“

Abneigung gegen Rollenspiele

Kreativität in der Liebe ist der gebürtigen Britin wichtig: „Das ist ja die große Herausforderung in einer langen Beziehung – dass man für den Partner interessant bleibt, menschlich, aber auch sexuell. Viele Paare probieren mit der Zeit immer mehr aus, weil der Sex langweilig wird. Bei meinem Mann Martin und mir war es aber umgekehrt. Wir haben am Anfang viel ausprobiert und dann immer mehr sein lassen.“ Roche habe eine Abneigung gegen Rollenspiele, in denen man sich beispielsweise als Stewardess verkleidet. „Dann fühle ich mich wie im Kölner Karneval und muss die ganze Zeit lachen.“ Sie tue sich nach eigenen Worten schwer damit, Fantasien oder auch Träume zu formulieren. „Wenn mich Martin fragt, was ich gerne mal ausprobieren würde, bin ich total gelähmt und kann nicht mehr sprechen. Das würden natürlich jetzt auch wieder die meisten Leute nicht von mir erwarten.“ Wenn sie Romane schreibe, sei das etwas anderes. „Wenn ich über Sex schreibe, finde ich Worte für etwas, das in mir wortlos ist.“

Öffentliche Fremdgeh-Beichte

Vor dem Start ihres Podcasts „Paardiologie“ hatte die Moderatorin gesagt, dass es ihr Ziel sei, dadurch eine offene Beziehung zu bekommen. In dem Interview erklärte sie nun, dass das das Paar inzwischen gemerkt habe, dass es eine vollkommen unterschiedliche Auffassung von einer offenen Beziehung habe. „Ich habe in der vorletzten Folge offengelegt, wie oft ich bereits fremdgegangen bin. Aktuell sind wir auf ‚Hold Back’. Wir ziehen uns also mit diesem Thema etwas zurück, denken darüber nach, fühlen nach und sortieren uns neu.“