Andrea Nahles und Olaf Scholz – anlässlich der Koalitionskrise durften die beiden Sozialdemokraten ausnahmsweise auch mal ins Kanzleramt. Foto: dpa

Den Sozialdemokraten droht neuer Ärger in den eigenen Reihen. Sollen sie die von Seehofer und Merkel gewünschten geschlossenen Transitzentren mittragen oder ablehnen? Die Jusos Baden-Württemberg ziehen schon mal eine klare Kante.

Stuttgart - Nun hat die SPD den schwarzen Peter und fragt sich, wie sie ihn wieder zur Union zurückspielen kann. Den von CSU-Chef Horst Seehofer und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ausgehandelten Kompromiss in der Asylpolitik will sie nicht gänzlich ablehnen, denn dann wäre die große Koalition am Ende. Den endgültigen Bruch müssen die Genossen angesichts niedriger Umfragewerte fürchten.

Einfach so zustimmen mag die SPD ebenso wenig, weil sie dann in der Koalition dann als Kellner der Unionsköche erscheinen würde. Also spielt sie auf Zeit und sendet vor einem weiteren Treffen des Koalitionsausschusses an diesem Donnerstag moderate Signale aus. So sieht der Innenexperte Burkhard Lischka durchaus Verständigungswege. Es gehe für die SPD jetzt darum, aus diesem „sehr, sehr schmalen Kompromisspapier“ von CDU und CSU ein „vernünftiges, tragfähiges und rechtmäßiges Konzept“ zu machen, sagte er dem Deutschlandfunk.

Im Zentrum der Auseinandersetzung stehen die von Seehofer und Merkel vereinbarten Transitzentren für Flüchtlinge an der deutsch-österreichischen Grenze. Derartige Lager hatte der damalige SPD-Chef Sigmar Gabriel im Herbst 2015 noch als „Haftzonen“ abgetan. Da hatte seine Partei diese Einrichtungen, aus denen Flüchtlinge direkt wieder zurückgeführt werden sollen, noch erfolgreich verhindert.

Sind geschlossene Transitzentren rechtswidrig?

Sollen die Genossen diesmal mitziehen? Bei geschlossenen Zentren bestehe die Gefahr, dass sie rechtswidrig sein könnten, meint Lischka. „Ich finde, es geht ohne sie.“ Beispielhaft nennt er offene Einrichtungen, die in der ersten Jahreshälfte 2015 geschaffen wurden, um Flüchtlinge aus den West-Balkanstaaten in „konsequente und zügige Verfahren“ zu leiten. Da sei die Zahl der Verfahren von 1000 auf 30 bis 40 pro Tag gedrückt worden. Die SPD habe den klaren Standpunkt, dass es keine Haftlager mit längeren Aufenthalten geben soll. Diese Formulierung lässt allerdings Spielraum für eine Interpretation.

Lischka zeigte sich „ganz optimistisch“, dass man auf dieser Basis zu „vernünftigen Lösungen“ kommen könne. Nun habe Seehofer die „sinnvolle Beschäftigung“, Abkommen mit Österreich und Italien zur Rückführung von Flüchtlingen zu erzielen, die nur in abgestimmten Verfahren mit den anderen EU-Ländern möglich sei. Alleingänge werde die SPD ablehnen. Der Bundesinnenminister will am Donnerstag nach Wien reisen, um mit Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz über den Umgang mit den Zuwanderern zu verhandeln.

Zeichen des Verständigungswillens

Am Dienstagabend hatte bereits SPD-Chefin Andrea Nahles nach einem Treffen der Chefs in den drei Regierungsparteien von Fortschritten gesprochen. Es gebe aber noch „erheblichen Beratungsbedarf“ – „wir sind noch nicht ganz zusammen“. Auch der frühere Kanzlerkandidat Martin Schulz zeigt sich überzeugt, dass die Koalition eine Lösung findet, die internationale Rechtsstandards respektiert. „Da bin ich ganz sicher“, sagt er am Rande einer Sondersitzung seiner Fraktion. Ähnlich hatte sich zuvor der Generalsekretär Lars Klingbeil geäußert: Grundsätzlich könne man in der Koalition zu Lösungen in der Flüchtlingspolitik kommen. Ein Spiel auf Zeit soll wohl Druck von der Parteiführung nehmen – und intern die Parteilinken beruhigen. Dennoch stehen die Genossen, wenn Nahles und ihr Vize Olaf Scholz der Kanzlerin und dem Innenminister zu weit entgegenkommen, vor einer neuen Zerreißprobe.

Die neue Landesvorsitzende der Jusos Baden-Württemberg, Stephanie Bernickel, zum Beispiel geht eher auf Konfrontation: „Die erpressbare Kanzlerin und ihr rechtsnationaler Bundesinnenminister sollten sich statt mit der Erstellung von vermutlich steuerfinanzierten CSU-Masterplänen mit der Umsetzung des gerade mal vier Monate alten Koalitionsvertrages beschäftigen“, schlägt sie härtere Töne an. „Dass geschlossene Lager und Transitzentren weder in Baden-Württemberg noch sonst wo im Bundesgebiet die Lösung sind, erkennt sogar der CDU-Innenminister Strobl.“ Die Jusos würden hingegen auf eine klare Haltung setzen: zielgerichtete Hilfen in Herkunftsländern und europäische Lösungswege. „Sicher ist aber auch: Wenn diese anhaltende Regierungskrise und das Laienschauspiel seitens der Union nicht beendet wird, überlebt die schwarz-rote Koalition wohl kaum die nächsten Wochen.“

Jusos halten Regierungsbruch für möglich