Eine Studie stellt einen Zusammenhang zwischen der Modelshow Germany´ s Next Topmodel mit Heidi Klum und Essstörungen bei jungen Mädchen her Foto: dpa

Machen Modelshows à la Germany's Next Topmodel mit Heidi Klum krank? Die Psychologin Gaby Resmark über eine neue Studie und darüber, was Eltern tun können, wenn ihr Kind immer dünner wird.

Frau Resmark, eine kürzlich veröffentlichte Studie sieht einen Zusammenhang zwischen der Sendung „Germany`s Next Topmodel“ mit Moderatorin und Model Heidi Klum und dem Auftreten von Essstörungen bei Mädchen. Stimmt es, dass Modelshows krank machen?
Sicher können solche Sendungen und andere gesellschaftliche Einflüsse bei Betroffenen mit einer gewissen Verletzlichkeit und Anfälligkeit für eine Erkrankung den verzerrten Blick auf den eigenen Körper verstärken. Sie sind aber keinesfalls allein für die Entwicklung einer Essstörung verantwortlich. Die Erkrankung ist das Ergebnis vieler verschiedener Faktoren. Man muss das immer als Gesamtbild sehen. Biologische Faktoren, persönliche Eigenschaften wie hohes Leistungsstreben und Perfektionismus sowie das soziale Umfeld, etwa Freunde und die Schule, können einen Einfluss haben. Von Internetseiten aber, wo magersüchtiges Verhalten verherrlicht wird, wissen wir, dass diese junge Frauen negativ beeinflussen können.
Auch in Zeitschriften werden sehr dünne Models gezeigt. Sollten Eltern ihren Kindern verbieten, diese Zeitschriften zu lesen oder die Sendungen zu schauen?
Statt Verbote auszusprechen, sollten sich Eltern ein Bild von diesen Zeitschriften und Sendungen machen und sie gegebenenfalls auch gemeinsam mit den Kindern lesen und anschauen. Das ermöglicht einen Austausch darüber, was gezeigt wird. So können Eltern ungünstige Einflüsse erkennen und darauf reagieren. Die Gefahr bei Verboten ist, dass sich die Kinder möglicherweise darüber hinwegsetzen und dann auch nicht mehr offen über ihre Gefühle und Gedanken sprechen wollen.
Frankreich hat erst kürzlich ein Gesetz verabschiedet, dass sehr dünne Models vom Laufsteg verbannen soll. Ist das ein richtiges Zeichen gegen den Magerwahn?
Einen Mindest-BMI, der Index für das Verhältnis von Größe zu Gewicht, für Models und Schauspielerinnen festzulegen, ist sicher der richtige Schritt. Betroffene mit Essstörungen wünschen sich das auch. Es gibt aber auch andere Risikogruppen: Sportler in ästhetischen Sportarten wie Turnen oder Eiskunstlauf oder mit Gewichtsklassen wie Judo oder Karate. Ich habe betroffene Sportlerinnen erlebt, die versucht haben, sich in eine niedrigere Gewichtsklasse zu hungern.
Wer ist von Essstörungen betroffen?
Magersucht und Bulimie betreffen zu 90 Prozent Mädchen, aber auch die Anforderungen an junge Männer, einen schönen, schlanken Körper zu haben, werden immer größer.
Was können Eltern tun, damit ihre Kinder kein verzerrtes Körperbewusstsein entwickeln?
Eltern sollten dazu beitragen, dass ihre Kinder ein positives Selbstwertgefühl entwickeln, sie mit ihren individuellen Interessen und Begabungen annehmen. Wichtig ist auch ein sensibles Hinhören, falls es in der Schule oder im Freundeskreis zu Mobbing kommt. Auch aktuelle Präventionsprogramme zielen auf die Stärkung des Selbstwerts ab. Dies ist ein wichtiger Schutzfaktor gegen die Entwicklung einer Essstörung oder anderer psychischer Krankheiten.
Wie sollten Eltern reagieren, wenn sie sehen, dass ihr Kind immer dünner wird?
Günstig ist, das Kind in einer ruhigen Minute abseits des Essens darauf anzusprechen. Die Sorge sollte offen ausgesprochen werden. Dabei sollte man auch nicht nur auf die Gewichtsabnahme hinweisen, sondern auch auf mögliche Stimmungsveränderungen: „Du wirkst so bedrückt, ziehst dich zurück.“ Für Betroffene ist es oft leichter, darüber zu reden, als sich rechtfertigen zu müssen, warum sie immer dünner werden. Von Patienten, die die Essstörung überwunden haben, weiß ich, dass es für sie mit das Schlimmste war, vom Umfeld ignoriert zu werden.
Was sind erste Anzeichen einer Essstörung?
Neben einem niedrigen Gewicht können die Sorge um die Figur trotz Normalgewichts oder wiederholte Diäten ein Anzeichen sein. Wenn das gemeinsame Essen wiederholt durch Sätze wie „Ich habe schon bei einer Freundin gegessen“ vermieden wird, sollten Mütter und Väter hellhörig werden. Außerdem können Magen-Darm-Probleme, Zahnschäden, das Ausbleiben der Periode oder auch Wachstumsstörungen Hinweise sein.
In welchem Alter tritt eine Essstörung auf?
Normalerweise tritt sie in der Pubertät auf. Da die erste Regel bei den Mädchen aber zunehmend früher einsetzt, bedingt das zum Teil auch die frühere Entstehung einer Essstörung. Mittlerweile sind bereits zehn- und elfjährige Mädchen betroffen. Sobald Eltern Anzeichen feststellen und mit ihrem Kind und auch anderen Beteiligten im Umfeld gesprochen haben, sollten sie sich Hilfe beim Kinderarzt oder Hausarzt suchen. Dieser kann eine Lotsenfunktion übernehmen und die Betroffene gegebenenfalls einer essstörungsspezifischen Therapie zuführen.