„Ohne eine Vertrauenskultur wird es nicht gehen“, meint der Sozialminister Manne Lucha (Grüne): Foto: dpa

Im medizinischen Sektor wird zu wenig kooperiert, das ist das Ergebnis einer Studie. Sozialminister Manne Lucha setzt deshalb auf Gesundheitszentren, in denen alle Akteure von der Prävention über die Behandlung bis zur Pflege zusammenkommen.

Stuttgart - Um die Gesundheitsversorgung im Land weiterzuentwickeln, müsse man das Thema Gesundheit schon in der Schule aufgreifen, die stationären Angebote für Demenzkranke ausbauen, vor allem aber das Miteinander der unterschiedlichen Akteure innerhalb der Gesundheitsbranche erheblich verbessern. Das ist das Ergebnis eines Modellprojekts zur Sektoren übergreifenden Versorgung, das der Sozialminister Manne Lucha (Grüne) am Montag vorgestellt hat.

In den vergangenen zwei Jahren war in den drei Kreisen Biberach, Reutlingen und Ravensburg anhand ausgewählter Krankheitsbilder untersucht worden, wie die Versorgung ist, wie sie idealerweise sein sollte und welche Schritte notwendig wären, dies zu erreichen. Das Projekt war von den Universitäten Heidelberg, Frankfurt und Stuttgart begleitet worden. Dabei waren von Patienten und ihren Angehörigen über Schulsozialarbeiter bis zu Hausärzten und Sozialversicherungsträgern alle Akteure eingebunden. Das Land investiert dafür eine Million Euro.

Lucha will Anspruch auf Entlassmanagement

Heraus kam: Zu oft weiß der eine nichts vom anderen. Etwa bei krankhaften Essstörungen sei „die Zusammenarbeit zwischen Kinderärzten, Hausärzten und Psychiatern ausbaufähig“, sagte Gottfried Roller, der Projektkoordinator und Leiter des Reutlinger Kreisgesundheitsamtes. Der Minister forderte eine neue Form der Zusammenarbeit, die Kommunikationslücken etwa zwischen Ärzten, Kliniken, zwischen Pflegeeinrichtungen und Rehadiensten oder Beratungsstellen schließen soll. Zu oft hapere es zudem an den Übergängen zwischen stationärer zur ambulanten Behandlung. Noch vor der Sommerpause soll der Landtag über ein neues Landespflegestrukturgesetz abstimmen, das unter anderem einen Anspruch auf Entlassmanagement vorsehe. Die Behandlungspläne von Patienten in Krankenhäusern dürfen dann nicht mehr bei der Entlassung enden, sondern müssen die weitere Therapie berücksichtigen. Das stationäre Angebot für Demenzkranke und Schlaganfallpatienten müsse in den nächsten Jahren ebenfalls verbessert werden.

Vor allem in strukturschwachen, ländlichen Regionen könnten so genannte Primärversorgungszentren das Gesundheitssystem von heute sinnvoll weiter entwickeln. Darin würden alle Dienste gebündelt und digital vernetzt: von der Prävention über die sozialen Dienste, Pflegebereiche, Hausärzte oder Therapeuten. Solche Zentren sind in Schweden, Kanada und den USA üblich. Die Robert-Bosch-Stiftung fördert zudem seit 2017 bundesweit fünf solcher Zentren, darunter eines im Kreis Calw und eines in Hohenstein im Kreis Reutlingen.

Kooperation leidet schon unter standesrechtlichen Hürden

Wie schwierig die Kooperation im Gesundheitssektor ist, habe sich in Hohenstein an einem ganz profanen Problem gezeigt: Die Einrichtung des Zentrums wäre beinahe an einem gemeinsamen Wartezimmer für Arzt und Physiotherapeut gescheitert, weil dem standesrechtliche Vorschriften widersprachen, erzählt der Minister. „Jeder Bürger soll zum richtigen Zeitpunkt die richtige Behandlung bekommen“, so Lucha. „Ohne eine Vertrauenskultur können wir das aber nicht umsetzen.“