Daimler-Chef Dieter Zetsche stellt am Dienstagabend in Stockholm den Mercedes-Benz EQC vor. Dieser ist das erste Modell von Daimlers neuer Elektroauto-Familie. Foto: AFP

Der Autobauer stellt das erste Modell seiner neuen Elektroauto-Familie vor. In den nächsten zehn Jahren will Daimler mehr als elf Milliarden Euro in neue Elektromobile und Batteriefabriken investieren. Der Betriebsrat fordert die Produktion von E-Antrieben in Daimler-Werken.

Stockholm - D

aimler-Chef Dieter Zetsche gibt bei der Weltpremiere des Mercedes-Benz EQC in Stockholm einen ungewohnten Einblick in seine Gemütslage. „Ich habe diesem Tag schon etwas entgegengefiebert“, sagt Zetsche und erinnert daran, dass er vor zwei Jahren auf dem Pariser Autosalon die Fahrzeugstudie Generation EQ als Vorboten einer neuen rein elektrisch angetriebenen Modellfamilie vorgestellt habe. „Mit dem EQC als ersten vollelektrischen SUV von Mercedes-Benz legen wir den Schalter um.“ Der Elektroantrieb sei ein wichtiger Baustein der Mobilität der Zukunft. „Daher investieren wir in den nächsten Jahren mehr als zehn Milliarden Euro in neue EQ-Produkte und über eine Milliarde in die Batterieproduktion“, so Zetsche.

Die Käufer müssen sich allerdings noch bis „früh im nächsten Jahr“ für die ersten Bestellungen gedulden, so der Daimler-Chef. Erst zur Jahresmitte aber sollen die ersten Wagen ausgeliefert werden. Die Händler wären lieber früher gestartet, räumt Zetsche ein und begründet den geplanten vorsichtigen Anlauf der Produktion mit der neuen Technologie. Mercedes-Produktionschef Markus Schäfer erläutert am Rande der Premiere, dass der Engpass vor allem die Koordination der zahlreichen Zulieferer für das Batteriesystem sei. Die Zellen, die elektronische Steuerung und das Gehäuse werden im Daimler-Werk Kamenz zum Batteriesystem zusammengebaut.

Der neue Mercedes-Benz EQC wird hierzulande im Daimler-Werk Bremen produziert, wo unter anderem auch der Geländewagen GLC vom Band läuft, mit dem das Elektroauto technisch einiges gemeinsam hat. „Mit der Entscheidung, Elektrofahrzeuge auf einer Linie mit Modellen mit Verbrennungsmotor zu produzieren, können wir flexibel auf die Nachfrage reagieren und unsere Werke optimal auslasten“, sagt Produktionschef Markus Schäfer. Früh im nächsten Jahr solle die Produktion in Bremen anlaufen, Peking folge einige Monate später. Weitere EQ-Autos von Mercedes-Benz sollen auch in Sindelfingen, Rastatt, im Smart-Werk Hambach sowie im US-Werk in Tuscaloosa vom Band laufen. Dies wird aber erst ab 2020 erwartet.

Im vergangenen Sommer wurde nach einer heftigen Auseinandersetzung zwischen Management und Arbeitnehmerseite vereinbart, dass für die ab 2020 anlaufenden Modelle auch Komponenten im Daimler-Werk Untertürkheim produziert werden. Dabei geht es je nach Fahrzeugtyp unter anderem um Batteriesysteme sowie den Zusammenbau und die Montage der Hinterachse sowie des vorderen Antriebsmoduls. Im Juli wurde die Kapazität für die Batteriemontage nochmals aufgestockt.

„Wir haben als Aggregatewerk einen wichtigen Einstieg in die neuen Antriebstechnologien geschafft“, sagt der Untertürkheimer Betriebsratschef Wolfgang Nieke. Derzeit arbeiten Daimler-Entwickler an einem kompletten eigenen elektrischen Antriebssystem, das nach dem Wunsch des Betriebsrats in Untertürkheim hergestellt werden könnte. Eine Produktionsentscheidung ist aber noch nicht gefallen. Bis jetzt kommt das Antriebssystem von Zulieferern. „Der Betriebsrat wird sich weiterhin dafür einsetzen, dass die Antriebskomponenten aus den deutschen Werken kommen“, sagt Nieke und fordert, dass der Betriebsrat frühzeitig vor Entscheidungen einbezogen werde, „um langfristig den Wandel hin zu mehr elektrifizierten Antrieben ohne Beschäftigungsverluste zu schaffen“.

Zetsche zeigt sich zuversichtlich, dass das neue Elektroauto EQC Kunden anderer Marken erobern werde. Zum Preis will er sich noch nicht äußern. Der Preis werde „sehr wettbewerbsfähig“ sein, sagt Zetsche. Spekuliert wird über etwa 70 000 Euro. Bis zum Jahr 2022 wollen die Stuttgarter unter dem Namen EQ mindestens zehn Stromer auf den Markt bringen, davon drei der Marke Smart. Bis 2025 sollen 15 bis 25 Prozent aller verkauften Autos der Stuttgarter einen Elektroantrieb haben. Derzeit gibt es nur den Smart als E-Mobil.

Auch die anderen deutschen Autobauer stehen unter Strom

Auch die anderen deutschen Autobauer stehen in den Startlöchern. Die Produktion des ersten batteriebetriebenen Modells von Audi ist an diesem Montag im Brüsseler Werk der VW-Tochter angelaufen. Die Weltpremiere soll am 17. September in San Francisco stattfinden, die ersten Autos sollen laut einer Sprecherin des Unternehmens noch 2018 ausgeliefert werden. Porsche entwickelt derzeit den Taycan als erstes rein elektrisches Modell der Marke, das Ende 2019 auf den Markt kommen soll. VW bereitet unter dem Namen I.D. den Start einer neuen Elektro-Familie vor, deren erstes Modell für 2020 angekündigt ist. BMW will den kompakten Stromer i3 Ende 2019 um einen elektrischen Mini und 2020 um den batteriebetriebenen Geländewagen X3 ergänzen.

Nach einer Studie des Forschungsinstituts Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach ist der US-Autobauer Tesla derzeit das innovationsstärkste Unternehmen im Bereich der Elektromobilität, gefolgt von Renault und Nissan. „Bisher liegt Daimler bei der Wettbewerbsstärke bei Elektroautos nicht ganz vorne“, sagt CAM-Chef Stefan Bratzel. „Mit Ausnahme von Smart hat man die Bedeutung der Elektromobilität erst spät erkannt und nicht mit der notwendigen Konsequenz vorangetrieben“, sagt Bratzel. Der Rückstand könne aber aufgeholt werden. „Ich glaube, dass Daimler gute Chancen hat, Tesla mit den neuen Modellen Konkurrenz zu machen“, meint der Autoexperte.