Das französische Model Isabelle Caro ist an den Folgen ihrer Magersucht gestorben. Foto: dapd

Die „Vogue“ will auf Magermodels verzichten, doch Designer setzen weiter auf Kleidergröße null.

New York/Hamburg - Alle internationalen Ausgaben der Modezeitschrift „Vogue“ haben sich einer „Gesundheitsinitiative“ angeschlossen und wollen künftig auf Magermodels verzichten. Die „Vogue“ sei davon überzeugt, dass Schönheit und Gesundheit zusammengehören, erklärte der Vorsitzende des Verlags Condé Nast, Jonathan Newhouse. Zwar stand erst vor wenigen Monaten die italienische Ausgabe der Zeitschrift selbst in der Kritik für eine Fotostrecke mit dem ebenso angesagten wie abgemagerten Model Karlie Kloss – doch damit soll ab Juni Schluss sein. Die Chefredakteurinnen der „Vogue“ unterzeichneten einen Sechs-Punkte-Kodex, in dem sie sich verpflichten, keine Models mehr abzulichten, die unter 16 Jahre alt sind oder an Essstörungen leiden – zumindest nicht wissentlich.

„Wir reden hier von einem Verzicht auf Zero-Size-Models, aber nicht davon, dass die Mädchen künftig mit Kleidergröße 44 auf den Laufstegen laufen“, sagt Louisa von Minckwitz, Ex-Model und Inhaberin der Modelagentur Louisa Models. Dass die Mädchen in der „Vogue“ künftig mindestens 16 Jahre alt sein müssen, begrüßt die Agentur-Chefin. In ihrer Agentur werden Mädchen ab 15 Jahren aufgenommen. Diese dürfen aber nur wenige Aufträge in den Ferien annehmen und sollen die Schule beenden.

Doch von Minckwitz glaubt nicht daran, dass mit der Initiative der „Vogue“ – trotz des Einflusses der Zeitschrift – eine komplette Trendwende in der Modewelt eingeläutet wird. „Designer wollen keine kurvigen, sexy Models, die mit ihrer Figur von den Kleidern ablenken. Für sie sind Models einfach nur Kleiderständer“, sagt von Minckwitz. Seit über 10 Jahren würden Designer ihre Musterkollektionen in immer kleineren Größen schicken und damit die Kleidergrößen der Models diktieren. So reagierte auch Designer Marc Jacobs prompt auf die „Vogue“-Initiative und erklärte, dass er nichts davon halte. Probleme wie Essstörungen könne man seiner Meinung nach nur mit Aufklärung und spiritueller Gesundheit bekämpfen, jedoch nicht mit Verboten.

Tragische Todesfälle in der Modebranche

Neu ist die Idee der „Vogue“ nicht. Kritik und Diskussionen lösen die Hungerhaken auf den Laufstegen schon lange aus, vor allem nach mehreren tragischen Todesfällen: Im August 2006 starb das 22-jährige Model Luisel Ramos kurz nach einer Modenschau. Die Todesursache war ein Herzinfarkt, nachdem sie mehrere Tage lang nichts gegessen hatte. Zwei Monate später hungerte sich die Brasilianerin Ana Carolina Reston Macan zu Tode. Kaum sechs Monate nach dem Tod ihrer Schwester Luisel starb auch die 18-jährige Eliana Ramos – vermutlich ebenfalls an den Folgen von Magersucht. 2010 verlor Isabelle Caro, die zuvor mit Nacktaufnahmen ihres völlig ausgemergelten Körpers die Welt schockiert hatte, den Kampf gegen die Essstörung. Mit der Fotokampagne wollte sie ein abschreckendes Beispiel geben und vor Magersucht warnen.

Die Frauenzeitschrift „Brigitte“ verzichtet bereits seit 2010 als erstes Magazin komplett auf Profi-Models. Neben einer stärkeren Leserbindung wollte die „Brigitte“ eine Revolution gegen das von der Modeindustrie diktierte Schönheitsideal starten. Das Problem dabei war, dass junge Frauen nur selten „Brigitte“ lesen und die „Mode-Revolution“ daher an ihnen vorbeigegangen sein dürfte.

Erfolgreiche Werbekampagne von Dove ohne Models

Dagegen erreichte die 2004 gestartete Werbekampagne „Keine Models, aber straffe Kurven“ von Unilever für die Produktreihe Dove eine breite Masse. „Wir haben damals viele Briefe und E-Mails bekommen von Frauen, denen die Kampagne aus dem Herzen sprach“, sagt Karin Klamer, Brandmanagerin bei Dove. Nach einer Umfrage des Unternehmens störte 70 Prozent der Frauen das unnatürliche Schönheitsideal, das in der Werbung gezeigt wird. Die Kampagne war für das Unternehmen erfolgreich, der Umsatz der Dove-Produkte stieg laut Klamer um eine zweistellige Prozentzahl. „Wir denken, dass Werbe-Aktionen in der Gesellschaft etwas verändern können. Die Basis für eine Veränderung ist allerdings die öffentliche Diskussion“, sagt Klamer.

Dabei ist die Annahme, dass Frauen sich mit molligeren Models in der Werbung wohlerfühlen, nach einer 2010 veröffentlichten Studie der Arizona State University, der Erasmus-Universität in Rotterdam und der Universität Köln falsch. Demnach haben fülligere Models einen negativen Einfluss auf das Selbstwertgefühl der potenziellen Käuferinnen. Während sich dünne Frauen mit den molligen Mannequins nicht identifizieren konnten, suggerierten Plus-Size-Models fülligeren Frauen, dass sie zu dick sind. Am stärksten negativ reagierten aber normalgewichtige Frauen. Während sie sich beim Anblick schlanker Frauen gut fühlten, sank ihr Selbstbewusstsein beträchtlich, als ihnen mollige Frauen gezeigt wurden.

„Professionelle Models werden nicht vollständig von Amateur-Models ersetzt“, ist sich von Minckwitz sicher. „Es wäre aber schön, wenn der Trend wieder zu Frauen mit gesunden Körpern gehen würde.“ In Deutschland wären die Magermodels ohnehin nicht gefragt.