Im grünen Dirndl werden hochgeschlossene Blusen mit Spitzen getragen. Auch der Mann bevorzugt Grün. Foto: Angermaier

Chic mit gutem Gewissen ist schöner: Selbst auf dem Wasen sollen Dirndl öko sein. Unser Kolumnist stellt die Modetrends fürs Volksfest vor. Hochgeschlossene Blusen mit Spitzen sind gefragt. Wer es traditionell liebt, trägt Schwabentracht.

Stuttgart - Rosa oder blau? Kurz vor dem Start des Cannstatter Volksfestes gibt’s beim Discounter für nur 25,95 Euro ein Dirndl made in Fernost in zwei Farben. Diese Schnäppchenstoffe eignen sich besonders zur Kostümierung von Wasenfans, die es nach oben drängt.

Unter dem Motto „Lieber auf der Bierbank stehen als unter dem Tisch liegen“ verbringen sie den ganzen Abend hüpfend, gröhlend und erhobenen Hauptes im Stand mit ihren Lederhosenkumpels. Hier gilt der alte Wasenhit: „Marmor, Stein und Eisen bricht, aber die Bierbank nicht.“

Juhu, bald geh’n die verrückten Tage los! Die Tracht sorgt für ein Gemeinschaftsgefühl. Und dennoch gibt es feine Unterschiede am Neckar entlang, sobald am Freitag, 28. September, das erste Fass angestochen ist. Viele Besucher können es sich nicht leisten, in der billigsten aller denkbaren Bierfestverkleidungen zu erscheinen. Traditionalisten würden sonst die Nase rümpfen. Diese Saison ist eine ganz besondere. Gefeiert werden 200 Jahre Frohsinn! Da erinnert man sich an die Vergangenheit. Wer was auf sich hält, fühlt sich gleichzeitig der Zukunft verpflichtet.

Immer mehr denken beim Shoppen ökologisch

Ohne Nachhaltigkeit wird es schwer mit der Zukunft. Erfreulicherweise wächst beim Shoppen die Nachfrage nach Fair-Trade-Kleidung, was erstmals bis auf den Wasen durchschlägt. Axel Munz, der Chef des Trachten-Primus Angermaier, sieht sich beim Oktoberfest in München wie beim Cannstatter Volksfest als Vorreiter eines Trends. „Bei unseren Kunden spüren wir, dass immer mehr auf Umwelt achten und ökologisch denken“, sagt er und freut sich darüber sehr. Es sei ihm ein Anliegen, diesen nachhaltigen Weg zu gehen und von den Knöpfen bis zu den Schürzen in seiner Greenline-Kollektion zu hundert Prozent die Bedingungen für das Öko-Tex-Zertifikat zu erfüllen. Die Devise also lautet: Grün auf den Wasen! Ein Grüner ist es auch, der das erste Fass ansticht. OB Fritz Kuhn hat dies vor einem Jahr mit vier Schlägen geschafft.

Wenn man nur mit vier Schlägen den Klimawandel stoppen könnte! Doch jetzt kann man wenigstens chic mit gutem Gewissen feiern. Ein weiterer Dirndl-Trend lautet: hochgeschlossen! Schon vor einem Jahr ist dies aufgefallen. „Hochgeschlossen bedeutet nicht, dass Frauen nichts zeigen können“, stellt Munz klar, „der V-Ausschnitt lässt die Sicht auf das Dekolleté sehr wohl zu.“ Vielfach würden hochgeschlossene Dirndlblusen getragen, die mit transparenter Spitze „sehr sexy“ seien. Ohne erotische Signale geht’s auch bei Krüger nicht. Der in Stuttgart mit einem Laden vertretene Trachtenhersteller aus Wernau setzt auf Influencerin Caroline Einhoff. In ihrer Kollektion zelebriert sie die Mädchenfarbe Rosé. Wichtig sind ihr der „richtige Push-Up-BH, eine hübsche Bluse und Schattierung mit Puder“.

Schwabenkollektion setzt auf Tradition

Bei Krüger gibt es zum 200-Jahr-Jubiläum des Volksfestes erstmals eine Schwabenkollektion, die auf württembergischen Traditionen beruht. Als Vorlage fürs Damengewand dient die barocke Cannstatter Frauentracht. Bei den Herren sind Form und Reliefstickerei der Lederhosen den Originalen aus Betzingen und dem Calwer Wald nachempfunden. Auch hier gilt: produziert wird nachhaltig in der Region, nicht in Fernost zu unwürdigen Bedingungen

Kommen Kopf und Verstand auf dem Wasen im Jubiläumsjahr mit Vorreitern in schicker Ökomode groß raus? Wenn sich das Gute durchsetzt und das so weitergeht, werden womöglich auch noch Göckele tabu, die in für sie qualvoller Massentierhaltung gezüchtet werden. Garantiert lässt sich das schlechte Gewissen aber auch rasch ertränken. An Bier mangelt es auf dem Volksfest traditionell nicht.