Nadira Khalikova kämpft mit ihrem Modelabel "My little Bukhara" für Frauenrechte in Usbekistan. Foto: Christian Müller

Nadira Khalikova aus Reutlingen kämpft für die Frauen in Usbekistan. Und das auf eine ganz besondere Art: mit ihrem eigenen Modelabel "My little Bukhara". Sie setzt sich mit ihrer Arbeit für Frauenrechte und Nachhaltigkeit in der Modeindustrie ein.

Reutlingen/Oberndorf - Häusliche Gewalt, patriarchale Strukturen und mangelnde Anerkennung prägen bis heute das Leben der Frauen in Usbekistan. Von Gleichberechtigung fehlt noch jede Spur.

Khalikova ist selbst in Usbekistan geboren. Nachdem sie in ihrem Heimatland Germanistik und Literatur studiert hat, kam sie 2015 nach Deutschland, um ihren Master im Studienfach internationale Beziehungen zu absolvieren. Seitdem sie in Deutschland lebt, habe sich ihr Blick auf die usbekische Kultur sehr verändert, erzählt die 29-Jährige im Gespräch mit dem "Schwarzwälder Boten". Erst 2018, nachdem sie zwei Jahre nicht in ihrer Heimat gewesen ist, sei ihr aufgefallen, wie sehr sich das Leben der Frauen dort von dem Leben der Frauen in Deutschland unterscheide.

Wie lässt sich die Situation der Frauen in Usbekistan verbessern?

"Wie kann ich den Frauen helfen, wenn ich in Deutschland lebe?", fragte sich die gebürtige Usbekin. Für Khalikova begann zu diesem Zeitpunkt ein Prozess. "Mir ist bewusst geworden, was es heißt, eine usbekische Frau zu sein." Sie hinterfragte nicht nur ihre eigene Persönlichkeit und Herkunft, sondern machte sich Gedanken darüber, wie sie die Situation der Frauen in ihrem Heimatland verbessern kann. Zu Beginn versuchte die 29-Jährige, ihre Gedanken in einem Blog niederzuschreiben. Allerdings merkte sie schnell, dass dies in der Praxis den Frauen in Usbekistan nicht wirklich hilft. 

Nachdem sie mit dem Blog den Grundstein für das Start-up gelegt hatte, entstand die Idee, ein eigenes Modelabel zu gründen. Ein Label, dass die usbekische und westliche Welt verbinden soll. Eine Marke für die unterdrückten Frauen in Bukhara - der Heimatstadt von Khalikova. Kleidung, die die Geschichten der Frauen hinter dem Label erzählen soll. Dazu motiviert hatte sie die Erinnerung an das Gespräch mit der usbekischen Schneiderin Guli. Als Versuch kreierte Khalikova eine eigene kleine Mode-Kollektion mit nur sieben Teilen. "Ich wollte erstmal schauen, wie das in Deutschland überhaupt ankommt", so Khalikova. So entstand im Februar 2020 der Online-Shop "My lilltle Bukhara". Und das mit Erfolg. "Nach drei Wochen war alles ausverkauft."

Nachhaltige Farben und Stoffe

Nachhaltige Mode, die usbekischen Frauen ein freies und finanziell unabhängiges Leben ermöglicht - das ist die Mission von Khalikova. In die Lieferkette sind nur Frauen involviert. Die restlichen Arbeitsschritte übernimmt die 29-Jährige selbst. Sie entwirft, nimmt Kontakt mit den Kundinnen auf und gestaltet den Online-Shop. In puncto Finanzen und Content-Erstellung wird sie von ihrem Freund aus Stuttgart unterstützt. In Usbekistan ist Khalikovas Mutter die Ansprechpartnerin für die Schneiderinnen, sie übernimmt den Qualitätscheck der Kleidung vor Ort und versendet die fertigen Produkte dann nach Deutschland. 

Das Besondere an der Mode sind die einzigartigen Farben und Stoffe. Auch Nachhaltigkeit steht für die junge Unternehmerin an vorderster Stelle. Deshalb habe sie sich für den traditionellen Stoff "Ikas Adras" entschieden - dieser gehört zu Usbekistans Unesco-Kulturerbe. Der Stoff besteht aus usbekischer Baumwolle und Seide, wird von Hand gewebt sowie nur mit natürlichen Mitteln gefärbt. "Für die Farbe Gold werden zum Beispiel getrocknete Granatapfelschalen zum Färben verwendet", erklärt Khalikova. 

Nachhaltig ist das Slow Fashion Start-up auch darum, weil die Kleidungsstücke nur in zwei bis drei gängigen Größen produziert werden. Um eine Überproduktion zu verhindern, bietet das kleine Unternehmen überwiegend maßgeschneiderte Mode an. "Jedes Kleidungsstück ist ein Unikat, weil die Handarbeit so einzigartig ist wie die Schneiderinnen selbst", heißt es auch auf der Website des Modelabels.

Gefühl der Zugehörigkeit

Kommt die Mode auch in Usbekistan gut an? "Der europäische Geschmack ist in Usbekistan inzwischen sehr beliebt", sagt Khalikova. Allerdings werde diese Kleidung dort ausschließlich zu besonderen Anlässen wie einer Hochzeit oder einem Jubiläum getragen, da die Stoffe für die Einheimischen recht teuer seien.

Mittlerweile hat Khalikova durch ihre Arbeit das Gefühl der Zugehörigkeit entwickelt. Sie ist stolz darauf, ein Teil der Gemeinschaft zu sein und die Möglichkeit zu haben, den usbekischen Handwerkerinnen und ihrer Arbeit eine Bedeutung geben zu können. Als Nächstes möchte die 29-Jährige wieder in ihre Heimat reisen, um einen kleinen Dokumentarfilm zu drehen. Für den Sommer sei definitiv eine zweite Kollektion geplant.