Nicht nur Mode gibt’s, sondern auch lustige Figuren Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Zwei machen Mode, die Dritte filzt, und die Vierte hat sich auf Digitaldruck spezialisiert. Ein Quartett in der Liststraße im Süden der Stadt zeichnet sich durch Originalität aus.

Stuttgart - Hier erlebt die gute alte Kittelschürze eine zweite Karriere. Als Rock, verziert mit einem Spitzendeckchen, wie es ehemals im Brotkorb lag. Längst ausgemustert war auch der Vorhang mit dem blumigen 50er-Jahre-Design, der nun als Rock mit der Schriftbordüre „Was kaufe ich ein?“, ausgeschnitten aus einem Küchentuch, zum witzigen Hingucker wurde.

Selbst einem Bettbezug gönnt Katja Kathleen Waibl einen neuen modischen Auftritt als Sommerkleid mit Flügelärmeln. „Es war einmal“ heißt das Label an den „Kleidern mit Geschichte“ der 45-jährigen Modedesignerin. „Es ist mir immer schwergefallen, mich von Klamotten zu trennen“, erklärt sie die Motivation für dieses modische Recycling. Vor allem wenn die Stoffe noch tadellos seien. Zu schade für den Müll.

Unikate, die nicht jeder besitzt

Stattdessen setzt sie radikal die Schere an, verwandelt Herrenhemden und Pullover für Kindermode in Hängekleidchen und mixt das Ganze munter mit neuen Ärmeln oder witzigen Aufnähern. Unikate, die nicht jeder besitzt und in denen sich auch Tochter Mia, jetzt 13, gefällt. Gleichzeitig ein Signal gegen die Ex- und-hopp-Manier und unverantwortliche Verschwendung in unserer Gesellschaft. „Ich bekomme oft Dinge aus Haushaltsauflösungen“, erzählt Waibl. Und hört dann nicht selten von älteren Kundinnen, dass die Idee so neu nicht ist. „Wie nach dem Zweiten Weltkrieg“, heißt es dann.

Da war es freilich der Not geschuldet, dass aus Militärmänteln Kostüme und aus Bettwäsche die hübschsten Sommerkleider entstanden und Röcke einfach immer wieder mit einer verlängernden Bordüre dem Wachstum der Tochter angepasst wurden. (www.eswareinmal.info)

Heike Ehrat ist eigentlich Textilweberin. Mit Meisterbrief. Aber in ihrer Werkstatt steht kein Webstuhl, sondern eine Druck-maschine. Denn sie hat auch noch ein Studium in Textildesign an der Stuttgarter Kunstakademie absolviert und sich seit 19 Jahren auf Digitaldruck spezialisiert. „Eine große Erleichterung gegenüber dem Sieb-und Rotationsdruck, bei dem viele Arbeitsgänge nötig waren“, erklärt die 50-Jährige.

Fische sind zurzeit die Lieblingsmotive

Surrend fährt der Druckkopf mit den Tintenstrahl-Farbtöpfen über den Stoff hin und her. Und was kommt zum Vorschein und nimmt immer deutlicher bunte Kontur an? Ein Zackenbarsch. Denn Fische sind zurzeit Heike Ehrats Lieblingsmotive: die getüpfelte Forelle, der Goldfisch, der Zackenbarsch, rot leuchtend mit blauen Tupfen, der Papageienfisch, der seinen Namen dem bunten Schuppenkleid in Blau, Rot und Grün verdankt, und Garnelen, die sie im eigenen Aquarium studieren kann.

„Den Papageienfisch habe ich eigens in der Markthalle bestellt und dann als Vorlage eingescannt“, lacht die Künstlerin.

Der Fisch selbst wurde anschließend im Salzmantel zubereitet: „Köstlich!“ Sein Konterfei aber ziert Küchentücher oder Kissen in allen Größen. Man kann natürlich das gewünschte Motiv auch selbst liefern: das Lieblingsfoto vom Nachwuchs, eine Venedig-Impression für einen Vorhang-Schal oder die meisterliche Aufnahme von rosafarbenen Magnolienknospen. Vielleicht für ein Sommerkleid? Blumenmuster sind gerade hochmodisch. Noch aktueller sind freilich die Zuckerhasen, abgekupfert beim Bäcker Frank in der Nachbarschaft. (www.mimikry.com)

Manuelle Behandlung mit Reiben, Reißen und Walken

Dicke Stränge von Schafwolle, bunt gefärbt, aber noch ungesponnen, warten in der Werkstatt von Kathrin Großmann auf ein warmes Seifenbad. Und eine kräftige manuelle Behandlung mit Reiben, Reißen und Walken. „Diese Prozedur ist nötig, damit sich die Fasern verhaken und der komprimierte Filz entsteht“, erklärt die Kunsttherapeutin. Ein Material, das lange ein bescheidenes Dasein als nützliche Unterlage, zum Beispiel für Biergläser, fristete und es nun ins Rampenlicht der Mode geschafft hat. „Filz ist ein wunderbares Material“, schwärmt auch Kathrin Großmann.

Man könne so viel daraus machen, von Taschen über Hausschuhe bis zu schmückenden Blüten-Accessoires oder einem Mobile. Sie hat sich, nicht zuletzt für ihre Arbeit in einem Kindergarten, auf Fingerpuppen spezialisiert. Ein bezauberndes Ensemble aus Prinz und Prinzessin, Zwergen, Fuchs, Reh und Hase oder einer Eistüte. Detailgetreu und perfekt ausgearbeitete Miniaturen, die in Kathrin Großmanns gefilzten Bilderbüchern Hauptrollen spielen. Kunstwerke die ihren Preis haben, aber bereits als Sammlerstücke begehrt sind. (www.faser-verbund.de)

"Ich liebe ausgefallene Schnitte"

Unkompliziert, ohne Chichi, scheinbar fast simpel ist die Kollektion der Modedesignerin Manuela Dörr, die als vierte im Bunde hier ihr Atelier samt Stoff-Lager etabliert hat. „Ich liebe ausgefallene Schnitte mit speziellen Details“, verweist die 47-Jährige auf raffiniert eingesetzte Faltenwürfe oder überraschend gesetzte Stepperei. Stoffe mit Metalleffekt verleihen den schwingenden Röcken Glamour, für Kleider und Tops bevorzugt sie fließenden Trikot, besonders geeignet für Raffungen und attraktive Ausschnitte. „Wichtig ist mir die gute Passform, die eine Figur positiv unterstreicht“, betont Manuela Dörr. Auch bis Größe 44. Zum Preis zwischen 60 und 120 Euro. (www.vanouken.de)

Vielfalt und kreatives Kunterbunt: Das ist der Reiz der Südstatt in der Liststraße. Ein kleines Bollwerk gegen Massenproduktion und modisches Einerlei.