Auch so kann man auf den Wasen gehen. Foto: /Abseits

Wenn der Stuttgarter Modehero Winni Klenk das Volksfest besucht, vermisst er die Vielfalt. Auf dem Wasen präsentiert er eine Modeshow gegen den Dirndlzwang. „Der Wasen gehört nicht nur den Trachtenfans“, sagt er und wirbt für „neue Lockerheit“.

Das Erdige, das Kernige, das Fesche und Alpenländische ist nach Wiesn-Vorbild vor vielen Jahren am Neckarufer gestrandet. Datiert wird der Hype aufs Jahr 2000: Damals bat Netzwerkerin Karin Endress zur allerersten Trachtenparty in eine Grandl-Loge. „Früher kam man sich komisch vor, wenn man eine Lederhose auf dem Volksfest trug“, sagt der scheidende Festwirt und Trendsetter Hans-Peter Grandl, „heute hat man ein komisches Gefühl ohne Tracht.

Schöne Grüße vom Fasching. Alle verkleiden sich, was den Verlauf eines Festes prägt. Mit Kostümen traut man sich mehr. Und der einheitliche Look fördert obendrein das Gemeinschaftsgefühl. Man könnte es auch so formulieren: Die Lederhose trägt man, wie man eine Krawatte trägt, also um dazuzugehören.

Auch ohne Tracht kann man sich für den Wasen schick machen

Der ganze Cannstatter Wasen ist von jüngeren wie älteren Trachtenträgern besetzt. Der ganze Wasen? Nicht ganz. Auch ohne Dirndl und Lederhose kann es sehr lustig werden, wie sich am Dienstagabend in der Ta Os Lodge von Neu-Wirtin Martina Böhringer-Zinser im Dinkelacker-Zelt Klauss & Klauss gezeigt hat. Etwa 80 Prozent des Publikums ist dem Aufruf von Winni Klenk gefolgt und hat sich ohne Tracht schick gemacht. Der Chef von der Edel-Boutique Abseits am Kleinen Schlossplatz will mit seinem „Fashion Wasen“ einen Trend setzen. „Lange genug haben wir uns von den Bayern beeinflussen lassen“, sagt er, „dabei ist es besser, wenn die Vielfalt den Wasen erobert und sich jeder so schön kleidet, wie er will – ob mit oder ohne Tracht.“ Treffen sich bei ihm die „Trachtenhasser“ in der Loge? „Aber nein“, lautet seine Antwort, „viele meiner Gäste haben daheim zehn Dirndl oder Lederhosen und freuen sich, wenn sie mal individuell, sehr bunt aus der Wasenuniform ausbrechen können.“ Mit seiner Wasen-Offensive will Klenk erreichen, dass dies möglich wird.

Die Hosen werden weit und lässig getragen

Seine Trends des Herbsts und Winters, findet der Abseits-Mann, passen gut zum Feiern zwischen Riesenrad und Bierzelt: Die Hosen werden sehr weit getragen. Culottes heißen sie. Luftig und lässig sind sie. Erotisch eng anliegend sind die Hosen nicht mehr, sondern erinnern an einen Hosenrock. Oder man kommt „rockig mit Dinner-Sakko“, wie Klenk sagt. Bunt wird der Winter, der hart werden kann. Beliebt sind außerdem dicke Strickjacken, um in der Energiekrise nicht zu frieren. Nicht nur die Strompreise steigen. Auch für gute Kleidung muss man etwas mehr ausgeben. Laut Winni Klenk liegt dies daran, dass die Kollektionen nun in Europa hergestellt werden, nicht mehr in Fernost. China ist als Lieferant weggefallen. Der Winter erscheint bedrohlich zu werden. Mit der Lockerheit der Mode will die Boutique Abseits dagegensetzen – und gleich noch den Wasen zu mehr Buntheit „weiterentwickeln“.

Die Diversität hat am Donnerstag einen weiteren Anlaufpunkt: Im Wasenwirt-Zelt feiert die Rainbow-Community die Party Gaydelight (Beginn um 17 Uhr), wie seit über 25 Jahren. Dies wirkt anziehend weit über Stuttgart hinaus. Etwa 3000 Karten sind verkauft, aber es gibt noch welche für Kurzentschlossene. Die Interessengemeinschaft Christoph Street Day (CSD) Stuttgart ist mit dabei und sammelt mit dem Erlös einer Tombola für ihre ehrenamtliche Arbeit. SWR 3-DJ Michael Leupold will viele Dance-Klassiker spielen. – natürlich auch „YMCA“.