Ein gewohntes Bild: Stau auf der Autobahn 81 zwischen den Anschlussstellen Pleidelsheim und Ludwigsburg Foto: factum/Archiv

Der Regionalverband investiert in ein Konzept, das den Kollaps auf Autobahnen und Bundesstraßen im Raum Stuttgart verhindern soll – und Innenstädte entlasten. Dabei soll moderne Elektronik helfen.

Region Stuttgart - Stuttgart ist Stauhochburg. Aber auch die Kommunen in den Kreisen rund um die Landeshauptstadt ächzen unter der täglichen Verkehrsbelastung. Im Landkreis Ludwigsburg etwa sind die Staus zwischen Pleidelsheim und Feuerbach sowie eine verstopfte B 27 durch Ludwigsburg hindurch ein regelmäßiges Ärgernis für Pendler und Anwohner.

Der Verband Region Stuttgart möchte nun gegensteuern: Eine Mobilitätsplattform soll dabei helfen, die Fahrzeugströme zu lenken. Ein wichtiges Ziel ist es, die kommunalen Straßennetze vom Ausweichverkehr zu entlasten und dadurch auch die Umweltbelastung, die im Stop-and-Go-Verkehr besonders hoch ist, zu reduzieren. Das Konzept, dessen Umsetzung 9,5 Millionen Euro kostet, hat der Verband in diesen Tagen in den politischen Gremien der betroffenen Städte vorgestellt. Deren Kostenanteil ist abhängig von ihrer Größe: Die einmalige Investition kostet zum Beispiel Ditzingen 33 000 Euro, Ludwigsburg 80 000 Euro. Danach werden in Ditzingen jährlich 8700 Euro und in Ludwigsburg 36 000 Euro fällig.

Es soll eine neue regionale Verkehrsleitzentrale geben

„Nachdem wir geprüft haben, wo wir in der Region überhaupt etwas tun können, fragen wir nun die Bereitschaft der Kommunen ab“, sagt Jürgen Wurmthaler vom Regionalverband. Zugleich warnt der Leitende Direktor, der für die Verkehrswirtschaft zuständig ist, vor Blütenträumen: „Wir können den Verkehr nicht wegschaffen, aber wir können die moderne Elektronik nutzen, um den vorhandenen Verkehr besser zu leiten, wo dies möglich ist.“ Martin Schmid vom Verkehrsmanagement des Verbands sagt: „Wir wollen Verkehrsinformationen direkt ins Fahrzeug bringen.“

Eine wichtige Rolle wird dabei eine neue regionale Verkehrsleitzentrale spielen. In dieser Ring-Zentrale sollen Operatoren sitzen, die als Ansprechpartner der Polizei dienen und den Verkehr an Monitoren beobachten. Aktuelle Behinderungen wie Unfälle könnten sie rasch weitermelden.

Pförtnerampeln am Rand der Kommunen

Die Planer haben zwei Strategien entwickelt: Eine für die Hauptverkehrszeiten und eine, die angewandt werden soll, „wenn es zu unkoordinierten Verkehrsverlagerungen kommt“, wie Schmid sagte – meist infolge von Unfällen. Während der Stoßzeiten soll der überregionale Verkehr auf Schnellstraßen gehalten werden. Das will man beispielsweise durch Hinweise auf die Navigationsgeräte erreichen, die den Verbleib auf der Staustrecke trotz allem als kürzeste Reisezeit ausweisen.

Ein weiteres Mittel sind Pförtnerampeln am Rand der Kommunen, welche den Verkehr dosieren und Ausweichrouten unattraktiv machen. Nur in Nebenverkehrszeiten soll auch der überregionale Verkehr auf kommunale Straßen verlagert werden.

So kommen die Pläne in den betroffenen Kommunen an:

Ludwigsburg: Stadträte fordern Ausstiegsklausel

„Das war ein bisschen wenig“, sagte die Grünen-Stadträtin Christine Knoß nach der Präsentation der Mobilitätsplattform des Regionalverbands im Ludwigsburger Bauausschuss. „Sie haben uns nur gezeigt, wie man geschickt den Verkehr umverteilt, und sie sprechen von einer ,unkoordinierten Verkehrsverlagerung‘ – wer dort wohnt, nennt das die Hölle.“

Auch die übrigen Fraktionen störten sich am Begriff „freie Kapazitäten“: „Ich will die Autos nicht in der Stadt haben, auch nicht, wenn mal etwas Luft auf der B 27 ist“, sagte Daniel O’Sullivan (SPD). Offenbar beschränke sich das Konzept des Regionalverbands darauf, den Verkehr entweder von der Autobahn auf die Bundesstraße oder umgekehrt von der B 27 auf die A 81 zu lenken, kritisierte Reinhold Noz (CDU). Er sehe darin wenig Chancen auf Erfolg. Der Stau sei praktisch immer da, „und der wirtschaftliche Schaden ist riesengroß“. Noz plädiert stattdessen für einen Ausbau der Autobahn auf vier Spuren. „Es kann funktionieren“, meinte dagegen Gabriele Moersch (FW). „Es ist zumindest ein Baustein.“ Am Ende stimmten auch die Skeptiker im Ausschuss zu. Allerdings forderten sie eine Ausstiegsklausel: „Wir wollen eine Erfolgskontrolle“, sagte Noz. „Wenn wir sehen, dass es nichts bringt, müssen wir jederzeit aussteigen können.“

Leonberg und Ditzingen: Zustimmung für Leuchtturmprojekt

Auch die Kommunen Leonberg und Ditzingen leiden unter chaotischen Verkehrsverhältnissen, wenn auf der A 81 und der A 8 Stau ist und die Blechlawine sich andere Wege abseits der großen Straßen sucht. Was passiert, wenn vom Jahr 2020 an der Engelbergtunnel saniert wird, mag sich keiner ausmalen. In Ditzingen hat die Verwaltung aus allen Fraktionen breite Unterstützung für ihren Vorschlag bekommen, sich an der Mobilitätsplattform zu beteiligen, auch wenn der eine oder andere Volksvertreter Skepsis hinsichtlich der Wirkung des Leitsystems äußerte. Das Land hat das Leitsystem, das auch Empfehlungen zur Nutzung von Park-and-ride-Parkplätzen und S-Bahnen ausspricht, als Leuchtturmprojekt ausgewählt.

Auch der Planungsausschuss der Stadt Leonberg hat sich jüngst einstimmig für eine Beteiligung an der regionalen Mobilitätsplattform ausgesprochen. Das würde die Stadt rund 310 000 Euro kosten, hinzu kommen 40 000 Euro Betriebskosten pro Jahr. Für das Verkehrsleitsystem müssen einige neue Ampeln aufgestellt und in den Straßen Schleifen zur Verkehrserfassung sowie Kameras zur Überwachung des Verkehrs installiert werden. Die Grünphasen von Ampeln sollen beeinflusst werden können, wobei die Steuerungshoheit bei der Stadt bleibt.

Böblingen: Pförtnerampeln für die Innenstadt

Die Einrichtung der Mobilitätsplattform ist im Böblinger Gemeinderat einstimmig begrüßt worden. Reinhardt Schopf gab in der Sitzung einen Einblick in eine der Methoden, um die Auswirkungen von Staus in Siedlungsbereichen zu vermindern: Im Fall einer überlasteten A 81 solle der innerstädtische Verkehr mittels Pförtnerampeln möglichst am Fließen gehalten werden, erklärte der Fachmann von der Abteilung Verkehrs- und Stadttechnik im Böblinger Rathaus. Bei einem Stau auf der Autobahn würden sich die Autos und Lastwagen momentan auf allen Kreuzungen auf dem Weg in die Stadt stauen. „Jetzt sollen die Autofahrer auf der Autobahn gehalten werden“, erklärte er einen Aspekt des Plans.

Auch die Böblinger Kreisräte haben der Projektbeteiligung zugestimmt. Nun fehlt noch die Zustimmung der Stadt Sindelfingen, deren Mitwirkung sich Böblingen dezidiert wünscht. Dort stand das Thema regionale Mobilitätsplattform aber noch nicht auf der Tagesordnung. Die Stadt habe „grundsätzlich Interesse“, sich an der Verkehrsleitzentrale zu beteiligen, teilte Stadtsprecherin Nadine Izquierdo mit. Vertreter der Verwaltung seien an dem Prozess beteiligt und in den Arbeitsgruppen dabei gewesen. „Regionale Lösungsansätze für die Verkehrsproblematik finden wir sehr gut“, sagte sie.

Waiblingen/Fellbach: Geduld vor dem Kappelbergtunnel

Mit zusätzlichen Ampelanlagen, beispielsweise nahe der Abfahrten der B 14 und B 29, soll Waiblingen vom Schleichverkehr in Richtung Stuttgart und Remseck entlastet werden. Das Ziel ist es, den überregionalen Verkehr auf den Bundesstraßen zu halten. Mancher Gemeinderat hat Zweifel, dass das funktioniert. „Es müsste bei den Leuten ankommen, dass die, die auf die Verkehrsinfos hören, besser fahren“, sagte SPD-Rat Roland Wied. Das Gremium stimmte mit einer Enthaltung für eine Beteiligung an der Mobilitätsplattform, was einmalig 65 000 Euro und jährliche Betriebskosten von 17 000 Euro bedeutet. Später sollen auch Backnang und Schorndorf in die Plattform integriert werden.

Die Stadt Fellbach erhofft sich vor dem Hintergrund eines aus ihrer Sicht drohenden Stuttgarter Nordostrings Vorteile von einem regionalen Verkehrsmanagement. Betroffen ist die Stadt vor allem, wenn sich der Berufsverkehr vor dem Kappelbergtunnel staut oder wenn wegen eines schweren Unfalls auf der Bundesstraße viele Autofahrer den Umweg über das Stadtgebiet suchen. Durch Reisezeitinfotafeln und Pförtnerampeln soll der Zufluss so dosiert werden, dass einerseits die Innenstadt nicht komplett verstopft wird und andererseits nicht noch mehr Fahrzeuge auf die bereits belastete B 14 streben.