Mehr öffentlich, weniger privat – das ist die Empfehlung einer Studie für die Mobilität der Zukunft. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Eine Studie spielt die Folgen von unterschiedlichem Mobilitätsverhalten für das Klima durch und sieht schwarz für den Individualverkehr.

Stuttgart - Nach Meinung von Umweltexperten steht der Bevölkerung eine schwierige und schmerzhafte Diskussion über ihre Mobilitätsgewohnheiten bevor. Nur wenn die Menschen vom motorisierten Individualverkehr Abschied nähmen, ihre Wege verkürzten und überhaupt eine „neue Mobilitätskultur“ lebten, ließen sich die national und international vereinbarten Klimaschutzziele erreichen, lautet der Schluss der Studie „Mobiles Baden-Württemberg“. In Auftrag gegeben hat sie – angeregt vom Bund für Umwelt und Naturschutz (Bund) – die Baden-Württemberg Stiftung, deren Geschäftsführer Christoph Dahl sie am Montag präsentierte. Sie möge eine breite Diskussion in der Gesellschaft anstoßen, wünschten sich Dahl und die BUND-Landeschefin Brigitte Dahlbender.

Zündstoff birgt das 280-seitige Werk allemal, das gemeinsam vom Öko-Institut, dem Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO), dem Institut für sozial-ökologische Forschung und dem Imu-Institut erarbeitet wurde. Denn die Experten rechnen als Folge einer nachhaltigen Mobilität mit negativen Effekten für die Wirtschaft im Land – und zwar nach der Faustregel: je besser für das Klima, desto schlechter für die Beschäftigung. Das hänge davon ab, wie die Wirtschaft diese Transformation gestalte. „Es ist ein grundsätzlicher Strukturwandelin der Mobilitätswirtschaft nötig“, sagte Wiebke Zimmer vom Öko-Institut, eine der Autorinnen.

Nur mit dem Bürger

Weil dies die Landespolitik in ihrem Kern tangiert, hat die Baden-Württemberg Stiftung auch gleich die Chefs der beiden Regierungsfraktionen mit ins Boote geholt, um die Studie einzuordnen. Und Andreas Schwarz (Grüne) und Wolfgang Reinhart (CDU) hoben mehrfach die Chancen für den Südwesten hervor, die ein solcher Wandel berge. Das Elektroauto der Zukunft solle doch aus Baden-Württemberg kommen, nicht aus China, sagte Schwarz, im übrigen fördere man ja intensiv den öffentlichen Nahverkehr und Radschnellwege. Sein CDU-Kollege klang da zurückhaltender: „Dieser Transformationsprozess geht nur mit der Automobilwirtschaft und auch nur mit dem Bürger“, sagte Reinhart. Bevormundung bringe überhaupt nichts, man müsse den Autofahrern Angebote machen.

So sehen es im Grund auch die Wissenschaftler. „Eine nachhaltige Entwicklung der Mobilität kann dann erreicht werden, wenn deren Ziele und Notwendigkeiten von den Bürgerinnen und Bürgern getragen werden, indem diese ihr Mobilitätsverhalten verändern“, heißt es in der Studie. Nötig seien also Kommunikation, Dialog und Werbung, um das „gesamtgesellschaftliche Grundverständnis“ zu verändern. Aber auch „restriktive Maßnahmen“ schließen die Autoren nicht aus, wenn sie sagen: „Die Infrastrukturplanung muss auf Verkehrsberuhigung, Entschleunigung sowie den Verzicht auf weiteren Straßenbau ausgerichtet werden.“ Die Menschen müssten auch einen gewissen Druck verspüren, fügte Dahlbender hinzu.

Drei Szenarien

Im Einzelnen spielt die Studie drei Szenarien durch, wie die Mobilität in den Jahren 2030 und 2050 aussehen könnte. Diese stellen sie dann dem international vereinbarten Klimaschutzziel gegenüber, wonach die globale Erwärmung auf unter zwei Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau begrenzt werden soll. Im ersten Szenario ist das eigene, dann autonom fahrende Auto für die meisten Menschen verfügbar, deren Alltagsverhalten wird kaum tangiert. Im zweiten Szenario haben Autos ihren Symbolcharakter weitgehend verloren, es dominiert die Sharing-Kultur. Im dritten Szenario schließlich erleben die Menschen ein eigenes Auto „meist als zu aufwendig, unflexibel und teuer“. Ein neues, flexibles öffentliches Verkehrssystem habe sich zum Rückgrat einer Mobilität entwickelt, die für alle Generationen, Kulturen und sozialen Gruppen nutz- und bezahlbar sei, so die Annahme. Und eben diese „Neue Mobilitätskultur“ komme den ökologischen Zielen und der sozialen Nachhaltigkeit am nächsten.