Michael Lausterer mit einem kompakteren E-Lastenrad: „Viele Familien waren glücklich über diese Alternative“ Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Soll ein E-Lastenrad möglichst kompakt, handlich und platzsparend sein – oder möglichst multifunktional, sodass es einen Pkw ersetzten kann? Darüber gehen die Ansichten auseinander. Die Stadt hat allerdings klare Vorstellungen – und neue Förderrichtlinien für E-Lastenräder.

Stuttgart - Michael Lausterer scheut keine deutlichen Worte – und keine drastischen Bilder: „SUVs der West-Mamas“ oder wahlweise „Panzer“ nennt er E-Lastenräder mit Frontladung und einer Transportmöglichkeit, in der entweder Kinder oder Güter transportiert werden können. Diese wiederum bezeichnet er als „Kästen“.

Das Erstaunliche: Lausterer betreibt selbst einen Laden für E-Bikes – im Stuttgarter Westen. Und auch in seinem e-Radwerk an der Reinsburgstraße gibt es Lastenräder zu kaufen. Auch „SUVs für West-Mamas“. Aber eben auch andere E-Lastenräder, die kleiner sind und handlicher, wie er betont. Und ohne „Kasten“. Stattdessen kann man wahlweise keinen, einen oder zwei Kindersitze hinten darauf befestigen, zudem zwei Cargo Hold-Taschen und zusätzlich einen Frontträger. Wenn die Kindersitze abgebaut werden, kann man außerdem einen Heckträger anbringen.

„Nicht alle Familien können sich einen passenden Abstellplatz leisten“

Diese Räder erfreuen sich laut Lausterer großer Beliebtheit. „Das Lastenrad der Firma tern etwa wurde speziell für Familien entwickelt, die nicht so viel Platz haben“, sagt Lausterer. „Nicht alle Familien können sich gleich noch den passenden Abstellplatz leisten“. Im vergangenen Jahr hätten sich jedenfalls viele Familien sehr glücklich über diese Alternative gezeigt – und er habe auch sechs bis sieben solcher Räder verkauft.

Doch inzwischen sind diese kleineren Räder raus aus der Förderung durch die Stadt. Denn nachdem die erste Runde mit einem Fördertopf von 434 000 Euro im Jahr 2018 so gut angenommen wurde, dass noch einmal eine zweite Runde mit einer halben Millionen Euro nachgeschoben wurde, wurden auch die Förderrichtlinien geändert. Darin ist festgelegt, dass der Abstand zwischen den beiden Radnaben mindestens 130 Zentimeter betragen muss. Beim tern etwa misst dieser aber nur 128 Zentimeter.

Lausterer will nicht missverstanden werden: „Mir geht es nicht darum, sechs Räder mehr zu verkaufen, sondern mir geht es ums Prinzip“, sagt er. Es geht ihm darum, dass die Leute ein kleineres Lastenrad wollen – auch, weil in Stuttgart wenig Platz ist. Und es geht ihm darum, wer eigentlich definiert, was ein Lastenrad ist – und was nicht. Und warum ein Fahrrad mal gefördert wird – und dann wieder nicht. Lausterers Meinung nach „stinkt letzteres zum Himmel“ oder hat zumindest „ein Geschmäckle“.

Dem widerspricht Ralf Maier-Geißer, Leiter der Abteilung nachhaltig mobil im OB-Büro, vehement. „Die Änderung der Förderrichtlinie geht auf eine Beschwerde von einem Bürger zurück – dem waren die Förderrichtlinien bisher zu schwammig definiert,“, sagt er. Maier-Geißer selbst war federführend für die neuen Förderrichtlinien verantwortlich, die im März im Umwelt- und Technikausschuss beschlossen wurden.

„Wir wollen eine Verkehrswende herbeiführen“ – und die soll auch im Stadtbild sichtbar sein

Warum aber hat man sich auf einen Mindestabstand von 130 Zentimetern festgelegt? „Wir haben bei der Förderung zwei Sachen im Auge“, sagt Maier-Geißer. Die eine sei die Multifunktionalität des E-Lastenrads. „Wir wollen nicht nur, dass ein oder zwei Kindersitze darauf Platz haben, sondern wir wollen, dass das Gefährt einen Pkw ersetzt“, sagt er. Bei Rädern, die kompakter sind, habe man meist das Problem, dass die Mitnahme von Lasten nur eingeschränkt möglich sei, „damit bekommt man nicht mehrere Farbeimer oder Sprudelkisten nach Hause“. Der zweite Aspekt hänge mit dem gesellschaftlichen Auftrag zusammen, den man habe: „Wir wollen eine Verkehrswende herbeiführen – und wir wollen im Stadtbild zeigen, dass es eine andere Mobilität gibt“. Sprich: wenn ein „SUV für West-Mamas“ an der Ampel stehe, dann stehe dort eben für jeden ersichtlich ein Lastenrad.

„Wenn wir Leuten etwas Gutes tun und wir sie mit 1700 Euro fördern, ist es auch legitim, wenn wir dafür etwas von ihnen fordern“, sagt Maier-Geißer, der allerdings damit hadert, dass die Stadt mit dieser Förderung auch sogenannte Mitnahmeeffekte erziele. „Wir haben festgestellt, dass wir den Kauf vieler hochpreisigen Lastenräder fördern – es gibt auch einige unter 3000 Euro, aber die allerwenigsten, die von uns gefördert worden, haben sich für solch ein Rad entschieden“. Das bedeute, dass Menschen, die sich sowieso eine E-Lastenrad gekauft hätten, durch die Förderung ein besonderes hochwertiges leisten würden. „Das ist so natürlich nicht gewünscht“, so Maier-Geißer.

Aber wo stellt man das E-Lastenrad denn nun ab – gerade in der dicht bebauten Innenstadt? „Wir sind dabei, Abstellplätze für Lastenräder zu schaffen“. Allerdings sei man noch in der Planung, es werde aber etwa über Quartiersgaragen nachgedacht.

Eine Lösung muss aber dringend gefunden werden, wenn die Nachfrage auch in der zweiten Förderrunde hoch bleibt – bisher ist sie das. In der ersten wurden 300 Anträge genehmigt. Eine dritte Runde im Doppelhaushalt 20/21 sei wahrscheinlich. Dann könnten die Richtlinien noch einmal verändert werden: „Wir sind lernfähig“, so Maier-Geißer.