Lutz Gaspers erklärt, wie die Technikhochschule für ihren Campus in der Stuttgarter Innenstadt eine emissionsfreie Mobilität erreichen will. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Wie kann man eine Stadt so organisieren, dass Mobilität wieder funktioniert? Darüber haben Experten im Rahmen des Wissenschaftsfestivals im Stuttgarter Straßenbahnmuseum reflektiert. Die ausgedienten großen Gelben drumrum gaben eine feine Resonanzfläche dafür ab.

Stuttgart - Es riecht nach Schmieröl. Im Straßenbahnmuseum in Bad Cannstatt künden Güterwagen der Filderbahn aus dem Jahr 1888 und jede Menge anderer gelber Schienen-Oldtimer von einer anderen Welt. Wenn die Mechanik funktionierte und die Fuhre rollte, war alles gut. Heute rollt in und um Stuttgart oft gar nichts mehr, trotz hochmodernster Technik. Es gilt, Mobilität neu zu denken, ganzheitlicher. Im Rahmen des Stuttgarter Wissenschaftsfestivals hat das Deutsche Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR) zur Veranstaltung Mobilität der Zukunft ins Straßenbahnmuseum eingeladen – eine feine Resonanzfläche.

Lutz Gaspers, Professor für Mobilität und Verkehr sowie Prorektor an der Hochschule für Technik (HFT) Stuttgart, schlägt den geschichtlichen Bogen von 1868, als der öffentliche Nahverkehr in Stuttgart mit einer Pferdebahn begann, über die unterschiedlichen Leitbilder einer erst verkehrs-, dann autogerechten Stadt über einen stadtgerechten Verkehr und eine menschengerechte Stadt bis hin zum Ziel einer nachhaltigen Mobilität. Dorthin ist es noch ein weiter Weg.

Eine Hochschule mitten in der Stauhauptstadt ist für ihre Mitglieder schwer erreichbar

Das bekommen auch die Studierenden und Mitarbeiter der HFT täglich zu spüren: etwa dass es inzwischen ein Nachteil sei, dass die Hochschule mitten in der Stadt liegt. Einer Stadt, die sich bundesweit als Stauhauptstadt einen Namen gemacht und ihre Infrastruktur noch nicht auf die aktuellen Mobilitätsanforderungen eingestellt habe. Auf die 200 000 Pendler täglich und auf eine HFT, die bis 2030 einen klimaneutralen Campus hinbekommen will.

Ideen dafür hat die Hochschule schon jede Menge. Weshalb zum Beispiel müssen Kiene- oder Schellingstraße so überbreit sein, hätten sich Studierende gefragt und neue Nutzungskonzepte entworfen. Und weshalb nur gibt es in der Innenstadt, in der rund 10 000 Leute studieren, keine Haltestelle, die „Campus“ heißt? Dass derlei nicht unwichtig ist, habe ein Masterstudent in seiner Arbeit belegt: Darin habe er nachgewiesen, dass die Erhöhung der Sichtbarkeit ein wichtiger Einflussfaktor auf die Wahl des Verkehrsmittels sei. Und eine Umfrage mit 2000 Teilnehmern der HFT habe ergeben, dass bei allen Befragten Zuverlässigkeit und Fahrzeit die zwei mit Abstand wichtigsten Kriterien dafür seien, welches Verkehrsmittel sie wählten.

Zwar benutzen schon jetzt 73 Prozent der Befragten den ÖPNV, doch die 8 Prozent an Fahrradfahrern und 3 Prozent an Fußgängern könnten ausgebaut werden, so Gaspers. „Woran liegt es, dass man in Stuttgart so schlecht mit dem Rad fahren kann?“, fragt ein junger Mann. Drauf Gaspers: „Die Berge sind’s nicht mehr. Es liegt an der fehlenden Infrastruktur: an schwierigen Straßenquerungen und fehlenden Radschnellwegen, Abstellmöglichkeiten und Duschen.“

Schnellere Güterzüge und Turmbahnhöfe könnten Autobahnen entlasten

Wie auch der Güterverkehr zukunftsfähig gemacht werden könnte, stellt Joachim Winter vom Institut für Fahrzeugkonzepte des DLR vor. Der stark wachsende Güterverkehr belaste sehr stark die Autobahnen. Dabei könnte viel auf die Schiene verlagert werden – durch deutlich schnellere Güterzüge, eine digitale Abstandsregelung und eine optimierten Ein- und Ausladelogistik – vom Zug direkt ins Hochregallager, rein und raus parallel.

„Das Problem ist nicht der Zug, sondern der Bahnhof“, sagt Winter. Zughaltezeiten von zweieinhalb Minuten – „das geht nur über vertikal organisierte Turmbahnhöfe“. Wie so etwas aussehen könnte, haben Studierende im Entwurf für den Kornwestheimer Güterbahnhof konkretisiert: ein mehrstöckiger Bahnhof, obendrüber Wohnungen, die zugleich Brückenfunktion haben: „Die Zerschneidung der Stadt ist aufgehoben“, sagt Winter. Damit der Güterverkehr auch über Deutschland hinaus besser flutscht, müsse noch das Problem von 21 verschiedenen Zugleitsystemen gelöst werden. Und verschiedene Transportdienste müssten so gebündelt werden, dass jede Adresse nur einmal am Tag angefahren wird.