Carsten Hendricks möchte sein E-Lastenrad nicht mehr missen. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Elektrische Lastenräder sind im Kommen. Die Landeshauptstadt gibt jetzt Zuschüsse beim Kauf. Schon vor dem Start gab es zahlreiche Nachfragen.

Stuttgart - Bereut? Keine Sekunde. Vor etwa drei Jahren haben Martina Schmitt und Carsten Hendricks ihr Auto verkauft und gegen zwei elektrisch unterstützte Lastenräder getauscht. Die Familie mit zwei vier und sieben Jahre alten Kindern betreibt in der Alexander-, Ecke Immenhofer Straße das Kantinchen, ein Café mit angeschlossenem Bioladen, und hat sich ganz bewusst für eine neue Form der Mobilität in der Stadt entschieden. „Ich war es leid, ständig gestresst im Stau zu stehen oder Parkplätze zu suchen“, sagt der 43-jährige Hendricks. Die gleichaltrige Martina Schmitt ergänzt: „Wir genießen jetzt ganz andere Freiheiten und kommen auch noch schneller von A nach B.“

Ohne Motor geht in Stuttgarts Steigungen nichts

Im Alltag rollen die beiden von ihrer Wohnung im Hospitalviertel die zwei Kilometer ins Kantinchen, bringen die Kinder in Kita und Schule oder holen frische Waren für Café und Laden zum Beispiel direkt vom Stuttgarter Markt. Auch für Essenslieferungen an Kunden werden die Räder eingesetzt. Bei bis zu 100 Kilo Zuladung braucht es da aber schon den elektrischen Rückenwind. „Ohne den Motor geht es in Stuttgart durch die Steigungen nicht“, sagt Hendricks. Ein Auto brauchen die beiden „höchstens noch vier- oder fünfmal im Jahr“ (Schmitt), und das ist dann ein Sharing-Auto von Stadtmobil. Größere Mengen an Waren für das Geschäft lassen sich die beiden mittlerweile eben liefern, und sogar in den Urlaub fuhr die komplette Familie schon mit den Lastenrädern.

Der Umstieg vor drei Jahren war allerdings auch eine finanzielle Belastung. Ein stabiles und ausreichend motorisiertes E-Lastenbike kostet so um die 5000 Euro. Die beiden profitierten aber von einem Förderprogramm des Landes. Nach eigener Aussage gehörten sie mit zu den ersten Stuttgarter Selbstständigen, die die Förderung von elektrischer Mobilität beantragt haben. Mittlerweile hat das Verkehrsministerium 83 E-Lastenbikes für Unternehmen, Kommunen oder Freiberufler in der Stadt gefördert. Das ist die zweithöchste Zahl im Land nach Freiburg (92). 50 Prozent des Kaufpreises kamen so aus dem Verkehrsministerium. Ganz neu gibt es jetzt auch eine städtische E-Lastenradförderung speziell für Familien.

Neues Förderprogramm der Start gestartet

Auch dieses Programm dürfte stark nachgefragt werden, schon vor dem offiziellen Start gab es gut 30 Nachfragen. Und die Radlerszene dürfte weiter wachsen. „Vor drei Jahren haben sich die wenigen Lastenradler noch gegrüßt, wenn sie sich begegnet sind“, erklärt Hendricks. Da hätten sie heute viel zu tun, das Stadtbild füllt sich nach Beobachtungen der beiden zusehends mit Menschen auf den großen Rädern mit dem breiten Bauch.

Das schafft auch ein paar Probleme. „Wir brauchen dringend mehr ausgewiesenen Parkraum “, fordert Martina Schmitt. Wer keinen Stellplatz hat, hat nämlich ein Problem. Lastenräder sind eigentlich zu breit, um sie auf dem Gehweg zu parken, und sie sind deutlich zu lang und zu schwer (um die 40 Kilo), um sie zum Beispiel eine Kellertreppe runterzutragen. Und obendrein zu wertvoll, um sie allzu offen in der Nacht zu präsentieren. Dagegen steht ein Vorteil: Auf einem Parkplatz mit Gebührenpflicht muss man kein Parkticket am Automat ziehen.

Die Bedingungen im Alltag könnten aber besser sein. Die Radwege in der Stadt seien an manchen Stellen zu eng, und die Mischnutzung mit Fußgängern sei für beide Gruppen zu gefährlich. „Oft machen uns auch zu hohe Bordsteine bei Übergängen zu schaffen“, klagt Martina Schmitt.

Trotzdem will die Familie ihre Form der Mobilität nicht mehr missen. „Es macht einfach Spaß“, sagt Martina Schmitt. Carsten Hendricks nickt und setzt noch einen drauf: „Sogar im Regen.“