Mit jede Menge Stau müssen die Filderstädter regelmäßig beispielsweise in Bernhausen an der Ortsdurchfahrt rechnen. Foto: Caroline Holowiecki

Der Mobilitätsentwicklungsplan für Filderstadt steht. Er zeigt auf, wie sich der Verkehr in der Stadt verändern soll. Es gibt nur noch eine allerletzte Hürde zu nehmen.

Zehn Jahre ist es her, dass der Filderstädter Gemeinderat den Grundsatzbeschluss gefasst hat, nun, nach etlichen Analysen, Zählungen, Befragungen, Sitzungen und Begehungen, ist das Projekt auf der Zielgeraden. Der Mobilitätsentwicklungsplan für die Stadt ist fertig und muss nur noch eine letzte Hürde nehmen. Am 28. Juli steht der finale Beschluss im Gemeinderat an, der vorberatende Technische Ausschuss hat in seiner jüngsten Sitzung mehrheitlich seine Zustimmung signalisiert.

 

Der Mobilitätsentwicklungsplan – kurz: MEP – enthält die Leitlinien, nach denen die Stadtverwaltung und der Gemeinderat in den kommenden zehn Jahren sämtliche verkehrs- und stadtplanerische Prozesse ausrichten wollen. Im Kern besteht er aus zwei Komponenten. Das Mobilitätsentwicklungsprogramm wurde bereits 2022 beschlossen. Es legt die strategischen Hauptlinien des Handelns fest. Zentrale Aussage: Der Verkehr soll stadt- und umweltverträglicher werden, dafür sollen im Ort in Zukunft weniger Autos unterwegs sein.

Der Anteil des Kfz- am Gesamtverkehr lag im Analysejahr 2015/2016 bei 52 Prozent. Bis 2035 sollen es nur noch 42 Prozent sein. Schon 2022 war klar, wie das gelingen kann: durch eine größere Ausgewogenheit zwischen Auto-, öffentlichem Nah-, Rad- und Fußverkehr. Gleichzeitig, auch das wurde seinerzeit festgehalten, soll in der Stadt jede und jeder mit angemessenem Zeit- und Kostenaufwand, sicher, zuverlässig, komfortabel sowie möglichst umweltfreundlich unterwegs sein können.

Mehr als 600 Einzelmaßnahmen

Wie diese Ziele erreicht werden sollen, darüber gibt ein Maßnahmenkatalog Auskunft, der im Februar dieses Jahres vorgestellt und beschlossen wurde. Mehr als 600 Einzelmaßnahmen baulicher und organisatorischer Art waren zuvor beäugt worden, 119 wurden priorisiert. Sie reichen vom barrierefreien Umbau von Bushaltestellen über bessere und mehr Radwege bis hin zur Neuordnung der Parkplätze entlang mehrerer Straßen, um Busse zu beschleunigen und Chaos zu minimieren. Um den Busverkehr zu stärken, ist ferner zum Beispiel eine Verlängerung der Busspur an der Aicher Straße aus Richtung Schinderbuckel angedacht. Carsharing-Angebote in allen Stadtteilen sind vorgesehen, mehr Querungshilfen und längere Grün-Phasen für Fußgänger, mehr emissionsfreie Linienbusse, Schulwegpläne für alle Schulen, eine Eindämmung von Elterntaxis oder die Bevorrechtigung des öffentlichen Verkehrs an zahlreichen Ampeln in der Stadt. Ganz neu ist die Idee von autonomen, elektrisch betriebenen Ringlinien, sogenannten Stadtteil-Shuttles, die fahrplanfrei im Dauerbetrieb das Busverkehrsnetz mit Kompaktfahrzeugen weiter verästeln. Zudem wurden einige Prüfaufträge formuliert. So soll geschaut werden, ob eine Umfahrung von Sielmingen machbar wäre, ebenso eine weitere Anbindung an die B 27 auf Höhe der Arthur-B.-Modine-Straße oder eine Aufweitung der B-27-Unterführung für eine bessere Radverbindung.

Zehn Jahre in die Zukunft, das klingt nach viel, ist es faktisch aber nicht, wenn es um Bauprojekte geht. Sind die gesteckten Ziele bis 2035 überhaupt zu erreichen? Ja, sagte der zuständige Stadtplaner Thomas Baum vom Büro VSU in der Ausschusssitzung. „Wenn es genug Personal und genug Geld gibt.“ Dabei heißt ein Ja zum MEP nicht, dass automatisch sämtliche 119 Einzelmaßnahmen beschlossen und zusätzliche Stellen in den Fachämtern geschaffen sind. „Sie beschließen ein Wirkungsgefüge“, sagte Bernd Lahr, der Leiter des Amts für Stadtplanung und Stadtentwicklung. Sollte der MEP am 28. Juli nach nunmehr zehn Jahren final grünes Licht erhalten, hätte das zunächst keine unmittelbaren finanziellen oder personellen Auswirkungen. Jede einzelne Maßnahme wird zur gegebenen Zeit nochmals im Gremium auftauchen, bevor sie umgesetzt wird. Grundsätzlich sollen Prioritäten immer wieder geprüft werden, ebenso mögliche Synergieeffekte mit anderen Projekten. „Und wenn wir dann nur Bausteine rausnehmen, sind wir wenigstens auf dem Weg“, erklärte Christian Pape aus dem Fachamt im Nachgang zur Sitzung.

„Wichtig ist, dass sich Stadt und Rat auf dem Weg zu einem Mobilitätsziel befinden“, sagte auch Thomas Baum. Die Bevölkerung müsse dringend mitgenommen werden – Stichwort Akzeptanz –, denn „wenn das niemand will, nützen alle Maßnahmen nicht“. Ja, es werde Konflikte geben, die müsse man aber aushalten, so Baum. Der Erste Bürgermeister Falk-Udo Beck schwor das Gremium schon mal ein: „Es soll kein Gegeneinander sein, sondern ein Miteinander.“ Es brauche eine Richtschnur und ein gemeinsames Oberziel. „Wir müssen auf die Zeichen der Zeit eingehen.“

Was bringt das Ganze?

Zwei Ziele
Letztlich verfolgt der Mobilitätsentwicklungsplan (MEP) zwei übergeordnete Ziele. Die Stadt soll langfristig lebenswerter werden, und der Klimaschutz soll vorankommen. Ein Umdenken kann sich lohnen. Laut der Stadt sind etwa 43 Prozent aller Autofahrten von, nach oder in Filderstadt kürzer als vier Kilometer und 80 Prozent höchstens zehn Kilometer lang. Durch den Umstieg auf Rad, Pedelec oder Bus für Strecken bis zu sechs Kilometer könnten 65 Prozent der Kfz-Wege eingespart werden, wird vorgerechnet. Wird die Hälfte der kurzen Wege mit Rad oder Bus bestritten, könnten laut Stadt mehr als 30 Prozent der Kfz-Fahrten entfallen. Dies wird als machbar eingeschätzt.

Ein Effekt
Jährlich summiert sich das auf etwa 176 Millionen Kilometer – und ein Einsparpotenzial von etwa 21,1 Kilotonnen CO₂ pro Jahr. Bei einem Erreichen von nur zehn Prozent Reduktion der Kfz-Wege, was dem beschlossenen MEP-Ziel entspräche, läge der Effekt bei etwa sieben Kilotonnen CO₂