Fußwege sollen einladend und sicher sein – dafür steht der Fußverkehrs-Check des Verkehrsministeriums. Foto:  

15 Modellkommunen haben den Fußverkehrs-Check gemacht. Erstes Fazit: Es gibt viel zu tun, um Fußwege einladend und sicher zu machen. Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) fördert das Projekt auch dieses Jahr.

Stuttgart - 23 Prozent aller Wege legen die Baden-Württemberger zu Fuß zurück. Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) möchte diesen Anteil bis zum Jahr 2030 auf 30 Prozent steigern. Sein Ministerium fördert seit einem Jahr den so genannten Fußverkehr: Erste Ergebnisse legten er und 15 Modellkommunen am Montag vor.

Mobilität – das ist nicht nur das Auto, der öffentliche Nahverkehr oder das Fahrrad. Hermann möchte auch den Fußverkehr ins Bewusstsein rücken. Bei vielen Städten und Gemeinden im Land stieß der Vorstoß im Frühjahr 2015 auf reges Interesse. 60 wollten sich am Pilotprojekt beteiligen, zehn waren vorgesehen, 15 erhielten den Zuschlag. Bewusst wurden sie sehr unterschiedlich ausgewählt: Von der kleinen Gemeinde bis zur Landeshauptstadt war alles vertreten.

Die ausgewählten Kommunen luden ihre Bürger zu Begehungen ein – rund 500 nahmen landesweit daran teil. Gemeinsam mit Fachleuten analysierten sie die Schwachstellen: Wo lassen sich Fahrbahnen schlecht queren? Wo sind die Gehwege zu schmal oder ständig zugeparkt? Wo sind Schulkinder unterwegs, deren Schulweg nicht sicher ist? Und wo fehlen Sitzgelegenheiten, dass sich auch ältere Menschen wieder Fußwege zu trauen? Daraus entwickelten die Kommunen rund 300 Vorschläge zur Verbesserung ihres Fußverkehrs.

Rückhalt für fußgängerfreundliche Lösungen

Vom Land erwarten sie dazu finanzielle Zuschüsse – aber nicht nur. Wolfgang Forderer Abteilungsleiter Mobilität in Stuttgart, sagte Hermann am Montag: „Das Land kann mit Geld helfen, aber auch mit Ideen und Programmen.“ Er denke etwa an ein Mobilitätsforum, in dem die Vertreter der verschiedenen Verkehrsarten zusammenfinden könnten, statt sich zu bekriegen. „Wir brauchen als Kommunen Rückhalt für fußgängerfreundliche Lösungen“, so Forderer. So hagle es in Stuttgart Kritik an oberirdischen Fußgängerquerungen, weil sie angeblich zu Staus und mehr Feinstaub führten.

Die 15 Modellkommunen – weitere wird es in diesem Jahr geben – haben in dem Prozess begriffen, dass sie für mehr Fußverkehr umdenken müssen. „Leider“, so Ingo Rohlfs, Landessprecher des Vereins FUSS, fehle es in vielen Verwaltungen an Kompetenz.

Entschieden werde nach der Meinung eines Amtsleiters und nicht nach Fakten. So seien Fußgängerstege eine Modeerscheindung und bei Planern mal in und mal out.

Stichwort Umdenken: In Göppingen wünscht man sich einen zweiten Fußgängersteg über Fils und Bahngleise. Der würde laut Baubürgermeister Helmut Renftle sechs Millionen Euro kosten – und ist damit für die Stadt nicht erschwinglich. Jetzt plant Renftle anders: Er will den bestehenden Steg nutzen und den Weg entlang der Fils so einladend gestalten, dass Fußgänger gerne ein paar Schritte Umweg in Kauf nehmen: „Mehr Gehqualität“, wie Renftle sagt.

Aufenthaltsqualität schaffen

Winfried Hermann war an einer Begehung in Filderstadt dabei. Dort hat er festgestellt: „Einige Fußgängerzonen funktionieren einfach nicht.“ Doch deshalb jetzt auf Kontrollen zu verzichten und stillschweigend Autos zuzulassen, sei sicher der falsche Weg. Dort hat er auch gesehen, dass „gleich hinter der Fußgängerzone die Fußgängerwüste“ liege – also keinerlei Orientierung mehr.

Wolfgang Aichinger vom Verkehrsclub Deutschland (VCD) empfiehlt den Kommunen, ihren öffentlichen Raum einzurichten wie ihr Wohnzimmer: mit viel Aufenthaltsqualität. Im belgischen Gent etwa würden Straßen von ihren Anwohnern neu definiert und zum Beispiel während der Sommermonate für den Verkehr gesperrt: „Sie werden dann zur Lebensstraßen, auf denen man sich trifft, zusammensitzt oder spielt.