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Die Kritik am Aufbau des schnellen 5G-Netzes im Südwesten ist groß. Betreiber wie die Telekom warnen vor Verzögerungen, das Wirtschaftsministerium will mit einer Infokampagne gegenhalten.

Stuttgart/Ravensburg/Bonn - Die CDU-Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut hat keine Zweifel: „Der Mobilfunkausbau ist für den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg von zentraler Bedeutung.“ Gemeint ist der Aufbau eines flächendeckenden 5G-Netzes, ein Kürzel für die fünfte Generation des Mobilfunks. Höhere Datenraten, schnellerer Datendurchsatz, bei Bedarf Echtzeitübertragungen auf Milliarden Handys gleichzeitig, so lautet das Versprechen.

 

Allerdings ist dieses Netz längst nicht geknüpft. Mitursächlich ist der Widerstand von Bürgerinitiativen, die sich seit dem vergangenen Jahr überall im Land gegründet haben. So wie die des Ravensburgers Thomas Haberland. „Ravensburg 5G-frei im öffentlichen Raum“ heißt die Gruppierung. Die Folgen der elektronischen Strahlung, sagt Haberland, privat ein passionierter Rutengeher, seien völlig unerforscht, könnten bis zum „Bruch des DNA-Strangs“ beim Menschen reichen. Die Bürgerinitiative strebt eine Einwohnerversammlung an. Es müsse endlich eine „öffentliche Diskussion“ her. Voraussetzung dafür ist ein Antrag, der von mindestens 2,5 Prozent der antragsberechtigten Einwohner unterschrieben wird. Die Aktion läuft.

Opponenten bis nach Freiburg

In Freiburg hatten 5G-Gegner das Quorum im vergangenen Jahr erreicht, im November kam es vor 900 Zuhörern zu teilweise hitzigen Wortgefechten. Mit den frisch aufgeworfenen Fragen der Bürger beschäftigt sich nun der Gemeinderat. Eine bindende Wirkung, hob der parteilose Oberbürgermeister Martin Horn hervor, gebe es jedoch nicht. Wegen der Corona-Krise rutschte die Sache im Rathaus zunächst in den Ordner für Unerledigtes.

Drei große Spieler treiben aktuell den Netzausbau voran. Es sind die Telekom, Vodafone und Telefónica (O2) Sie setzten sich bei der deutschen Mobilfunk-Auktion 2015 durch. Mit den Zuschlägen durch den Bund verband sich die Verpflichtung der Konzerne, zum 1. Januar dieses Jahres flächendeckend mit dem neuen schnellen Funkstandard zu starten.

Doch damit ist es an vielen Orten nichts geworden. Grund, sagt ein Telekom-Sprecher in Bonn, seien die vielen Widerständler. Deutschlandweit gebe es in dieser Hinsicht ein „Nord-Süd-Gefälle“. „Je weiter wir in den Süden kommen, desto größer ist das Misstrauen in neue Technik.“ Gegner schreckten sogar vor Zerstörung nicht zurück. Im Mai 2019 haben Unbekannte in Ravensburg eine Mobilfunkanlage angezündet, wenige Tage später eine weitere auf dem Bauhof-Betriebsgelände im nahen Oberteuringen (Bodenseekreis).

Das Land plant eine Informationskampagne

Das Wirtschaftsministerium setzt auf Verständigung. Man nehme, heißt es in Stuttgart, „die Bedenken der Bevölkerung sehr ernst“. Nach den Sommerferien soll eine Informationsinitiative zur Aufklärung über die 5G-Technik gestartet werden. Auch der baden-württembergische Städtetag sieht das Heil der Kommunen im stärkeren Dialog mit der Bürgerschaft. Für die Städtetagschefin Gudrun Heute-Bluhm ist es „wichtig, die Stadtgesellschaft zu informieren und von Beginn an mit einzubinden.“

Lesen Sie hier: Wie die Region Stuttgart den 5-G-Ausbau vorantreibt.

Allerdings ist oft unklar, wo Kompromisslinien liegen könnten. Zum Beispiel dort, wo Netzausbaugegner grundsätzlich die Strahlengrenzwerte der Bundesnetzagentur anzweifeln oder Politiker und Gutachter als willfährige Helfer eines großen Milliardengeschäfts bezeichnen. Die „Bürgerinitiative Aufklärung 5G Heidenheim“ forderte Ende Mai in einem offenen Brief an die Heidenheimer Stadträte ein Moratorium für 5G, „bis dessen Gesundheitsverträglichkeit durch unabhängige Wissenschaftler nachgewiesen ist“.

Freundlich im Ton, hart in der Sache

Allerdings sind Kommunen formaljuristisch gar nicht in der Lage, den Bau neuer Funkzellen per Ratsbeschluss zu verhindern. Darauf weist Benedikt Albers hin, Sprecher der in Bonn beheimateten Telekom-Tochtergesellschaft Deutsche Funkturm. Funkturm betreibt nach Eigenangabe deutschlandweit mehr als 31 000 Funkstandorte – und ist seit dem vergangnen Jahr Ansprechpartnerin für Rathäuser in Sachen 5G. Mit dem Lizenzerwerb hätten sich die Mobilfunkanbieter das Recht erworben, zu bauen, sagt Albers. Kommunen würden stets zunächst mit der Bitte um Hilfe bei der Standortsuche angefragt.

Wenn es jedoch anhaltenden Widerstand gebe, werde das zuständige Landratsamt als Dienstaufsicht eingeschaltet. „Dort schaut man aufs Baurecht“, so der Sprecher – und das werde Anbietern streng beachtet. Die Funkturm GmbH vermietet ihre Masten übrigens auch an die Konkurrenz.

Mit den Zahlen zum Ausbau geizen die Netzbetreiber; die Telekom spricht von 1000 neuen baden-württembergischen Standorten „in den nächsten Jahren“. Albers nennt dafür einen Grund. „Der Trend geht zu einem kleinzelligen Netz, mit ganz gezielten Reichweiten teilweise nur von 150 Metern“. Die durch die Bundesnetzagentur kontrollierte benötigte Strahlung sei dann auch nicht so hoch. Bei den Gegnern kämen hohe Zahlen in Bezug auf die Funkzellenmasten jedoch nie gut an. Doch weniger Funkzellen müssten viel stärkere elektromagnetische Felder erzeugen.

Prognose: Blinde Flecken im Funknetz werden bleiben

Auch Zwischenerfolge freuen Netzgegner wie den Ravensburger Haberland. Die Ravensburger Stadtspitze habe ursprünglich eine der deutschen Modellstädte für den 5G-Ausbau werden wollen. Wegen des vielen Ärgers habe die Telekom die Partnerschaft abgesagt. Nun könne auch alles „komplett gestoppt“ werden. Bei der Funkturm GmbH heißt es, die häufig beklagten blinden Flecken bei der Netzabdeckung würden nach Lage der Dinge wohl auch Teil der Zukunft sein.