Ein Mobilfunkmast wie an der Birkacher Straße könnte auch in Rohr gebaut werden. Foto: Archiv Sägesser

Der Widerstand gegen den geplanten Sendemast auf der Rohrer Höhe reißt nicht ab. Die jüngst gegründete Initiative hat einen offenen Brief an Oberbürgermeister Fritz Kuhn verfasst. 585 Bürger haben diesen unterschrieben.

Rohr - Die Zahl spricht für sich: 585 Bürger haben sich an der Unterschriftenaktion beteiligt und sich damit gegen den auf der Rohrer Höhe geplanten Sendemast ausgesprochen. Die Initiatoren haben diese in dieser Woche per Post an OB Fritz Kuhn geschickt; zusammen mit einem offenen Brief.

Kurz vor Weihnachten war bekannt geworden, dass die Deutsche Funkturm GmbH, eine Tochtergesellschaft der Telekom, auf dem Flurstück 403 an der Ecke Musberger Straße/Rohrer Höhe einen 25 Meter hohen Mobilfunkmasten aufstellen möchte. Das löste eine Welle der Empörung aus. Denn der Abstand zu den Wohngebäuden beträgt lediglich 20 bis 51 Meter. „Das sind nicht einmal fünf Meter über dem von der Bundesnetzagentur vorgeschriebenen Mindestabstand von 15,65 Metern“, heißt es im offenen Brief.

Angst vor Gesundheitsschäden

Die Vertreter der Initiative Sendemast Rohrer Höhe argumentieren, dass es mit der neuen Anlage „insgesamt sechs Funkübertragungsstationen innerhalb eines Umkreises von 520 Meter“ gebe, und das „keine 90 Meter von der nächsten Mobilfunkantenne entfernt“. Weiter steht dort: „Die Bürger der Rohrer Höhe sehen ihre Gesundheit durch die 365 Tage mal 24 Stunden anhaltende Dauerbestrahlung gefährdet.“ Darüber hinaus drohe den unmittelbar angrenzenden Anliegern ein Wertverlust ihrer Immobilien.

Die Initiative befürchtet, dass die Telekom mit dem neuen Sendemast auf der Rohrer Höhe ein „Langzeitprovisorium“ manifestieren könnte, statt den „längst überfällig gewordenen Breitbandausbau auf Basis des Glasfaserkabels in Stuttgart endlich voranzutreiben“. Denn nach eigenen Angaben der Deutschen Telekom sei die Rohrer Hohe im Freien sowohl mit einer Übertragungsrate von 50 Mbit/Sekunde als auch mit 150 Mbit/Sekunde flächendeckend versorgt. Das Problem sei das Festnetz. Dabei bestehe auf der Rohrer Höhe – wiederum nach eigenem Kartenmaterial der Telekom – ein Versorgungsengpass. Um im Festnetz einen Durchsatz von 50 bis 150 Mbit/Sekunde gewährleisten zu können, biete das Unternehmen sogenannte Hybrid-Router an, die bei Versorgungsengpässen über LTE-Mobilfunk zusätzliche Kapazitäten in die häuslichen Festnetzanschlüsse einspeisen.

Versorgungsengpass beim Festnetz

Das habe fatale Folgen: „Die zusätzlichen, hohen Datenvolumina treiben die Sendeleistung unnötig in die Höhe“, schreiben die Verfasser des offenen Briefes. Denn um auch in den Häusern eine ausreichend hohe Signalstärke zu erzielen, sei eine deutlich höhere Sendeleistung erforderlich. Anwendungen mit großem Datenvolumen und schnellen Datenraten wie zum Beispiel das Herunterladen von Videos oder Spielen, würden jedoch eher im häuslichen Bereich genutzt und nicht unterwegs. „Im Freien erfordern weder der Bedarf noch die Auflösung noch die Apps der Smartphones selbst solch hohe Datenraten“, heißt es in dem offenen Brief.

Derweil proklamiere das Bundesministerium für Verkehr und Infrastruktur (BMVI) den Breitbandausbau bis 2018, gefördert mit mehr als vier Milliarden Euro in der vergangenen Legislaturperiode. Dem Breitbandatlas des BMVI zufolge, habe die Stadt Stuttgart jedoch weder für den Ausbau der Infrastruktur noch für Beratung Fördergeld in Anspruch genommen. „Ein besonderer Fall der Beratungsresistenz? Müsste nicht gerade die grüne Stadtverwaltung an nachhaltigen, umweltverträglichen Lösungen interessiert sein?“, fragen die Initiatoren des offenen Briefes.

Initiative nennt vier Alternativen

Sie listen einige andere Vorschläge zu dem auf der Rohrer Höhe geplanten Sendemast auf. So könne zum Beispiel der Mast um 150 Meter in Richtung Autobahn versetzt werden. Alternativ dazu könne sich die Telekom das Netz mit anderen Betreibern teilen oder vorhandene Anlagen modernisieren. Nach Ansicht der Sendemast-Gegner ist es möglich, mit Kleinzellensendern ein leistungsfähiges Netz aufzubauen. „Das Stopfen von Versorgungslücken im Festnetz durch zusätzlichen Mobilfunkverkehr ist nicht akzeptabel. Eine zwingend notwendige und nachhaltige Maßnahme zur Minimierung der Strahlenbelastung bleibt daher der Breitbandausbau des Festnetzes“, bilanziert die Initiative.

Beim Baurechtsamt sind bisher 80 Einwendungen von 110 Personen eingegangen. Diese Zahlen nennt Martin Thronberens auf Nachfrage. Der städtische Pressesprecher fügt aber auch hinzu: „Beim Baugenehmigungsverfahren kommt es nicht auf die Zahl der Einwendungen, sondern auf ihre baurechtliche Relevanz an.“ Das bedeute: „Sind durch das Bauvorhaben gesetzlich geschützte nachbarliche Belange berührt, würde der Bauantrag abgewiesen. Wenn nicht wird die Genehmigung erteilt.“

Der von den Bürgern geforderten Breitbandausbau sei bei der Stadt bereits ein Thema: „Zusammen mit den Landkreisen der Region sowie dem Verband Region Stuttgart haben wir eine Grobplanung für ein kreisübergreifendes Breitbandnetz erstellen lassen. Hierfür wurden Fördergelder des Landes in Anspruch genommen. Über die Umsetzung wird derzeit über den Verband Region Stuttgart verhandelt“, sagt Thronberens. Er sichert zu, dass die Verwaltung auf den offenen Brief antworten werde. Allerdings seien umfangreiche Fragen angesprochen. „Daher wird die Beantwortung etwas Zeit in Anspruch nehmen.“