Telefonische Grüße vom Strand sind künftig keine Kostenfalle mehr. Foto: dpa

Reisende können bald im EU-Ausland zu den gleichen Tarifen das Mobiltelefon benutzen wie daheim. Für das Herunterladen von Daten können weiterhin Extrakosten anfallen.

Brüssel - Die böse Überraschung kam meist, wenn die schönste Zeit des Jahres vorbei war. Flatterte die Handy-Rechnung ins Haus, bereuten viele Verbraucher ihre Mitteilungsfreude am Mittelmeerstrand, im Skilift oder beim Städtetrip. Die sogenannten Roaming-Gebühren sind zwar auf Druck der EU-Kommission schon in den vergangenen zehn Jahren drastisch gefallen, nun sollen sie am 15. Juni komplett abgeschafft werden. Ist das wirklich so? Wir geben einen Überblick, was Verbraucher wissen müssen.

Was ändert sich am 15. Juni?

Was ändert sich am 15. Juni?

Bisher berechnet der Mobilfunkanbieter bei Reisen ins EU-Ausland für Handygespräche, SMS oder Datendienste höhere Tarife als zu Hause. Damit ist am 15. Juni Schluss. Generell gilt: Die gesamte Kommunikation per Handy im Ausland, also Anrufe, SMS und Datendienste, wird vom Anbieter genauso abgerechnet wie im Inland. Die Minuten, die SMS und Gigabytes werden nach dem nationalen Tarif berechnet oder bei Prepaid-Karten von dem nationalen Guthaben abgezogen. Ganz so, als ob der Kunde gar nicht ins EU-Ausland gereist wäre.

Wer auf Reisen auf seinem deutschen Handy angerufen wird, zahlt dann künftig wie zu Hause nichts. Zwischen den 28 EU-Staaten fallen nun auch im Telekommunikationsbereich die nationalen Grenzen. Dies gilt bei Reisen in alle 28 EU-Mitgliedsstaaten, also bis März 2019 auch noch in Großbritannien. Das Roaming zu Inlandspreisen („Roam like at Home“) soll wenige Tage später dann auch in den Ländern des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) – Island, Liechtenstein und Norwegen – eingeführt werden. Achtung: Die Preise für Anrufe aus Deutschland etwa bei der Freundin, die in Spanien lebt und dort einen spanischen Mobilfunkvertrag abgeschlossen hat, sinken nicht. Daran ändert sich gar nichts.

Gibt es Ausnahmen?

Gibt es Ausnahmen?

Für die meisten Nutzer wird der Smartphone-Gebrauch im Ausland künftig nicht teurer werden als im Inland. Wenn der Vertrag im Inland unbegrenztes Telefonieren und Simsen vorsieht, so wird das beim Verreisen ins EU-Ausland auch so sein.

Etwas anders können die Dinge bei Smartphone-Nutzern liegen, die im großen Stil digitale Inhalte aus dem Netz herunterladen und dafür auf dem heimischen Markt eine Pauschale zahlen (Flatrate). Im EU-Ausland kann der Anbieter eine Grenze beim Herunterladen ziehen und das Datenvolumen, das darüber hinaus geht, extra berechnen. Um böse Überraschungen beim Spielen, Filme anschauen und Surfen zu vermeiden, muss der Anbieter vorab aber seine Kunden über die Obergrenzen informieren und mitteilen, wenn er sich der Grenze nähert. Falls die Grenze überschritten wird, darf dies je Gigabyte derzeit 7,70 Euro plus Mehrwertsteuer kosten. Bis 2020 sinkt dieser Betrag schrittweise auf 2,50 Euro ab.

Hintergrund ist, dass die EU die Großhandelspreise – also die Preise, die sich die Telekommunikationsunternehmen grenzüberschreitend gegenseitig in Rechnung stellen – nicht so streng reguliert. Damit haben die Unternehmen ein Schlupfloch, um Geschäfte zu machen. Lina Ehrig, Expertin beim Verbraucherzentrale-Bundesverband (vzbv), kritisiert diese Regelung: „Die Jubelstürme sind nicht vollends berechtigt.“ Das Ziel, die Roaming-Gebühren komplett abzuschaffen, sei nicht erreicht worden.

Was gilt bei einem Daueraufenthalt im EU-Ausland?

Gilt die Regelung auch bei einem Daueraufenthalt im EU-Ausland?

Nein. Die Roaming-Gebühren sollen nur für die Verbraucher wegfallen, wenn sie sich auf einer Reise ins EU-Ausland befinden. Wer umzieht und sich dauerhaft im EU-Ausland niederlässt, kann das Roaming zu Inlandspreisen nicht in Anspruch nehmen. Generell gilt die Faustformel: Wer mehr Zeit zu Hause verbringt als im Ausland, muss keine Roaming-Gebühren benutzen.

Um dies zu kontrollieren, darf der Mobilfunkanbieter die Nutzerdaten speichern und auswerten. Stellt er in einem Zeitraum von vier Monaten fest, dass das Handy den größten Teil der Zeit im Ausland genutzt wurde, darf er beim Nutzer nachfragen. Der muss dann binnen 14 Tagen antworten und die Situation erläutern. Wer danach weiterhin im Ausland das Handy nutzen will, muss mit Aufschlägen von bis zu 3,2 Cent je Sprachanruf und 1 Cent je SMS rechnen. Das Datenvolumen wird je Gigabyte mit 7,70 Euro berechnet. Für Pendler, die in einem EU-Land wohnen und in einem anderen EU-Land arbeiten, gelten Ausnahmen.

Gibt es Dauer-Roaming zu Inlandspreisen?

Warum wird das Dauer-Roaming zu Inlandspreisen ausgeschlossen?

Die Mobilfunkpreise in der EU schwanken. Der günstigste Vertrag für 600 Freiminuten, 225 Gratis-SMS sowie einem Datenvolumen von 1 Gigabyte kostete 2016 in Ungarn 60 Euro im Monat, aber nur acht Euro in Estland (plus Mehrwertsteuer). In der Regel sind die Tarife in den skandinavischen Ländern am günstigsten, Belgien ist am teuersten, Deutschland liegt irgendwo im Mittelfeld.

Die EU-Kommission will also den reinen Binnenmarkt im Telekommunikationsbereich nicht einführen. Sie befürchtet, dass dies zu Lasten der Verbraucher ginge, die überwiegend im Inland telefonieren. Die Anbieter, so die Überlegung, müssten die Preise wohl für alle anheben, um die höheren Kosten durch das permanente Roaming einiger weniger Kunden wieder wett zu machen.

Gibt es noch Roaming-Fallen?

Gibt es Roaming-Fallen?

Vorsicht ist immer dann geboten, wenn der Kontakt ins Netz über eigene Funknetze per Satellitenverbindung abgewickelt wird. Dies ist häufig bei Kreuzfahrtschiffen der Fall. Auch im Luftverkehr ist dies möglich. Die meisten Kreuzfahrtschiffe haben ihre eigenen Funknetze, in die sich Handys automatisch einbuchen. Legen Schiffe in Häfen an, müssen sie dieses Bordnetz ausschalten. Dann kann man sich in die nationalen Funknetze einbuchen und es gilt: Roam like at Home.

Über die Satellitenverbindung gelten aber auch innerhalb von EU-Gewässern nicht die neuen EU-Regeln. Die Preise pro Anrufminute können je nach Anbieter bis zu 9 Euro betragen. Es gibt auch Anbieter, die eine einmalige Gebühr für den Verbindungsaufbau verlangen. Ausgehende SMS, Datenverbindungen sowie eingehende Anrufe auf Kreuzfahrtschiffen kosten richtig viel Geld – so wie früher, als die EU sich der Sache noch nicht angenommen hatte.