Wird das Handy in naher Zukunft das Portemonnaie ersetzen? Quelle: dpa Foto:  

Mobiles Bezahlen ist in Deutschland bislang kaum verbreitet – neue Angebote von Sparkassen und Genossenschaftsbanken könnten das ändern.

Frankfurt - „Möglicherweise können wir bald das gute alte Portemonnaie zuhause lassen. Ein Smartphone mit einer stabilen Zahlungs-App könnte in naher Zukunft völlig ausreichen.“ Was Bundesbank-Vorstand Carl-Ludwig Thiele vor zwei Wochen auf einer Bankenkonferenz in Frankfurt als Zukunftsvision darstellte, ist prinzipiell bereits möglich: Neben Überweisungen und anderen Banktransaktionen bieten einige Finanzdienstleister schon seit längerem auch Zahlungen von Handy zu Handy an, so dass Freunde sich beispielsweise Ausgaben für Kinotickets erstatten können. Auch große Handelsketten akzeptieren Zahlungen per Mobiltelefon.

Bislang werden diese Angebote in Deutschland nur von wenigen Verbrauchern genutzt. Das könnte sich ändern: Jetzt kommen Sparkassen und Volksbanken mit eigenen Programmen für Zahlungen von Handy zu Handy auf den Markt. „Kwitt“ nennt der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) die neue Funktion, die in die bereits bekannten Apps der roten Gruppe integriert wird. Den bislang 4,5 Millionen Nutzern dieser Smartphone-Programme wird es ab sofort möglich sein, Geldbeträge per Handy einfach an die Mobilfunknummer des Empfängers zu schicken. Auch die Volks- und Raiffeisenbanken bauen eine solche Funktion in ihre VR Banking App ein, ab jetzt soll sie unter einem neuen Menüpunkt mit dem schlichten Titel „Geld senden & anfordern“ verfügbar sein. Die VR Banking App wurde bislang 3,6 Millionen Mal heruntergeladen.

Andere Anbieter waren schneller

Andere Anbieter waren schneller – mit der App der Deutschen Bank sind Zahlungen von Handy zu Handy seit dem Frühjahr möglich, Paypal bietet diesen Service sogar schon seit Sommer 2014 an. Zahlen zur Nutzung dieser Funktion in Deutschland liegen der Paypal-Pressestelle allerdings nicht vor. In einer im April veröffentlichten Online-Umfrage des Zahlungsverkehrsdienstleisters TSYS unter gut 500 Deutschen gaben neun Prozent an, Zahlungen von Handy zu Handy zu nutzen. Da an Online-Befragungen meistens vor allem jüngere Menschen teilnehmen, dürfte der Anteil der Handy-Zahler in der Gesamtbevölkerung noch geringer sein.

Der Neueinstieg von Sparkassen und Genossenschaftsbanken könnte dem mobilen Bezahlen wegen deren großer Kundenzahl einen Schub geben, glaubt Dirk Schiereck, Professor für Unternehmensfinanzierung an der Technischen Universität Darmstadt. „Die Frage ist: Bietet so eine Lösung ein komfortables zusätzliches Nutzerelement? Ich glaube ja.“ Es sei für die Kunden durchaus ein Mehrwert, „wenn im privaten Bereich schnell Geld transferiert werden kann“. Wenn dieser Service an Beliebtheit gewinne, würden auch mobile Zahlungen im Handel einen Aufschwung erleben, meint Schiereck.

Die Verbreitung mobiler Zahlungen ist in Deutschland gering

Mit dem Smartphone an der Ladenkasse zu bezahlen, ist mit den Apps der meisten Banken und Sparkassen bislang allerdings nicht möglich. Diese Funktion bieten dafür mehrere Mobilfunkbetreiber wie die Telekom, Vodafone und der Telefonica-Ableger Base in Form so genannter Mobile Wallets (zu Deutsch: mobile Geldbörsen) an. Wer über ein solches Mobile Wallet verfügt, kann damit beispielsweise bei Aldi, Lidl, Karstadt und Globus bezahlen. Die Supermarktketten Edeka und Netto haben jeweils eine eigene App für Zahlungen in ihren Filialen entwickelt. Seit dem Sommer gibt es außerdem eine gemeinsame App der am Payback-Punkte-System beteiligten Geschäfte und Tankstellen, die Payback Pay heißt. Die Deutsche Bank will mobile Zahlungen an der Ladenkasse Anfang 2017 in ihre App integrieren. Die Volks- und Raiffeisenbanken planen ab Dezember einen Pilottest für Zahlungen per Smartphone bei Edeka in Kassel.

Verglichen mit den angelsächsischen oder skandinavischen Ländern ist die Verbreitung mobiler Zahlungen in Deutschland aber nach wie vor gering. Ein Grund dafür ist nach Einschätzung von Branchenkennern das hierzulande weit verbreitete EC-Lastschriftverfahren (ELV). Gemeint sind Zahlungen per Bankkarte und Unterschrift, aber ohne Pin-Eingabe. „An das niedrige Kostenniveau von Bargeld, Girocard oder ELV-Zahlung kommt aktuell keines der innovativen Verfahren heran“, erläutert Stefan Weinfurtner vom Forschungszentrum ibi an der Universität Regensburg. Da viele Kassen aber ohnehin auf kontaktlose Kartenzahlungen umgerüstet werden, steige auch die Akzeptanz von Handy-Transaktionen im Handel: „Ob die Karte dann physisch vorliegt oder virtuell im Smartphone, ist dem Händler und dem Terminal egal.“

Nicht jeder will mit dem Smartphone bezahlen

Zusätzlichen Rückenwind für mobile Zahlungen könnte es geben, wenn Apple Pay und Android Pay auf den deutschen Markt kommen.Das sind Bezahl-Apps direkt für die Betriebssysteme, die auf iPhones beziehungsweise den meisten anderen Handys laufen.

Bis jeder Smartphone-Nutzer sein Portemonnaie daheim lassen und trotzdem wirklich in allen Geschäften einkaufen kann, wird also noch einige Zeit vergehen. Und vermutlich will es auch gar nicht jeder: In einer Umfrage der Wirtschaftsberatungsgesellschaft PwC äußerten 2015 ein Drittel der Befragten die Sorge, beim mobilen Zahlen könnten Daten gestohlen oder missbraucht werden.